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Es war so herrlich warm, als sie erwachte.

Sanfte Hände strichen hauchleicht über ihr Haar und sie atmete tief ein und wieder aus.
„Wenn du dazu bereit bist, kannst du die Augen öffnen, aber erschrick bitte nicht!", sagte eine tiefe, sanfte Stimme zu ihr.
- Oh... Sie kannte die Stimme von irgendwoher, oder?
Verwirrt blinzelnd schlug sie die Augen auf und blickte sogleich in die wärmsten himmelblauen Augen, die sie je zuvor gesehen hatte ...
und erinnerte sich dann erst wieder daran woher sie sie kannte.
Der Engel...?!
Der mit dem Heer von wilden Bestien gekämpft hatte, um sie zu retten...?
Sie setzte sich abrupt auf und er ließ sie auch sogleich gehen... legte nur mit einem leichten Stirnrunzeln in seinem wunderschönen Gesicht, die Hände auf seine Oberschenkel und senkte seinen Kopf... Ein helllichtes Strahlen umfloss ihn und seine nun schneeweiß gewordenen Flügel glänzten im Licht der Sonne.
Oh... hatte sie gerade eben auf seinen Knien gelegen..? Ja?
Hatte er sie festgehalten?
- Immer noch?

„Bitte erschrick nicht vor mir. Ich werde dir nichts mehr zuleide tun, das schwöre ich.", sprach er nun doch ein wenig betrübt.
„Oh... ich...", stammelte sie nur verwirrt und sah sich dann rasch hilfesuchend um, als ihr plötzlich blaues, blitzendes Licht in die Augen viel und ihre Aufmerksamkeit gefangen nahm.

Schon stand sie hastig auf und lief verwirrt auf die Straße zu, wo gerade zwei Dutzend Rettungskräfte hin und her rannten. Polizisten malten Striche auf den Boden, die Feuerwehr war auch da und ein gewaltiger Hirsch wurde gerade eben vom THW auf einen großen Pritschenwagen aufgeladen...
Und dann erst sah sie es... 
Da... hinter ihrem zerbeulten Auto... Dort lag eine reglose Gestalt, über die man halbwegs ein weißes Tuch ausgebreitet hatte.
Doch man sah noch das lange schwarze Haar und ... die Schuhe. Ja... Die kannte sie auch.
Hart aufkeuchend und dann noch härter an der Wahrheit schluckend, blieb sie stehen und sah zu, wie mehrere Männer in schwarzen Anzügen nun eine Art Metallsarg aus ihrem Leichenwagen ausluden und dann neben reglosen Gestalt am Boden abstellten. Sie schlugen das Tuch zurück ... und Emily sah sich selbst da liegen, geisterhaft bleich und... tot.
Ihr kamen die Tränen und sie trat noch zwei weitere Schritte auf die Straße hinaus.
Ein Polizist sprach ganz in der Nähe mit einem Abschleppunternehmer.
„... der Zwölfender ist dem jungen Mädchen wohl in den Wagen reingerannt. In der Nähe fand anscheinend eine Treibjagd statt, die nicht korrekt ausgeschildert war. Wir können nur vermuten, dass sie nach dem heftigen Aufprall ausstieg und in dem Versuch dem Verletzten Tier noch irgendwie zu helfen von seinem Geweih durchbohrt wurde... Er muss da noch gelebt haben. - So tragisch ist das alles.
Die Kleine hatte gerade erst heute ihren Führerschein erhalten... hatte sogar Geburtstag und trug auch gar keine Schuld an dem Zusammenstoß.
Da sieht man mal wieder was Tierliebe auch noch alles anrichten kann..."
„Schlimm ist das... die arme Familie..."

Emily schüttelte nur ganz langsam den Kopf, erneut zutiefst verwirrt... Denn das war hier doch so alles gar nicht passiert... oder?
- Hatte sie was nicht mitbekommen?

„Ich muss mich bei dir Entschuldigen.", sagte der wunderschöne Engel da nun ganz sanft und leise zu ihr, der gerade hinter sie getreten war. Sie drehte sich mit tränenvollen Augen zu ihm um.
„So ... so war es aber doch gar nicht! Es ... war doch gar kein Hirsch..!", flüsterte sie verwirrt und er nickte zustimmend.
Ich habe dich getötet. Doch die Menschen dürfen es nicht wissen, dass wir Engel auch hier auf Erden gegen die allumfassende Finsternis ankämpfen. Sie sollen ihr Leben wenn möglich ohne solche Sorgen und Ängste leben können. Deshalb habe ich mir nun erlaubt den Schauplatz etwas zu verändern.", erklärte er ihr immer noch immer so sanft und freundlich.
Oh und er sah auch noch so unglaublich gut aus... und war ... besorgt?

Emily blickte noch einmal kurz tief durchatmend zurück, wo der Sarg mit ihrem Körper darin gerade zugedeckt wurde und schluckte noch einmal hart an dem bitteren Klos in ihrem Hals, bevor sie sich schließlich endgültig von dem Geschehen abwandte und wieder mit dem Engel an den Straßenrand auf der anderen Seite zurückkehrte.
Er ging mit gesenktem Kopf neben ihr her, doch sie erkannte aus den Augenwinkeln heraus, wie er sie ab und an besorgt musterte.
Oh... sie musste es ganz einfach wissen...
„Was passiert jetzt mit mir?", fragte sie ihn also unsicher und faltete dann erbebend die Hände wie zum Gebet.

Er atmete leise aus.

„Du bist gestorben und gehörst nun nicht mehr in die Welt der Lebenden. Doch der Herr hält seine Hände über dich. Darum kommst Du jetzt erst mal mit mir mit..."
„Wohin?", fragte sie ihn nervös und biss sich gleich darauf ängstlich auf die eigene Unterlippe.
„Ich meine... verzeih... aber ... wird es dort drüben sehr weh tun?"
„Wieso denkst du das es weh tun wird?", fragte er sie verblüfft.
Emily kamen die Tränen. „Na, ich komme doch nun sicherlich direkt in die Hölle und ins Fegefeuer, weil ich heute einem von Gottes Engeln geschadet habe...", schniefte sie unglücklich und sah tieftraurig zu ihm auf. Doch der Engel lächelte sie erneut so unendlich freundlich und sanft an.
„Nein... Fürchte dich nicht. Ich bringe dich jetzt hinüber... und nicht in die Hölle.", erklärte er ihr sanft doch sie schluckte mehrmals hart und senkte betreten den Kopf.
„Bist du ... denn gar nicht böse auf mich, weil ich mich so dumm angestellt  habe und aufgesprungen bin? ... Du hast doch gesagt...  du fällst... - nur wegen mir! Gott muss mir da nun doch ebenfalls böse sein, oder?", sorgte sie sich weiter und blickte erzitternd zum Himmel hinauf.

„Nein ... nein, er zürnt uns beiden nicht, Emily. Und ich dir auch nicht, im Gegenteil. Sei bitte versichert, dass nun aller Schmerz und Leid hinter dir liegt, denn ich werde dich ab sofort beschützen, so gut ich es nur vermag.
Ich bin Mikael und diene dem Herrn schon seit langer Zeit. Also fürchte dich nicht mehr und komm mit mir! Dann führe ich dich ins himmlische Reich.", sprach er ruhig und reichte ihr dann schlicht seine große Hand.

Emily zögerte nicht sie zu nehmen, froh das er sie nicht sofort hier zurück wie auch ganz alleine lassen würde und erblickte dann aber erneut einen überraschten Ausdruck auf seinem Gesicht.
Sofort wollte sie ihn wieder loslassen.
„Oh... verzeih mir... Sollte ich denn nicht...? War das nur... wolltest du mir vielleicht... nur den Weg deuten, Engel Mikael?", stotterte sie sofort beschämt zu ihm auf und versuchte rasch ihre Finger wieder zurück zu ziehen. Doch die seinen schlossen sich nun warm und fest um ihre kleine, zitternde Hand herum.

Wow...

Ihr ganzer Körper wurde plötzlich warm und leicht... und auch der Himmel über ihnen beiden begann fast augenblicklich zu strahlen, so als gäbe es da nun auf einmal zwei helle Sonnen...
Ach du...?!
Emily atmete erschrocken aber auch fasziniert ein und gleich wieder ganz tief aus, derweil die sich in dem nun regelrecht Lichtdurchfluteten goldenen Wald umblickte.
Oh Wunder...!
Das war jetzt noch drei mal Schöner und magischer als vorhin, kurz bevor sie den Unfall mit dem Wesen gehabt hatte, fand sie an ihren Tränen schniefend und musste dennoch lächeln. Denn alles um sie herum schien nun vergoldet und jeder einzelne Tau- oder Wassertropfen auf Ästen, Blättern, Baumrinde oder der Straße, glitzerten nun gleich einem Meer voller geschliffener Diamanten.

Sogar die Rettungskräfte hielten kurz in ihrer Arbeit inne und sahen verwundert und staunend in Richtung des goldenen Lichtes, nichts ahnend, dass da gerade ein Zeichen des Himmels geschehen war.
Denn der erste der Erzengel, Mikael, hatte gerade sein Schicksal angenommen. Er hielt dass Mädchen, dessen Seele nun durch seine Rippe wieder körperlich geworden und an ihn gebunden war, an der Hand und führte sie durch den golden schimmernden Wald hindurch auf das Helllichte Strahlen zu... das mit jedem Schritt immer gleißender wurde.

Emily hielt sich nur noch mit heftig klopfendem Herzen an der beruhigend starken Hand des Engels fest und folgte ihm einfach, trat genauso wie er in das Weiße Licht hinein...

Dark Wings #15chaptersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt