𝖪𝖺𝗉𝗂𝗍𝖾𝗅 47 - 𝖲𝖼𝗁𝗆𝖾𝗋𝗓

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Ich renne schwer atmend und orientierungslos nach draußen. Offensichtlich bin ich durch eine falsche Tür gelaufen und befinde mich im Innenhof der Bar, wo in der Mitte ein kleiner Springbrunnen steht. Ich laufe auf den Brunnen zu und setze mich erschöpft auf die Kante und stütze mein Gesicht in meine Hände, welche wiederum auf meine Knie gestützt sind. Ein überaus beschissener Abend. Und das auch noch ausgerechnet am letzten Abend mit Amy.

„DU SOLLTEST SIE EINFACH NUR FLACH LEGEN!" - „Larry? Weißt du was, ich erledige das jetzt einfach selbst!" - „Na Babe, bereit das schönste Gefühl deines Leben zu spüren?" Ich sehe wieder sein schelmisches Lächeln vor mir. Ich kralle mich mit meinen Nägeln in der Kopfhaut fest und möchte einfach nur schreien. Ich möchte die Wut gegenüber diesen alten Pädophilen und Tim einfach herraus schreien. Ich will den Schmerz herraus schreien. Ich will so laut schreien das es die Erinnerungen übertönt. Was hat die scheiß' Therapie gebracht, wenn ich bei jeder Kleinigkeit an diesen Tag vor 4 Jahren erinnert werde? „WAS VERDAMMT?" schreie ich voller Wut. Ich schreie noch einmal kurz auf, bevor dann die Tränen nur so fließen. Es fühlt sich gut an die warmen Tränen auf meiner Wange zu spüren, so stelle ich mir das Gefühl vor, welches mir Arnav vor 2 Wochen beschrieben hat. „...ohne Schmerz, es war so als würden die Wellen, sobald sie am Strand abbrachen, den Schmerz mit sich reißen" Ja, genauso fühlt es sich an. Sobald eine Träne von meinem Kinn auf den Boden fällt, geht es mir immer ein Stückchen besser.

Wo ist überhaupt Arnav? Nachdem ich ihn vor 1 Stunde aus Scham verlassen habe, habe ich ihn nicht einmal mehr gesehen. Ob er nach Hause gegangen ist? Sicher nicht. Aber wenn doch was soll ich dann jetzt machen? Plötzlich kommt mir ein schrecklicher Gedanke...er wird doch nicht gerade mit einer anderen-Nein! Das würde er nicht tun! Auch wenn ich es versuche den Gedanke aus meinem Kopf zu vertreiben, kullern neue Tränen aus meinen Augen. So habe ich mir das alles ganz und gar nicht vorgestellt!

Aus purer Verzweiflung stehe ich auf und gehe Barfuß zu einem Türchen in der Mauer, welche den Innenhof eingrenzt und verlasse die I Bar. Ich laufe runter zur Promenade, wo mich bereits die salzige Meerluft empfängt. Ich bleibe stehen und breite meine Arme aus. „Das tut gut" flüstere ich zu mir selbst. Ich laufe weiter, wobei ich auch schwören könnte das ich weiter schwebe, aber wie auch immer vor mir liegt ein 36 Minütiger Fußweg und es wird so oder so 36 Minuten dauern. Egal ob ich dahin laufe oder schwebe. Ich lasse mit einem Seufzer meine Schultern hänge und schaue auf die Pumps welche ich in meinen Händen trage. Es ist wirklich ganz und gar nicht so verlaufen wie ich es mir erträumt hatte.

Ich gehe lächelnd auf Arnav zu, der mich ebenfalls mit einem Strahlen mustert. „So gut wie du heute aussiehst muss ich wirklich gut auf dich aufpassen, nicht das du mir noch gestohlen wirst!" Ich lächel ihm zu und kreuze meine Arme hinter seinem Rücken. Ich lege meinen Kopf auf seine Brust und er seinen auf meinen Kopf. Er hält mich stark in seinen Armen und gemeinsam tanzen wir mit kleinen Bewegungen zu einem ruhigen Song, der gerade läuft. „Violet ich liebe dich" höre ich seine tiefe Stimme flüstern. Ich schaue zu ihm auf und gucke ihn voller Liebe an und reagiere auf die Worte, welche nur ich hören konnte, mit einem Kuss. „Ich liebe dich auch Arnav." Er legt seine Stirn gegen meine und wir schließen gemeinsam unsere Augen und wanken weiter zur lieblichen Melodie. „Willst du meine Freundin sein?" „Ja" hauche ich gegen seine Lippen und küsse sie daraufhin ein erneutes mal. Wie ich ihn liebe!

Nichts dergleichen ist passiert. Es wird eine Tagträumerei bleiben. Es wird ein simpler Sommerflirt bleiben. Er wird Arnav auf einer Insel und Violet in der Großstadt bleiben. Und wieder überrennt mich ein Eimer voller Emotionen und ich lasse sie ihren Lauf. Ich bin allein, mich sieht hier sowieso keiner. Vor wen verstecken?

Nicht einmal mein Handy habe ich dabei. Was habe ich mir nur dabei gedacht? Ich bin so dumm. Naiv. Und verliebt. Verdammt und wie ich das bin! Verliebt in einen Surferboy der 5000 km von mir entfernt lebt und der gerade wahrscheinlich mit einer anderen rumknutscht und ihr die nächste rosarote Brille aufsetzt. So wie er es bei mir getan hat. „Aber so einer ist Arnav doch gar nicht" sage ich zu mir, um mir irgendeine Sicherheit zu geben. Es ist zwecklos, die schlechten Gedanken sind stärker, größer und platzeinnehmender. Ich schaue runter aufs Meer, welches vielleicht 15 Meter entfernt von mir rauscht. Ich schaue sehnsüchtig darauf und werde an die gleichfarbigen Augen von Arnav erinnert. Es ist so als würde ich genau in sie gucken, als könnte ich in sein Inneres schauen und alles über ihn wissen. Aber das tue ich nicht.

Ich laufe erst 15 Minuten und fühle mich jetzt schon schwach und total ausgeknockt. Ich kann nicht mehr. Ich bin an einer Straße, an welcher mehrere Straßen abzweigen und in Wohnsiedlungen führen. Dennoch ist hier keine Menschenseele, die mich jetzt retten könnte. Ich bin hier wo wir unser Date hatten. Ja genau, da unten am Strand, ein Date welches komisch endete, wegen einem Zungenkuss. Und der Abend endete auch bei Arnav und mir mit einem Zungenkuss. Danach haben wir nicht mehr miteinander gesprochen. Der Kuss hat einfach kein gutes Omen. Nach weiteren schleichenden Schritten sehe ich eine Bank, welche an der Promenade steht und lege mich darauf. Ich ziehe meine Beine zu mir ran, mir egal ob man jetzt meine Unterwäsche sehen kann und meine Schuhe lege ich zwischen Beine und Bauch. Meinen Kopf lasse ich erschöpft auf die harte Bank fallen und meine Arme schlinge ich um die herangezogenen Beine. Ich bin müde. Müde und k.o. „Ich kann nicht mehr" flüstere ich in die Stille und schlafe ein.

Ich weiß nicht wie spät es ist. Das einzige was ich wahrnehme sind Scheinwerfer die mit ihrem grellen Licht direkt in meine Augen leuchten und starke Arme die mich tragen und zu den Lichtern bringt. „Alles gut Violet ich bin da. Ich bin immer für dich da. Es tut mir leid, das ich es heute nicht war. Aber jetzt bist du bei mir in Sicherheit und ich lass dich nie wieder gehen. Versprochen."

Im Rausch der WellenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt