Sobald ich ins Zimmer trete, beginnt mein Herz einen Ticken schneller zu schlagen. June sitzt an ihrem Schreibtisch, sie hat übergroße Kopfhörer auf dem Kopf und wippt mit ihren Füßen auf dem Boden mit.Kurz schließe ich die Augen und atme tief durch. Dann nicke ich, um mir im Stillen Mut zuzusprechen. Weil ich meine Mitbewohnerin nicht erschrecken will, tippe ich ihr vorsichtig auf die Schulter, statt sie direkt zu überrumpeln.
„Oh Gott, hast du mich erschreckt", schreit sie mir entgegen, nachdem sie kurz zusammen gezuckt ist und ihren Stuhl leicht nach hinten geschoben hat. Ich deute mit meinen Fingern auf meine Ohren, um ihr zu verdeutlichen, dass sie noch immer Kopfhörer trägt und extrem laut spricht.
„Du hast Kaffee mitgebracht?", fragt sie, nun deutlich leiser, als sie sich die Kopfhörer abzieht und auf ihren Schreibtisch legt. Erst als sie mich dran erinnert, fällt mein Blick wieder auf die Halterung in meiner Hand.
„Uhm ja. Ich bin mir nicht sicher gewesen, was du gerne trinkst. Deswegen ist es einfach nur ein Milchkaffee geworden." Achselzuckend halte ich ihr den Kaffee hin und trete augenblicklich ein paar Schritte zurück, als sie sich von ihrem Stuhl erhebt.
Sie wirft mir ein dankbares Lächeln zu, dann rauft sie sich die Haare und ihr Gesichtsausdruck wird ein wenig ernster. „Ich...", als sie inne hält und die Stirn runzelt, merke ich, wie meine Augen sich ein Stückchen weiten.
„Es tut mir Leid, dass ich dich gestern so überfallen habe. Ich wusste nur einfach nicht, was ich sagen soll und dann habe ich gar nicht bemerkt, wie unwohl du dich in diesem Moment gefühlt hast." Sie lässt sich auf ihr Bett fallen, nippt an ihrem Kaffee und sieht mich entschuldigend an.
Ich senke den Kopf auf den Becher, den schwarzen Kaffee, den ich mir bei Ben bestellt habe. „Es ist nicht deine Schuld gewesen, June." Mit fragendem Blick deute ich auf Junes Bettkante, sie nickt und rückt ein Stück zur Seite, damit ich mich neben sie setzen kann.
Sofort fühle ich mich deutlich wohler, als noch vor ein paar Sekunden, in denen ich noch von Kopf bis Fuß von ihren Blicken durchbohrt wurde. Ich ziehe mein Bein an und lehne meinen Kopf darauf, um June von der Seite ein vorsichtiges Lächeln zu zu werfen. „Ich wusste nicht, dass du von meinen Schlafstörungen bescheid weisst." Kurz stelle ich mein Getränk auf dem kleinen Nachtschränkchen neben mir ab, um mir mit beiden Händen die Haare aus dem Gesicht zu streichen.
„Seit meinem Unfall geht es mir nicht nur körperlich nicht mehr so gut, sondern auch psychisch. Ich trauere um einen geliebten Menschen, den ich verloren habe...und es fällt mir unglaublich schwer das alles zu verarbeiten." Meine Hände wandern an meine Brust, die Finger breiten sich über der Stelle meines Herzens aus, bloß damit ich die Gewissheit habe, dass es noch schlägt. Denn die Worte die so eben meinen Mund verlassen haben, kosteten mich viel Überwindung und mindestens genau so viel Eingeständnis.
Als ich den Kopf nach rechts drehe, um June ins Gesicht zu sehen, ziert ihre geschminkten Lippen ein trauriges Lächeln. „Es tut mir Leid, dass ich dir Angst gemacht habe und einfach abgehauen bin, und vor allem, dass ich dich Nächtelang wach halte, ohne es zu wissen."
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unpainted faces
Romance"Du kannst dir dein Gesicht nicht bemalen und dann ernsthaft denken, dass ich da nicht durchblicken würde, Elle." Ich habe meinem Vater noch am ersten Tag der High School versprochen, dass ich genau den Menschen helfe, die sich ihre Gesichter nicht...