Wie genau ich es richtig und bewusst hinbekommen soll, zu atmen, wenn sich ungefähr alles in meinem Kopf dreht, bleibt mir ein absolut großes, unlösbares Rätsel. „Und du bist dir absolut sicher, dass du dich nicht jede Sekunde übergeben wirst?", Tate lehnt sich etwas zu mir nach vorne, um mir irgend etwas aus meinen Haaren zu ziehen.
Ein Blatt? Ich folge seiner sinkenden Hand mit meinen Augen und hätte dabei wahrscheinlich niemals gedacht, dass etwas so ästhetisch aussehen kann. Seufzend wende ich den Blick ab, lasse den Kopf etwas härter als beabsichtigt neben mich gegen die Scheibe knallen und verziehe daraufhin ganz kurz, vor allem hoffentlich so kurz, dass Tate es nicht bemerkt, das Gesicht.
Autsch.
Meine Finger umschließen die Metallstange vor mir etwas fester, damit ich nicht vollends den Halt verliere. Denver bei Nacht ist wunderschön, sogar aus einem Bus heraus. Die Lichter laden mich mit ihrem gemütlichen Flair fast schon in die nächste Bar ein, und das, obwohl ich sowas normalerweise eher in die gegengesetzte Richtung fühle.
Mir fällt nicht mal wirklich ein Wort dafür ein, zu beschreiben, was genau ich gerade an Emotionen wahrnehme und vor allem, was genau am deutlichsten in den Vordergrund tritt. Aber das schiebe ich ganz beabsichtigt darauf, dass ich gerade wahrscheinlich so viel Dopamin ausschütte, dass sich das alles so oder so nicht einordnen lässt.
Sobald der Bus, in den mich Tate Gott sei Dank gehoben hat, nach rechts abbiegt, verliere ich so unvorhersehbar das Gleichgeweicht, dass meine gesamte linke Gesichtshälfte gegen die Fensterscheibe prallt.
Und bevor ich auch nur abwägen kann, auf welcher Zahl von Schmerzens-Gala ich hier balanciere, dringt Tates Lachen in meine Ohren und obwohl ich gedacht habe, sie seien mittlerweile zu berauscht von dem Adrenalin, das durch meine Adern pumpt, nehme ich das Geräusch in aller tiefster Genauigkeit auf, auf und lasse es nicht mehr raus.
„Ernsthaft? Der Bus ist fast im Stehen abgebogen." Ich versuche den wohligen Schauer, der sich seinen Weg von alleine meinen Rücken hinunter bahnt zu ignorieren, in dem ich mich versuche aufzurichten, um endlich wirklich sicher auf meinen Füßen zu stehen.
Tate beobachtet mich dabei, ein kleines Grübchen auf seiner rechten Seite und ich bin ihm fast sogar dankbarer, als verwunderter darüber, dass er seine Hände um meine Finger legt, damit ich besseren Halt an der Metallstange habe.
„Boden jetzt fest unter den Füßen?" Oh Tate, den hatte ich noch nie fest unter den Füßen. Oder vielleicht auch einfach viel zu lange. Und obwohl ich selbst nicht mehr im Stande dazu bin, verschwimmt gerade alles.
Die Grenzen in meinem Kopf werden von dem Wasser nach unten gezogen und ich weiß im Moment nichts, außer: „Ich will noch nicht auf mein Zimmer, Tate."
*
Frozen Yoghurt mitten in der Nacht, mit einem jungen Mann, der nicht mehr als ein winziges Häufchen auf seinen Löffel packt, weil er sonst Gehirnfrost erleidet, ist definitiv etwas, von dem ich nicht wusste, dass ich es brauchte. Aber vielleicht weiß man nie so wirklich was man braucht, bis man es dann spürt. Während man mitten drin ist, es so tief wie möglich in sich aufzusaugen.
„Ich glaube, ich habe es Jamie zu verdanken, dass ich dagegen immun bin." Ich kratze die letzten Reste aus meinem Becher, mit einem winzigen Grinsen, das meine Lippen ziert. „An jedem ersten Schultag, nach egal welchen Ferien, haben wir an FroYo angehalten. So eine Art Tradition mit meinem Vater und Bruder. Und James ist so vernarrt in das Zeug gewesen, dass er sich immer fast den halben Becher auf einen winzigen Löffel gepackt hat."
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unpainted faces
Romance"Du kannst dir dein Gesicht nicht bemalen und dann ernsthaft denken, dass ich da nicht durchblicken würde, Elle." Ich habe meinem Vater noch am ersten Tag der High School versprochen, dass ich genau den Menschen helfe, die sich ihre Gesichter nicht...