„Du weißt, dass ich dich nicht zwingen will, Elle. Aber verdammt. Das ist die letzte Klausur des Semesters gewesen. Ich kann- ich kann wirklich nicht glauben, dass ich mich darüber auf eine Diskussion mit dir einlasse."
Ich weiß, dass June mich unendlich lieb hat, und dass sie sich wahrscheinlich viel zu sehr darum bemüht, mich zu überreden, aber sie hat mindestens genau so viel Überzeugungskraft wie rote Locken.
„Es ist keine Hausparty. Nur ein paar Kommilitoninnen, die sich auf ein Bier treffen, um das Ende eines Semesters zu feiern. Ganz harmlos und abgesehen davon bist du schon im Colorados gewesen." In diesem Moment hasse ich meine Zimmergenossin dafür, dass ich mich seufzend von meinem Bett erhebe und vor meinem Kleiderschrank zum stehen komme.
„Ich komme nur mit, damit du mich endlich aufhörst zu nerven." Ich will mich genervt anhören und ich will der rothaarigen Schönheit einen richtig bösen Blick zu werfen, so böse, dass sie sich verängstigt zurück ziehen würde.
Trotzdem gelingt es mir bloß, ihr auf ganz armselige Art und Weise die Zunge heraus zu strecken. Und der Höhepunkt ist, dass sie sich daraufhin auf ihr Bett fallen lässt und lauthals anfängt zu lachen. Im Prinzip weiß ich, dass es ein gutes Zeichen ist, dass ich mich an einem Freitag Abend für einmal nicht in meinem Zimmer verschanzen werde. Und die Bar hat mir von der Machart her auch total gut gefallen. Rustikal und gemütlich, eine Sache die ich gelernt habe mit Denver zu verbinden.
Und ich weiß, dass Noah und Tate auch da sein werden. Das hat Noah mich gestern Abend wissen lassen, -vielleicht ist auch gerade das der Punkt, der mich ruhiger werden lässt und verhindert, dass mein Puls auch nur bloß beim Gedanken daran, unter Menschen zu treten, in die Höhe steigt.
„Gott, Elle. Du bist mit Sicherheit einer der süßesten Kuchen im Schaufenster, hat dir das schonmal jemand gesagt?", June schüttelt grinsend den Kopf und schickt mir einen Luftkuss. Obwohl ich die Augen verdrehen will, schleicht sich ein winziges Lächeln auf meine Lippen.
***
So toll der Herbst auch ist, umso kälter wird es mittlerweile auch. Sobald June und ich das Lokal betreten haben, atme ich tatsächlich erleichtert aus, bloß weil mir die Wärme direkt beim Eintreten ins Gesicht weht. Ich entledige mich aus meinem Mantel und während ich mir die Mütze vom Kopf ziehe, lasse ich den Blick durch die Bar gleiten.
Eigentlich hätte ich wissen müssen, dass hier heute die Hölle los sein würde. Immerhin haben verdammt viele Studenten heute vorerst ihre letzte Klausur geschrieben. „Bei dem Geruch von Guiness wird mir echt warm ums Herz."
Meine Mitbewohnerin hakt sich bei mir unter und zieht mich zeitgleich mit an die Theke. Dass meine Augen den Raum nach einer bestimmten Person absuchen, versuche ich so stark wie möglich herunterzuspielen. Es ist schlimm und ich bin wirklich erbärmlich was das angeht aber ich kann und will mir kein konkretes Bild zu dem machen, was ich für Tate empfinde.
Da ist ein schwarzes Loch an der Stelle meines Herzens und es klafft noch immer. Seit dem Unfall. Seit James von dieser Welt gegangen ist. Tate und mich verbindet etwas. Es ist offensichtlich, dass er mir etwas bedeutet. Und das versuche ich nicht mal vor June abzustreiten. Dass vor allem Schmerz und Frust uns zueinander geführt haben, halte ich für keinen guten Grundbaustein um eine gesunde Beziehung aufzubauen. Auf egal welcher Ebene. Aber er ist meine Stütze.
Und ich bin zu seiner geworden. Irgendwie.
„Apple Cider, auf Wunsch- obwohl du nicht nach gefragt hast, glaube mir, ich tue dir damit einen Gefallen." Meine Zimmergenossin stellt mir die Flasche vor die Nase und hebt direkt ihre eigene an um mit mir anzustoßen. Das schlimme an der Sache, dass mein Kopf so voll mit Gedanken ist, ist, dass ich nicht mal drüber nachdenke bevor ich den Kopf in den Nacken lege und das Getränk an meine Lippen führe. Aber ich mag den süßsäuerlichen Geschmack, das muss ich June lassen. Vermutlich hat sie es endlich geschafft, mich zu dem Alkohol zu nötigen der mir sogar schmeckt. Ein Pluspunkt.
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unpainted faces
Romance"Du kannst dir dein Gesicht nicht bemalen und dann ernsthaft denken, dass ich da nicht durchblicken würde, Elle." Ich habe meinem Vater noch am ersten Tag der High School versprochen, dass ich genau den Menschen helfe, die sich ihre Gesichter nicht...