34| Bemal dich nicht, Elle.

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Als ich meine Schicht in Bens Café heute antrete, habe ich ein mulmiges Gefühl im Bauch. Denn Ben hat mich zuletzt total weggetreten und neben der Spur erlebt. Dass ich mir Sorgen darum gemacht habe, wie er mir gegenüber treten wird, ist natürlich total absurd gewesen, weil er mich mit freudigem Lächeln in die Arme schließt, als ich am Samstag Morgen das gemütliche Lokal betrete.

„Endlich siehst du wieder aus wie ein Mensch. Zwar ein Mensch, den die stressige Klausurenphase nicht nur gerade ein wenig mitnimmt, aber immerhin wie ein Mensch." Ich habe den Ladenbesitzer nie gefragt, warum er nicht selbst studiert, denn älter als Mitte Zwanzig würde ich ihn auf gar keinen Fall schätzen.

Ich will die positive Ausstrahlung auf seinem Gesicht erwidern, halte aber inne, als ich den Geruch von Apfel-Zimt-Kuchen einatme und dabei fast genüsslich vor zu viel gutem Geruch seufze. Die Frage warum Ben nicht studiert, erübrigt sich mir, wenn ich bedenke, wie gut er backen kann. Er ist seiner Leidenschaft nachgegangen und es ist an seinem Lächeln abzulesen, wie gut ihm das tut.

„Morgen Abend wird bei mir gebacken. Du bist ganz herzlich eingeladen, Elle." Das Erwidern seines Gesichtsausdrucks fällt mir bei seiner Einladung nun nicht mehr schwer. Mit voll Hitze aufgesogener Wangen mache ich mich auf den Weg in die Backstube, um mir die Schürze für meine Schicht umzulegen.



***


„Hi." Ich bin gerade dabei gewesen, mir die losen Strähnen aus dem Gesicht hinters Ohr zu klemmen, als Tates Stimme hinter mir ertönt. Es ist kurz vor Ladenschluss, Ben hat den Plattenspieler, die Songs seiner Lieblings-Indie-Band lauter gedreht, wodurch ich das Klingeln der Ladenglocke wahrscheinlich nicht wahrgenommen habe. Jonny wischt gerade die Tische ab und Ben befindet sich im kleinen Lager im Hinterraum.

„Hey." Jetzt fahre ich mir erneut durch das Gesicht obwohl ich genau weiß, dass mir keine losen Haare aus meinem Dutt mehr im Gesicht hängen. Warum mich ein plötzlicher Kick der Nervosität überkommt, weiß ich nicht.

„Habt ihr eigentlich auch Pfefferminztee hier?", will er wissen und verschränkt die Arme vor der Brust. Ich weiß nicht ob es Absicht ist, dass seine Mütze zu dem dunkelblauen Pullover passt, den er anhat, aber es sieht ungewollt gut aus.

„Ehm, ja." Sobald ich merke, wie mir die Röte aus dem Bauch heraus hoch wandert, drehe ich mich geschickt um, um einen Blick auf die sortierten Teesorten zu erhaschen.

„Perfekt, dann einen davon mit Vanille drin und einen normalen Schwarztee oder so."

Die Haare hängen mir nun wieder im Gesicht, als ich mich viel zu schnell wieder zu Tate umdrehe. Ganz durchblicken kann ich da gerade nicht.

„Mit Karte dann bitte", fügt er hinzu, als ich ihn unter zusammen gezogenen Augenbrauen anstarre, statt mich an seine Bestellung zu machen.

„Okay, aber wir schließen in fünf Minuten, das geht dann also nur To Go." Ich meide seinen Blick, starre stattdessen auf den Bildschirm vor mir, keine Ahnung, wo sich plötzlich der Tee im Monitor befindet.

„Ich weiß, kann ich hier auf dich warten, oder soll ich rausgehen?", er verzieht seine Lippen zu einem minimalen Grinsen. So minimal, dass ich mir gar nicht mehr sicher bin, ob es überhaupt da gewesen ist. Das Schimmern in seinen Augen bleibt aber bestehen. Was mich noch verwirrter dreinblicken lässt.

„Was genau hast du vor?", frage ich, kann es nicht verhindern, dass sich meine Stimme in ein Flüstern verwandelt, damit weder Jonny noch Ben hiervon mitbekommen.

„Ich gehe mal davon aus, dass du nicht vorhast an einem Samstag Abend auf ein einer Party abzuhängen, also ... lass uns spazieren gehen oder so." Dass selbst besagter Tate bei diesen Worten inne hält, als könnte er nicht glauben, sie wirklich ausgesprochen zu haben, lässt mich stutzen.

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