Tate sitzt vor einem Getränkeautomaten, er hat die Füße angezogen und seinen Kopf in seinen Armen vergraben. Ich bin mir um ehrlich zu sein ziemlich unschlüssig, was ich machen soll. Ich werfe einen Blick nach rechts und links, bevor ich meinen Kopf wieder zurück ziehe und die Tür ganz schließe. Ich drehe mich zu meinem Bett um, werfe June einen kurzen Blick zu und seufze dann.
Ich erinnere mich ganz genau an meinen ersten High School Tag. Dad hat mich zur Schule gefahren. Wir haben vorher noch bei Frozen Yoghurt gehalten, weil das James' und seine Tradition gewesen ist. Zu jedem ersten Schultag - Frozen Yoghurt. Als Jamie schon aus dem Wagen gestiegen ist, um seine Freunde auf dem Schulhof zu begrüßen, saß ich noch auf dem Rücksitz und atmete tief durch um mir Mut zu machen.
"Warte, Elle", hatte Dad mich aufgehalten und sich zu mir umgedreht. Er schenkte mir eins seiner Lächeln, die einen in wirklich jeder Situation besser fühlen ließen.
"Menschen können jemanden schrecklich verletzen durch ihre Taten. Die High School ist voll davon, von solcher Taten. Weißt du Ellie, den Menschen ist das meistens gar nicht bewusst. Sie bemalen sich ihre Gesichter, verstecken ihre Angst und Schwäche hinter einer Fassade. Du darfst die Menschen dafür nicht verurteilen, sie wissen es selbst nicht besser." Dad zuckte mit den Schultern, bevor er weitersprach. "Bemal dir dein Gesicht nicht, Schatz. Und hilf denen, die ihre Gesichter auch nicht bemalen. Du wirst es merken."
Und diese Worte brennen noch heute in meinem Gedächtnis und ich habe mich immer daran gehalten. Und gerade habe ich dieses Ziehen in meiner Brust gespürt, genau wie damals, als ich gemerkt habe, dass Jeff Hilfe brauchte. Ich habe seine Vorgeschichte nicht gekannt, er muss ziemlich dummes Zeug gemacht haben, was vielleicht auch der Grund dafür war, dass ihn in jeder in der Schule gemieden hat.
Und als er eines Mittags fast aus der Cafeteria geflohen ist, wusste ich, dass das ein stummer Hilferuf gewesen ist. Und ich hatte ihn gehört.
Genau dieses Ziehen spüre ich jetzt wieder. Fast, als hätte ich Tates Hilferuf ebenfalls gehört. Ich drehe mich also wieder um und öffne entschlossen die Tür.
"Tate?", flüstere ich und schlucke hart, als ich unschlüssig vor ihm zum stehen komme und er abrupt den Kopf hebt. Er scheint ziemlich verwirrt darüber zu sein, mich zu sehen. Was ich ihm wirklich nicht verdenken kann.
Seine Stirn legt sich in Falten und sein Mund öffnet sich leicht, während er sich mit seiner Hand durch die Haare fährt. "Was zur Hölle?", stößt er dann nur aus und erhebt sich vom Boden. Mein Blick fällt auf seinen dunklen Pullover, welches unterhalb seiner Brust mit ein paar dunkeln Flecken bespritzt ist. Ich weiß, dass es Blut ist, ohne nachfragen zu müssen.
Ich sammle mich kurz, indem sich mein Blick auf den Boden heftet.
"Willst du irgendwas? Wenn du dich verlaufen hast-", er blickdeutet hinter mich. "Da hinten ist dein Zimmer." Seine Stimme klingt trocken. Ich kann spüren, dass er nüchtern ist, aber ich weiß nicht, warum er mitten in der Nacht -mit Blutflecken auf seinem Shirt- auf dem Boden vor einem Automaten in einem Wohnheim sitzt.
"Ist alles okay?", ich habe kurz gezögert, ihn diese Frage wirklich zu stellen. Ich weiß, dass er schon allein von meiner Anwesenheit genervt ist. Aber ich merke Tate an, dass er gerade vor Wut und Frust sprudelt, will ihm doch nur etwas von seiner Last abnehmen.
"Wir haben drei Uhr nachts, ist bei dir alles okay?", wirft er mir dann ironisch an den Kopf und legt den Kopf in den Nacken um sarkastisch in sich hinein zu lachen. Das ist eine beschissene Idee gewesen.
"Vergiss es, ich wollte nur höflich sein." Meine freie Hand streicht sich eine Strähne aus meinem Gesicht, bevor ich mich auf meinen Versen umdrehe und wieder zurück in die Richtung meines Zimmers tapse. Das ist gelogen, ich wollte nicht bloß höflich sein. Ich mache mir zu viele Sorgen, immer. Und genau das ist mein Problem.
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unpainted faces
Romance"Du kannst dir dein Gesicht nicht bemalen und dann ernsthaft denken, dass ich da nicht durchblicken würde, Elle." Ich habe meinem Vater noch am ersten Tag der High School versprochen, dass ich genau den Menschen helfe, die sich ihre Gesichter nicht...