Tate„Was zur Hölle, Tate?" Noah kommt ins Wohnzimmer herein spaziert nachdem Elle vor wenigen Minuten daraus geflüchtet ist. „Ich glaube du hast sie zum weinen gebracht."
Mein Mitbewohner gibt sich größte Mühe mich nicht allzu tadelnd anzusehen. Aber ich bemerke das Hochziehen seiner rechten Augenbraue trotzdem. Seufzend fahre ich mir durch die Haare. Ich weiß, dass ich ein Idiot bin und mich ihr gerade unmöglich benommen habe, aber ernsthaft. Realistisch gesehen ist es fair gewesen. Denn realistisch gesehen hat die schlanke, junge Frau mit den viel zu tiefen Augenringen genug Probleme in ihrem Leben.
Dass ich auf sie zukomme, um mich über meine eigene gottverdammte Scheiße auszuheulen ist absurd. Genau so absurd wie einfach hier aufzukreuzen. Also realistisch gesehen ist es fair mich ihr gegenüber wie das beschissenste Arschloch zu verhalten, damit sie ihre kleine Stupsnase nicht weiter in meinen Kram steckt. Noahs Blick ist immer noch auf mich gerichtet. Und langsam nervt es.
„Ach, fuck off. Ich hab keinen Hunger mehr." Mit den Worten will ich den Raum verlassen, um mich von Elles hinterlassenem Geruch loszumachen.
„Fuck du off, Tate. Du bist es selbst Schuld. Du hast sie hier vor ein paar Wochen pennen lassen, schon vergessen?" Er schüttelt den Kopf, stößt dabei ein höhnendes Geräusch aus. Ich antworte ihm nicht mehr, weil ich genau das weiß. Ich habe sie hier schlafen lassen, ich habe sie in meine Privatsphäre eingelassen.
Auf die Lasagne meiner Mum habe ich jetzt auch keinen Bock mehr, verdammt.
Als ich die Wohnung mit einem Knall hinter mir lasse, atme ich tief durch. Es riecht nach Regen, immerhin etwas, das meine Stimmung heben kann. Ich setze mir meine Ohrstöpsel in die Ohren, versuche die Straße zu überqueren, ohne Passanten bei ihren Gesprächen zuzuhören. Ohne rein zufällig mehr über sie zu erfahren. Ohne ganz rein zufällig in ihre Privatsphäre einzudringen.
Vielleicht ist es mir auch aus Versehen passiert. Dass ich jemanden wie Elle in mein Leben gelassen habe. Kann so etwas passieren? Dass man es erst im Unterbewusstsein macht und es dann zu spät ist um es rückgängig zu machen?
Scheiße, ich merke wie meine Gedanken wieder zu ihr abdriften. Das ist abgefuckt. Sogar Fall out Boy in meinen Ohren kann nichts dagegen ausrichten. Ich balle meine Hände zu Fäusten, ziehe mein Tempo an um davon wegzukommen. Wovon genau ist mir nicht klar. Von allem, schätze ich und vor allem von mir.
***
Die Studentenverbindung ist noch genauso zugemüllt und muffelig, wie ich sie in Erinnerung habe. Essensreste tummeln sich auf dem Wohnzimmertisch. Geschirr stapelt sich in der Küche und es gelingt mir nicht, die Räume zu durchqueren, ohne die Nase zu rümpfen.
„Tate, alter Mann. Lange nicht gesehen." Ich habe keine Ahnung, wie der Name des rothaarigen Typen lautet. Er liegt auf einem der Sofa, hält die rechte Hand, mitsamt angebrochener Kippe von sich weg, um husten zu können. Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher, ob es bloß ne Kippe ist. Ich will mich hier nicht mal so lange aufhalten.
Das letzte Mal, als ich hier zu Besuch war, musste ich June um einen Gefallen bitten, die dann plötzlich mit Elle hier auf der Matte stand. Das Gesicht verletzt, eine lange Narbe an ihrem Kinn, heilende Wunden unterhalb ihrer Augen.
„Kann ich dir was anbieten?", ich glaube sein Name ist Joe. Einer von Ricks Idioten. „Mach dir nicht die Mühe dich aufzusetzen Mann, ist Rick da?" Ohne auf eine Antwort zu warten, gehe ich weiter zur Treppe, um an die einzelnen Zimmer zu gelangen. Das Geländer lasse ich aus hygienischen Gründen unberührt. Gott, schaut hier nicht mal ne Aufsicht oder so vorbei?
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unpainted faces
Romance"Du kannst dir dein Gesicht nicht bemalen und dann ernsthaft denken, dass ich da nicht durchblicken würde, Elle." Ich habe meinem Vater noch am ersten Tag der High School versprochen, dass ich genau den Menschen helfe, die sich ihre Gesichter nicht...