| 03 | all of the stars |

528 48 16
                                    

KAPITEL 3

Die Stille weilte noch einige Sekunden, bis Mats sie schließlich unterbrach indem er aufstand und sich hinhockte, um seinen Koffer zu öffnen. Vielleicht war es besser, dass er aus meinem Blickwinkel verschwand und mich dementsprechend aus meiner Art Trance riss, denn dadurch fing ich mich wieder und brachte als aller erstes den nötigen Abstand zwischen Marcel und mich, um möglichst schnell diesen komischen Moment in Luft aufzulösen. Ich spürte ein Knistern in der Luft, unklar, ob es gut war oder nicht. In meinem Körper kribbelte alles, von den Zehen bis in die Fingerspitzen und den Haaransatz und ich hatte das Gefühl, dass ich so geladen war, dass ich jeden umbringen könnte, der mich berührte.
Marcel saß auch etwas benommen neben mir und hatte den Blick auf das weiße Laken des Bettes gerichtet, war völlig in Gedanken versunken. Einzig Mats randalierte mit dem Koffer, aber irgendetwas sagte mir, dass er extra so laut war, um diese Stille zu überbrücken, die so ungewöhnlich für uns war. Aber dann wiederum wusste ich selbst nicht, was ich sagen sollte.
Das war doch ein äußerst komischer Moment gewesen gerade.
„Der Film ist vorbei", stellte Marcel mit erstaunlich leiser Stimme fest, die sich so gepresst anhörte, als würde ihn etwas oder jemand unter Wasser drücken.
Mats Kopf erschien über dem Bettrand und er murmelte ein genauso gepresstes Oh, während ich, charakteristisch für mich, schwieg und nicht einmal ein gleichgültig Schulterzucken übrig hatte.
Ich beobachtete stattdessen den Kreis in der unteren rechten Ecke in welchem ein Countdown herunter gezählt wurde und bei 0 wechselte der Bildschirm zu einem wahllos weiteren Film, den niemand von uns beiden anhielt, stattdessen wurde der Raum nun von einer dramatischen Melodie gefüllt, die die jetzige Stimmung gerade nur nahezu perfekt widerspiegelte.
Redet doch endlich!
„Hört sich nach ner Schnulze an, vielleicht ist es was für Piszczu!"
Danke Mats
„Wollen wir ihm den Gefallen tun?"
Danke Marcel
Mats warf einen Blick über seine Schulter und kurz drauf zog er sich ein frisches Shirt über den Kopf. In diesem Moment atmete ich fast schon erleichtert auf, obwohl ich nicht einmal bemerkt hatte, dass ich die ganze Zeit etwas Luft anhielt. Aber mit Mats, der nun wieder etwas trug und Marcel und Mats, die wieder redeten, löste sich die Spannung recht schnell auf und alles fiel in seine ursprünglichen Bahnen zurück, die vergangen Minuten wurden einfach in die verwinkeltsten Teile unseres Gehirns verfrachtet, damit sich niemand mehr darüber den Kopf zerbrach, was es jetzt eigentlich zu bedeuten hatte.
So lief der Abend fort, auch wenn der Abend mittlerweile als Nacht zu definieren war, wenn ich einen Blick durch das runde Fenster der Kabine warf. Ich sah die Sterne am Himmel funkeln, so klar, wie noch nie zuvor in meinem Leben. Ein unfassbarer Drang machte sich in mir breit sie näher zu sehen, als nur durch eine Fensterscheibe und auf Anhieb sah ich keinen Grund es nicht zu tun.
„Ich geh die Sterne anschauen", entschloss ich mich dann und ignorierte das verwirrte Lachen meiner Freunde. Stattdessen rutschte ich von Bett herunter und schnappte mir meine Socken vom Boden, die ich irgendwann losgeworden war. Ich durchlief den unteren Bereich und kletterte die steile Treppe an Deck, öffnete die Klappe und wurde sogleich von einer Finsternis eingefangen, die so dunkelblau war, dass es faszinierender als angsteinflössend war.
Ich kletterte heraus und schob die Terrassentür raus. Der kühle Meereswind strömte mir entgegen und wehte mir einige Strähnen ins Gesicht, die mir rasch hinters Ohr klemmte. Das Holz knarrte etwas unter meinen Füßen und mit der angeregten Fantasie durch den Film von gerade fühlte ich mich etwas wie ein Pirat auf einer Schatzsuche. Zwar fehlte der Schatz und die Augenklappe, aber immerhin hatte ich ein Boot.
Ich trat an die Reling und umfasste sie mit meinen Fingern. Das Metall war nun eisig kalt im Gegensatz zum heutigen Nachmittag, aber es störte mich nicht wirklich, da der atemberaubende Ausblick die Kälte unwichtig erscheinen ließ. Ich vernahm das Knarren und Knarzen, welches ich selbst verursacht hatte und drehte mich um. Zwei Silhouetten von deutlichen Größenunterschied kamen auf mich zu. Ich musste nicht überlegen, wer das wohl war.
Sie stellten sich an meine Seiten, während ich den Kopf in den Nacken legte und die Sterne anhimmelte, die über mir funkelte. Ich suchte den Mond und fand ihn hinter mir in seiner runden Pracht.
„Bist du so ein ich-starre-stundenlang-den-Himmel-an Mensch?", wunderte sich Mats und zerstörte damit die wundervolle Stille, aber ich wollte es ihm gerade nicht übel nehmen. Stattdessen nickte ich einfach und lehnte mich zurück, hielt mich mit dem Händen immer noch am Geländer.
„Stundenlang?", hakte Marcel nach und ich nickte wieder.
„Gott", lachte Mats: „Du bist wirklich so ein unfassbarer Träumer. Kuba hat Recht, wenn er dich so nennt"
„Alle nennen mich Träumer, obwohl ich der einzige bin, der nicht schläft!", wisperte ich, denn meiner Meinung nach hatte Kuba unrecht, wenn er mich Träumer nannte, was mittlerweile Mlody als unseren universellen Spitznamen für uns beide ersetzt hatte. Ich fand nicht, dass ich ein Träumer war, sondern eher ein Passagier meiner Fantasie. Ich schlief nicht, sondern war mit meinen Gedanken immer in meiner Fantasie - Menschen sollten lernen darin einen Unterschied zu sehen.
„Gut, dann halt nicht Träumer, sondern nachdenklich", korrigierte sich Mats.
Schon besser, auch wenn es nicht perfekt war, denn ehrlich gesagt waren Momente wie diese die wenigen Momente in denen ich mir den Kopf über kaum etwas zerbrach. Naja, aber vielleicht war Nachdenken nicht immer gleich Kopf zerbrechen.
„Ich habe es nie verstanden, was man an dem ganzen Himmel finden kann", gab Mats zu.
„Ich auch nicht, guck mich nicht so fordernd an. Piszczu ist der Romantiker", wies ihn Marcel direkt zurück. Ich klinkte mich aus ihrem Gespräch über die Sinnlosigkeit des Sterne beobachten aus und genoss mein zweites Hobby.
„Sag mal ehrlich, was findet man daran. Siehst du etwas, was ich nicht sehe oder was ist so besonders an Sternen oder bist du fasziniert vom Mond?", wollte Mats dann wissen. Ich zog mich wieder zwischen sie. Mittlerweile hatten sich meine Augen bestmöglich an die Finsternis gewöhnt, sodass ich mehr als nur die Silhouette von Mats sah.
„Alles", antwortete ich: „Mond, Sterne und Dunkelheit"
„Warum? Ich meine, Dunkelheit hört sich doch..."
„Sehr düster an!", beendete Marcel Mats Satz.
Kleinkariertes Denken
Ich konnte mir ein Augenrollen nicht verkneifen.
„Meine Oma hat mir als Kind immer gesagt, dass man Nächte braucht, um Sterne zu sehen?"
„Da hatte sie ja eine krasse Erkenntnis!", brummte Mats gelangweilt. Ich stöhnte: „Nein, nicht wortwörtlich, du Idiot. Metaphorisch. Es bedeutet, dass man erst in den schlimmsten Zeit erfährt, wer wirklich an deiner Seite bleibt und in deiner dunklen Zeit leuchtet, wie die Sterne!"
„Und wie erklärt sie dann, dass die Sterne auch irgendwann untergehen?"
„Sterne gehen niemals unter! Nur weil bei dir die Sonne aufgeht, heißt es nicht, dass keine Nacht mehr existiert. Die Nacht existiert dann einfach woanders!"
Unbeeindruckt wandte Mats seinen Blick ab und ich war etwas enttäuscht, dass ich ihn nicht für die Theorien meiner Oma hatte begeistern können, die meiner Ansicht nach eine sehr weise Frau war, aber vielleicht war es auch nur der kindliche Teil meines Charakters, der glauben wollte, dass jede Dunkelheit auch eine Hoffnung hatte und, dass nach jeder Nacht auch irgendwann einmal die Sonne aufging. Ich wusste es nicht, aber manchmal war dieser kindliche Glaube das einzige, das mich am Leben hielt, wenn die Nacht zu dunkel war, um selbst die Sterne zu sehen.
„Außerdem helfen sie gegen Heimweh!", fügte ich hinzu: „Wenn ich wen vermisse, dann erinnere ich mich, dass wir unter dem selben Himmel, den selben Sternen liegen und dann fühle ich mich weniger einsam"
„Hast du dich jemals einsam gefühlt?", fragte Marcel mit sanfter Stimme.
Manchmal
Ich schwieg, aber wusste, dass das Schweigen Antwort genug war.
Manchmal fühlt sich Single sein mit 35 in einem anderen Land einsam an
Marcels Hand streifte meine und das Kribbeln von vorhin setzte sich wieder in mir fest. Ich wusste nicht, ob Marcel und Mats sich über mich hinweg irgendwie absprachen, dass letzterer gerade jetzt seinen Arm um meine Schultern legte, aber auf einmal hatte Marcel seine Hand auf meinen Unterarm und Mats seinen Arm um meine Schultern gelegt.
Zugegeben es war wieder ziemlich komisch, aber irgendwie ein angenehmes komisch. Das komisch, was du so oft fühlen möchtest, bis das komisch zu normal wird oder zumindest zu gewohnt.

———
Ich hoffe euch gefällt das Kapitel. Wer guckt heute das CL Finale beziehungsweise Kölns Relegation oder wie ich einfach beides haha 😂
Ich bin ja für a) KÖLLE und b) City. I'm sorry Kai, but I love John more 🥺 außerdem spielt city so geilen Fußball diese Saison, dass ich es irgendwie „unfair" fände, wenn man sie nicht mit dem CL Titel belohnt so yeah
Just meine Meinung
❤️

HERE'S YOU'RE PERFECT | hummels x piszczek x schmelzer ✔︎Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt