| 19 | our stupid, little moments |

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Kapitel 19

Der Tag war schwerer, als manch anderer, aber ich würde lügen, würde ich behaupten, dass ich damit nicht gerechnet hatte. Wenn die Nacht schon schwer war, war der Tag danach selten, eigentlich nie, einfach. Die Gedanken lasteten auf meinen Schultern, wie schwere Sandsäcke und ich knickte immer wieder unter ihnen ein, wenn ich in schweigen versank. Mats und Marcel schienen die Unstimmigkeiten am heutigen Tag durchaus zu bemerken, denn sie ließen mich kaum alleine. Als Mats sich, das zweite mal nun schon, mit der Hafenbesatzung damit auseinandersetzte, damit wir los konnten und später die Yacht vom Hafen wieder zurück Richtung Kurs Meer rotierte, war es Marcel, der die ganze Zeit bei mir umherschwirrte und als Marcel später etwas aufräumte, war Mats die ganze Zeit bei mir. Ich versuchte meine trübe Stimmung mit sinnlosen Lachen zu überspielen, aber ich war mir recht sicher, dass es mir misslang.
„Ich hab Bock auf Kuchen. Fuck, ich hätte mir Kuchen holen sollen", grummelte Mats, als wir auf dem Meer schipperten und ich gerade das Geschirr vom Mittag abwischte. Ich warf einen fragenden Blick über meine Schulter.
„Du hast gerade Mittag gegessen. Wie kannst du jetzt schon ans nächste Essen denken?", fragte Marcel fassungslos.
„Kuchen ist kein Essen, es ist eine Köstlichkeit! Ich bitte dich, daran darf man immer denken!", korrigierte ihn Mats sofort und stützte sein Kinn dann auf seine Hand, blickte nachdenklich voran und dachte vermutlich an Käsekuchen oder irgendeine Torte. Wenn ich meiner Fantasie nur etwas mehr freien Lauf lassen würde, würde ich vermutlich auch seine Pupillen sehen, die sich zu Herzchen formten.
„Du könntest weniger an Essen denken und stattdessen dich darum kümmern, wie man Essen macht. Vielleicht kann Lu ja Kuchen backen!"
„Kann ich nicht!", stellte ich direkt klar, da Backen keine meiner Fähigkeiten war. Zumindest hatte ich es Ewigkeiten nicht mehr getan. Zu Kindertagen hatte ich immer mit meiner Oma gebacken, aber das lag mittlerweile auch schon mehr als zwanzig Jahre zurück und ich würde meine Hände nicht ins Feuer dafür legen, dass ich die Zahlen für den Ofen wirklich noch richtig im Kopf hatte, geschweige denn von den nötigen Zutaten.
„Ist backen nicht super leicht?", wunderte sich Marcel. Sofort schüttelte ich entschieden meinen Kopf.
„Mit der Edeka Backmischung schon", fuhr er fort.
„Ist es so, wie du dich ernährst in Dortmund?", konnte ich mir den Kommentar nicht verkneifen, da sich langsam Marcels Alltag bei mir etwas lichtete, je länger wir zusammen auf der Yacht lebten.
„Was hast du denn gedacht? Dass ich eigentlich kochen kann nur zu faul bin es zu zeigen?"
„Ich weiß nicht. Ein Teil von mir hat es gehofft"
„Naja, also diese Hoffnung wurde wohl nicht von Gott erhört", murmelte Mats trocken.
„Halt die Klappe. Du lässt dich von ihm auch in Dortmund bekochen!", brummte Marcel selbstverteidigend und wollte Mats auf den Hinterkopf schlagen, als dieser seine Handgelenke ergriff und ihn stattdessen auf dem Sofa zurückdrückte, sodass Marcel laut un Hilfe schrie. Ich beobachtete seine Rangelei mit einem breiten Lächeln auf den Lippen und ließ mich von ihren Schreien in eine andere Welt bringen.

***

„So kann man auch für immer leben.", stellte Marcel fest und sah in den klaren blauen Himmel, der sich über uns erstreckte.
„Auf einem Boot?", wunderte ich mich mit heiser Stimme und neigte meinen Kopf etwas zur Seite, sodass er gegen den Haarschopf von Marcel stieß. Heute hatten wir und gegen die Liegen entschieden und uns stattdessen zu dritt auf dem Parkett ausgebreitet. Begründen konnte es niemand so recht, aber es war eine willkommene Abwechslung zu den Liegen, die schon alle Dellen von uns hatten.
„Warum nicht? Ich würd's machen", stimmte Mats Marcel zu: „Sachen packen, reinspringen und losschippern. Irgendwo, egal wohin und überall bleibt man nur so lange, wie man möchte. Man nimmt seine wichtigsten Sachen mit und den Rest der Welt hat man immer nur so lange um sich, wie man will und wenn man die Schnauze voll hat, dann fährt man weiter. Eigentlich ein genialer Lebensstil"
„Wusste gar nicht, dass du sowas unverbindliches magst!", stellte ich fest und legte meinen Kopf etwas in den Nacken und Mats bestmöglich zu sehen.
„Warum Unverbindlich? Hat ja niemand gesagt, dass man das alleine machen muss. Man nimmt seine Wichtigsten und das Beste mit", korrigierte Marcel. Unwillkürlich stieg eine Frage in mir auf.
Bin ich einer der Wichtigsten oder der Besten?
Es wäre so schön einerseits und anderseits auch so angsteinflössend zugleich, weil das bedeuten würde, dass unser Plan eines Urlaubsflirts nicht aufgehen würde.
Ich spürte, wie sich Marcels Finger um meine Hand schlossen, diese umfassten und zärtlich drückten, was allerdings ausreichte, damit die Schmetterlinge in meinem Bauch aus ihrem Kokon schlüpften und einen Freudentanz veranstalteten. Dann traf mich auf einmal ein kalter Wassertropfen, den ich im ersten Moment als Regentropfen identifizieren konnte, bis ich ein fieses Lachen von Mats hörte.
„Ey!", beschwerte ich mich und setzte mich auf, nur um den Deutschen frech grinsen zu sehen, wie er mir der Wasserflasche spielte und nun etwas ihres Inhalts auf Marcels Stirn tröpfelte.
„Du Ar....", begann Marcel, wurde dann allerdings von einem größeren Wasserschauer unterbrochen.
„Du Engel meinst du wohl", korrigierte ihn Mats. Sofort stieß ihm Marcel gegen den Kopf, ließ dabei meine Hand los und versuchte die Wasserflasche von Mats zu ergreifen. Ich kam auf eine andere Idee und flitzte stattdessen in die Küche, um eine frische Flasche zu holen, die ich auf dem Weg öffnete und schließlich über Mats schüttete, womit ich ihn völlig unvorhergesehen traf. Das hatte zur Folge, dass er nun auf mich los ging und mich über das Deck der Yacht jagte, über das ich rannte und dabei immer wieder auf dem nassen Parkett ausrutschte und schließlich meine Rettung hinter Marcels Rücken fand. Ich nutzte ihn als menschliches Schutzschild, doch irgendwann im Laufe meines Versuches mich vor Mats zu retten, wechselte Marcel auf eine dreiste Weise einfach die Seiten. Ohne Vorwarnung drehte er sich um und warf mich über seine Schulter, transportierte mich bis an den Rand der Yacht, ignorierte meinen Protest und hörte stattdessen auf das Lob von Mats, dass es gut sei auf die dunkle Seite der Macht zu wechseln und dann warf er mich einfach ins Wasser. Einfach so. Ohne mit der Wimper zu Zucken. Ohne zu erklären, warum er auf einmal Mats den Rücken stärkte. Aber das ließ ich nicht einfach so auf mir sitzen.
Als ich aus dem relativ warmen Wasser wieder auftauchte, schenkte mir Gott einen Moment seiner Unaufmerksamkeit, den ich nutzte, indem ich seinen Knöchel packte und ihn ebenfalls ins Wasser riss. Er stürzte unter lautem Aufschrei neben mich, doch mein Plan war noch nicht vollendet. Ich sprang wieder auf die Yacht und rutschte zu Mats herüber, nutzte die rutschige Ebene einfach wie eine Schneefläche und meine Füßen mutierten zu Skin. Ich bekam Mats am Handgelenk zu greifen und begann mich mit ihm über die halbe Yacht zu rangeln, bis Marcel ein weiteres Mal die Seiten wechselte und wir Mats zu zweit auch ins Wasser bekam und mich Marcel dann selbst reinschubste und dann hinterher sprang.
„Du bist so ein untreues Etwas!", schrie ich sofort empört, als ich wieder auftauchte und funkelte Marcel böse an, der bloß stolz grinste, wie ein Honigkuchenpferd. Mats hustete neben uns, hatte scheinbar Wasser geschluckt, was ihn allerdings nicht davon abhielt trotzdem zu Marcel zu schwimmen und ihn unter die Wasseroberfläche zu drücken. Wir lieferten uns noch eine Wasserschlacht, benahmen uns wie kleine Kinder und vergaßen wieder einmal unser biologisches Alter. Aber nicht nur das. Ich vergaß auch meine Gedanken. Endlich. Mats und Marcel waren wir die Medizin, die ich mein Leben lang gesucht, aber nie gefunden hatte. Etwas was ich niemals wusste, immer gebraucht hatte.
Sie stillten meine Gedanken, überdeckten meine Ängste und machten mich weniger zu dem, der ich nicht sein wollte und mehr zu dem Charakter, nach dem ich mich sehnte zu sein. Und sie taten das mit so einer Leichtigkeit, dass es mir nicht einmal auffiel. Vielleicht war es auch eine Hinterlistigkeit, denn was würde ich tun, wenn ich nach diesem Urlaub alleine, einsam mit mir und meinen Gedanken in Polen hockte und die beiden nicht mehr um mich hatte? Was würde ich ohne meine Medizin tun?
Mats und Marcel waren wir eine Droge mit dem größten Suchtpotential und ich war auf dem besten Weg abgängig zu werden, wenn ich es nicht sogar schon war. Und was ist, wenn man mich von ihr absetzte? Wie sollte ich dann weiterleben? Wie sollte ich nach diesem Urlaub jemals weiterleben?
All das waren Fragen, die ich noch beantworten müsste, aber für heute rutschten sie in den Hintergrund, weil Ängste in der Umgebung von Mats und Marcel keinen Platz hatten, vor allem nicht, wenn die Stimmung von so vielen Witzen, so viel Lachen und so vielen irrsinnigen Diskussionen gefüllt war, wie heute.
Unsere kleinen, unbedeutenden und dummen Momente retteten mir mein Leben und ich wusste, dass die Erinnerung an diese Momente auch meine Zukunft retten würde.

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A day later, Weil ich stupid war und gedacht hab hier kommt Sonntag ein Kapitel und Samstag ist meine andere Story dran.
Nevermind, here it is und ich hoffe es gefällt euch.
Lasst mir gerne Feedback da
❤️
Btw, an alle die das Trio mögen. Ich plane eine boyxgirl Triologie über die Drei hochzuladen, wenn die kommende Saison beginnt. Es ist dann zwar boyxgirl aber vielleicht finden sich ein paar Interessenten, denn deren Freundschaft spielt dabei eine große Rolle ☺️

HERE'S YOU'RE PERFECT | hummels x piszczek x schmelzer ✔︎Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt