| 22 | the last dance |

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Kapitel 22

Das beste daraus zu machen wirkte wie der schwarze Humor von Ironie, der mir vor einigen Tagen rausgerutscht war, denn das beste aus einer Sache zu machen von der man wusste, dass sie bald zu Ende sein würde war schwer, schlicht und ergreifend unmöglich. Oder vielleicht war es möglich. Mats, Marcel und ich waren dazu einfach nicht im Stande.
Ich hasste es. Ich hasste es so sehr und noch mehr hasste ich, dass die Tage einfach so ins Land gezogen waren und wir nun auf einmal wieder die Küste im Visier hatten, das sichere Ende im Blick.
Ich starrte vor mich hin, auf die näher kommenden Umrisse von Häusern, die ich mehr und mehr detailtreuer sehen konnte, was mir die Luft abschnürte, denn je näher wir den Häusern kamen, desto näher kamen wir dem Ende. Nur zögerlich wagte ich es immer wieder nach rechts zu Schielen, wo Mats neben mir stand und aufmerksam die Yacht lenkte. Marcel hatte sich seit dem Frühstück nicht mehr blicken lassen, schon da die sowieso schon trübe Stimmung um einige Ebenen heruntergeschraubt. Ein Teil, ein sehr großer sogar, wollte meine Worte zurücknehmen und doch auf Mats verrückte Idee zurückzukommen uns noch eine Chance zu geben, aber der rationale Part meines Gehirns ergriff so langsam die Macht zurück, rüttelte mich wach, dass es so etwas wie eine Chance für uns gar nicht gab.
„Ich kann jetzt umdrehen", meinte Mats auf einmal, sah zu mir und ich erwiderte seinen Blick. Die Trauer in seinen Augen schmerzte mich noch immer, wundern tat sie mich hingegen nicht mehr.
„Im Ernst, ich kann jetzt einfach nach links oder rechts umschwenken eine Kurve machen und wir steuern Richtung Meer hinaus, keine Ahnung wohin, Richtung Nirgendwo!", fuhr er fort.
„Mats...", seufzte ich leise, auch wenn ich nicht leugnen konnte, dass die Idee mir auch die ganze Zeit im Kopf herumschwirrte. Mats öffnete seinen Mund, ich blickte ihn aufmerksam an und hörte mein Herz leise flehen, dass er jetzt doch bitte ein Argument heranführen sollte, was auch meinen rationalen Part überzeugte. Aber stattdessen schloss Mats seine Lippen und in dem Moment in dem sein Mund wieder eine einheitliche, dünne Linie bildete, spürte ich ein Stechen in meiner Brust, ein Ziehen und dann einen höllischen Schmerz, als wäre mein Herz in diesem Moment wirklich zerbrochen. Ich wandte meinen Blick ab und kniff meine Augen zusammen.
Wenn ich stark genug gewesen war auf unser kleines Abenteuer einzugehen, obwohl ich solch eine Heiden Angst gehabt hatte, war ich auch stark genug unser kleines Abenteuer wieder loszulassen.
„Wann geht unser Flug?", wollte ich wissen, kühl, distanziert, verschlossen, so viel von der Person, die ich in den Augen vieler Menschen war, die ich oft war, oft, nur nicht in diesem Urlaub. Ich merkte, wie der offene, lebensfrohe, glückliche Teil sich in mir auflöste, verblasste, zu dichtem Nebel wurde und ich ihn beim Ausatmen von mir trennte. Wie er davonflog und ich wieder der wurde, der ich nicht sein wollte und doch war. Mats und Marcel hatten in diesem Urlaub Gefühle von mir zum Vorschein gebracht von denen ich nicht erwartet hatte, dass ich in der Lage war sie zu fühlen. Sie hatten mich zu einem aufgeschlossenen Menschen gemacht, neue Eigenschaften an mir herausgehoben, aber ich hatte nicht das Gefühl, als hätten sie mich verändert. Vielleicht würde ich ja einen Teil davon mitnehmen können, wenn ich ein neues Kapitel aufschlug.
Oder auch nicht.
Konnte ich ohne Mats und Marcel überhaupt diese Person sein? Aufgeschlossen, glücklich?
Oder viel mehr, wollte ich diese Person überhaupt ohne Mats und Marcel sein?
Wollte ich in der Gegenwart jemand anderen aufgeschlossen sein?
Wollte ich, dass mich jemand anderer so glücklich machte?
Wollte ich, dass jemand anderer mein Herz zum Rasen brachte?
Verdammt, die beiden hatten sich auch wirklich in mein Herz verkrallt.
„Um sieben", antwortete Mats mir verzögert und sah mich diesmal nicht einmal mehr an.
„Okay", hauchte ich deswegen kleinlaut und schob meine Hände in die großen Taschen meiner Badeshorts. Einige Sekunden lang wippte ich auf meinen Fußballen, bevor ich mich entschloss, dass ich nicht länger ins Mats Gegenwart sein konnte.
„ich geh packen", behauptete ich deswegen und drehte mich um. Mit Beinen, die sich selten so schwer angefühlt hatten, schleppte ich mich mühsam hinunter zu den Zimmern und vernahm sofort das laute Rascheln aus Marcels Zimmer. Als ich daran vorbeiging, bemerkte ich, dass die Tür einen Spalt weit geöffnet war und ließ es mir nicht nehmen hinein zu spicken. Als ich allerdings nichts weiter als das kleine Nachtschränkchen sah, entschied ich mich noch ein weniger weiter zu gehen. Vorsichtig schob ich mit meiner Hand die Tür etwas weiter kaum, nur um einige Zentimeter, bis ich Marcels Rücken bemerkte, der sich hektisch bewegte, während er etwas Unverständliches vor sich hin, aber ich musste seine Worte nicht verstehen, um seine Emotionen aus dem Unterton zu filtern. Die ganze Zeit wühlte er in seiner Tasche herum, schmiss immer wieder Kleinigkeiten aus dem Bett, bevor er auf einmal laut brülle: „Verdammte scheiße"
Er schrie so laut, dass ich vor Schreck Zusammenfuhr und mir an die Brust fasste, während Marcel anfing mit der flachen Hand auf die Matratze zu schlagen, die vor Leid unter seinen Schlägen quietschte.
„Scheiße, scheiße, scheiße...", schrie er vor sich hin, immer wieder durchbrach sein Schluchzen die wütenden Rufe. Ich packte die Türklinke und wollte die Tür weiter aufschieben, um ihn zu beruhigen, weil es sich einfach richtig anfühlte dies zu tun, als mich etwas Zurückhielt, als ich mich Zurückhielt. Ich erinnerte mich, dass ich ihn in diesen Zustand gebracht hatte, dass ich Schuld war, dass Mats, Marcel und ich keine Zeit mit einander verbringen konnte, ohne in Schmerz zu versinken, dass ich derjenige war, der unser Ende besiegelte und auf einmal schien es mir nicht mehr das Richtige zu Marcel zu treten und ihn zu beruhigen. Was sollte ich ihm denn sagen? Ich hatte nichts zu sagen. Zumindest nichts, was die Situation verbessern würde.
Mein Griff um die Klinke lockerte sich, bis meine Hand von ihr fiel und ich von der Tür zurückwich. Einige Sekunden lang blickte ich auf das brauen Holz der Tür, vernahm das weitere Fluchen von Marcel, dass immer weinerlicher wurde und mir wehtat. Hätte ich am Anfang gewusst, was für Schmerzen unser Urlaubsflirt verursachen würde, hätte ich mich dennoch für ihn entschieden?
Ich zog meinen Kopf zwischen meine Schultern und bog dann in mein Zimmer, schloss die Tür hinter mir und blickte auf meinen aufgeschlagenen Koffer, den ich noch immer mit meinen Sachen füllen musste, was ich bislang verdrängt hatte. Ein kleiner Teil von mir hatte gehofft, dass wir die schlechte Laune und den Schmerz für heute beiseite schieben könnten und den letzten Tag genießen würden und um den Moment nicht zu verpassen, hatte ich mich bislang die ganze Zeit oben aufgehalten, aber mittlerweile war mir klar, dass mein Wunsch nicht erfüllt werden würde.
Niedergeschlagen begann ich also meine Sachen zusammenzupacken, faltete T-Shirts ordentlich und andere warf ich einfach rein, mit Gedanken die ganze Zeit bei Marcel und Mats. Als ich gerade meine Jeans in den Koffer warf, hatte ich auf einmal das Gefühl als würden sich zwei Arme um mich legen und mir stieg Marcels Parfüm in die Nase. Ich hielt in meiner Bewegung inne und fasste mir an den Bauch, wo ich Marcels Arme vermutete, nur um festzustellen, dass das alles meiner Fantasie entsprach, die vor lauter Trauer wohl schon Wahnvorstellungen projizierte. Ich schloss dennoch meine Augen und nahm das Gefühl in mir auf, auch wenn es nicht die Realität war. Das Gefühl war echt und wenn ich dieses Gefühl behalten dürfte, wenn ich das Gefühl von Mats und Marcel aus diesem Urlaub mitnehmen dürfte, dann wusste ich, dass der Urlaub es allemal Wert gewesen war. Alleine wegen diesem Gefühl, weil dieses Gefühl meine Zukunft besser machen würde, für immer.

———
FINALLY
ich bin stolz auf mich haha, dass endlich mal ein neues Kapitel fertig geworden ist. Für mich beginnen heute die Ferien und was gib's besseres, als sich der verdrängten Story zu widmen? NICHTS
also joa, genießt das Kapitel (bzw ich hoffe ihr habt es schon genossen)
Lasst mir gerne Feedback da
❤️

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