| 14 | moon's lighting up our skin |

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Kapitel 14

„Alter Mats, Mats, aus, hör auf... ich... hör....", protestierte ich laut schreiend, während Mats mich im Schwitzkasten hielt, mit solch einem Druck um meinen Hals, dass ich die ganze Zeit nach Luft schnappen musste, was meine Beschwerden doch recht harmlos wirken ließ. Wir torkelten über den Sand, der mittlerweile schon von der frischen Abendluft abgekühlt und angenehm kalt war, anstelle unter den Füßen zu brennen. Ich warf meinen linken Arm um Mats Körper, um ihn als Stütze vor dem sicheren Fall zu nutzen, bedachte dabei allerdings nicht, dass er mindestens zwei Mal so viele Gläser Wein getrunken hatte und dementsprechend wackelig auf den Beinen war. Das hatte zur Folge, dass wir beide den Halt verloren, in alle möglichen Richtungen stolperten, links, rechts, vorne, hinten, bis unsere Oberkörper schließlich der Schwerkraft zum Opfer fielen und wir dann doch ziemlich unsanft zu Boden gingen.
„Aua", jammerte Mats, aber nicht einmal sein Jammern hörte sich wirklich lebendig an. Stattdessen war es ein müdes und lebloses aussprechen von Worten, um wiederzugeben, was man fühlte. Ich antworte nicht, sondern versuchte mit meiner sich drehenden Umwelt klarzukommen. Meer, Strand und die Silhouetten der Stadt vermischten sich, es waren viel zu viele Eindrücke, die ich verdauen musste.
„Schieb deinen Arsch von mir runter", grunzte ich, als ich Mats Gewicht auf mir spürte, das noch tiefer in den Sand drückte. Mats rollte sich kommentarlos von mir herunter auf den Rücken und stöhnte erst einmal auf, als hätte er einen halben Marathon hinter sich. Ich blickte um mich herum, blinzelte so oft, bis ich nicht einen Haufen zusammenhangloser Farben sah, sondern tatsächlich Gegenstände und in weiter Ferne auch Marcel, der sich schon vor einigen Minuten geistig verabschiedet hatte, mit dem bloßen Kommentar, dass ihm der Alkohol zu Kopf gestiegen war. Seither lag er auf dem Rücken und starrte ich den klaren Himmel.
„Denkst du er lebt noch?", wunderte sich Mats und stützte sich auf seine Unterarme, worauf ich eifersüchtig war, dass er dazu noch in der Lage war und nicht wie so ein lebloser Toast auf dem Boden liegen musste, wie ich. Es war eigentlich schon peinlich, dass wir uns mit über dreißig wie Teenager benahmen, die endlich einen Kiosk gefunden hatten, der an Minderjährige verkaufte.
„Lebst du noch?", stupste mich Mats an und ich brummte ein genervtes Ja.
„Man wird ja wohl noch fragen dürfen!", meinte Mats zickig und plumpste wieder auf den Boden neben mir. Für die darauffolgenden Sekunden und Minuten trat Stille ein, die meine Gedanken wieder einmal perfekt füllten, nur dass sie diesmal weitaus komischer und weit weniger Selbstzweifelnd waren, was mal eine schöne Abwechslung zu eigentlich immer war. Manchmal wunderte es mich, dass ich noch nicht zum Alkoholiker mutiert war, wo Alkohol eine solch friedvolle Auswirkung auf mich hatte, aber vermutlich war ich einfach zu klar im Kopf, um jemals wirklich einer Wodka Flasche zu verfallen.
Ich erlaubte es meinen Gedanken sich um Fragen zu drehen, die ich eigentlich verbot zu denken und verlor mich in einem Gefühl der Sorg- und Schwerelosigkeit.
„Wie küssen sich Dreierbeziehungen?", hörte ich Mats auf einmal überlegen. Ich klappte meine Augenlider auf und wurde vom Himmel gegrüßt, denn scheinbar hatte ich mich auf den Rücken gedreht.
„Ich weiß es nicht", murmelte ich: „Küssen sie sich nicht alle zu dritt?"
Ich zog irritiert meine Augenbrauen zusammen und wandte meinen Kopf Mats zu. Dieser zuckte lediglich unschuldig mit den Achseln.
„Ich hab da mal so Bilder gesehen"
Zu dritt küssen? Ich hatte doch sehr komische Bilder im Kopf, die eher widerlich, als romantisch oder anziehend waren. Ich schüttelte mich von diesen Gedanken los und drehte meinen Kopf wieder dem Himmel zu.
„Man muss über solche Sachen reden", ließ mich Mats wissen.
„Man muss nicht alles im Detail besprechen!", widersprach ich ihm zumindest teilweise.
„Aber ansatzweise wäre schon gut. Ich meine, keine Ahnung wie weit wir gehen wollen und du hattest schon mal was mit Typen, Schmelle und ich aber noch nie und das ist völliges Neuland. Ein bisschen Gesprächsstoff gib's da schon"
Ich lachte rau auf.
„Ob du's glaubst oder nicht, für mich ist das auch Neuland!"
„Aber weniger, als für uns!"
Ich kreuzte Mats Blick und sah ihn nachdenklich an, während ich meine Unterlippe zwischen meine Zähne sog.
„Ist es anders einen Mann zu küssen?"
Probier es aus, dachte ich mir, doch mein Körper hatte den Alkohol viel zu schnell abgebaut und langsam richteten sich wieder die Mauern der Angst auf, sodass ich diesen Satz für mich behielt.
„Ja"
„Besser?"
„Je nachdem, wen man küsst"
„Also hattest du Männer, die schlechter geküsst haben, als Frauen?!"
„Ich hatte auch Frauen, die schlechter geküsst haben, als Männer"
„Ich möchte dich küssen, also nicht nur dich, auch Marcel. Ob einzeln, ob zusammen, keine Ahnung. Ich will wissen, wie es sich anfühlt!"
Dann tu's
„Was ist, wenn wir uns jetzt küssen?", auffordernd und neugierig bohrten sich seine Blicke in mein Gesicht.
„Wir sind drei, nicht zwei!", wiederholte ich seine Worte vom Mittag, was allerdings lediglich dazu führte, dass Mats seinen Kopf in Richtung von Marcel wandte, der sich bisweilen noch immer kein bisschen bewegt hatte. Dann stützte er sich mit wackeligen Armen auf genauso wackelige Beine. Ich blickte von unten zu ihm hoch, bis er mir seinen Arm ausstreckte, welchen ich dankend annahm. Er zog mich hoch und ich wunderte mich, ob Gott es nicht wirklich herausforderte, dass zwischen uns etwas geschah, als ich vorne über stolperte und dadurch ziemlich nah vor Mats landete, dass sich unsere Nasenspitzen fast berührten. Eigentlich wollte ich direkt wieder Abstand zwischen uns bringen, aber Mats Hand schob sich von meiner Handinnenfläche um mein Handgelenk und hielt mich ziemlich bestimmt vor sich. Es gäbe so viel, was man jetzt sagen könnte. Ich hatte so viel zu sagen: dass ich dabei war mich gerade Hals über Kopf in die beide zu verlieben, dass ich daran zweifelte, dass ich nach dem Urlaub damit abschließen könnte, dass ich nicht einmal wusste, ob ich nach dem Urlaub damit einfach wirklich abschließen wollte, aber ich sagte nichts, weil ich den Moment nicht ruinieren wollte. Stattdessen genoss ich den angenehmen Duft von Mats Aftershave, dass sich wohl an ihm festgekettet hatte, wie eine Klette, denn anders konnte ich es nicht begründen, dass es nach so vielen Stunden noch immer so intensiv roch. Und ich wusste, dass mich dieser Geruch immer an Mats erinnern würde, wie mich Weißwein immer an Marcel erinnern würde und dann wunderte mich, was sie wohl an mich erinnern würde. Ob ich irgendwelche Spuren in ihrem Leben hinterlassen hatte? Ob sie bei Chardonnay wohl an mich denken würden?
Mats lehnte sich vor und ein kleiner Teil von mir hoffte, dass er mich küsste, auch wenn ich mich gerade noch dagegen ausgesprochen hatte. Momentan regierten zwei Teile meinen Körper und in jeder Sekunde hatte ein anderer die Oberhand. Aber Mats küsste mich nicht, stattdessen lehnte er nur seine Stirn gegen meine und auch wenn es bei weitem nicht mit einem Kuss gleichzusetzen war, so genoss ich den Moment, der doch intimer war, als man denken würde. Manchmal waren es die kleinen Dinge, die schöne Momente auszeichneten. Wie das Plätschern des Wassers, der scheinende Mond, die glitzernde Sterne.
Ich sog den Moment ein, verpackte ihn und ordnete ihn ins Regal mit den unzähligen anderen Erinnerungen mit Mats und Marcel. Mats atmete tief ein und wieder aus, aber gedanklich war es, als hätten wir uns geeinigt, dass wir heute Nacht einen Schritt weiter gehen würden. Mats Hand rutschte wieder in meine Handinnenfläche und verkreuzte unsere Finger, was ein angenehmes Kribbeln in meinen Fingern auslöste, dass meinen Arm hochkroch. Ich dachte, dass der Moment damit beendet sei, aber in dem Moment spürte ich auf einmal seine Lippen, die sich doch tatsächlich auf meine legten.
„Wir küssen Marcel auch noch, aber die ersten Küsse sind in Liebesromanen immer situativ oder etwa nicht?", hauchte Mats, bevor er endgültig seine Lippen auf meinen platzierte. In der ersten Sekunde dachte ich noch an seine Worte und kam zu dem Entschluss, dass er recht hatte. Wenn ich kein Drehbuch für unsere kleine Liebesgeschichte schreiben wollte, dann konnte der Kuss nur situativ passieren, es sei denn, wir würden uns auf eine sehr komische Art im Dreieck hinsetzten und wie Kindergartenkinder die Flasche drehen, ganz nach dem Prinzip, auf den die Flasche zeigt, der muss den anderen küssen. Und da wir mit über dreißig definitiv aus diesem Alter raus waren, war mir ein situativer Kuss weit lieber und ich wusste, dass der Moment an dem jemand von uns Marcel küssen würde, auch bald kommen würde, weil wir beide gerade die erste Hürde gemeistert hatten, endlich die Schüchternheit überbrückt hatten.
Das alles ging mir durch den Kopf, bevor ich Mats Zunge an meiner Unterlippe spürte und wieder in die Realität zurückgeholt wurde, dass meine Gedanken mir fast einen der wohl besten Momente meines Lebens versaut hätten, denn das war das, was gerade geschah, das war, wie Mats Kuss sich anfühlte: wie einer der besten Momente meines Lebens und ich wusste nicht, wie ein Kuss mit Marcel dem jemals gleichkommen könnte, aber irgendwie war ich mir sicher, dass er es können wird.

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Da habt ihr euren ersten Kuss. Honestly, ich hab echt lange dran gewerkelt, wie man den am besten gestaltet und ich weiß nicht, ob ich die richtige Entscheidung getroffen habe, dass ich die Küsse „unterteile" aber die anderen Momente, die ich geschrieben habe, waren sehr cringig und da ist das noch das beste.
Ich hoffe euch gefällt das Kapitel natürlich trotzdem, schreibt mir gerne, wie ihr euch den ersten Kuss gewünscht hättet, vielleicht lasse ich mich da ja für einen OS inspirieren 😂
Jetzt gucke ich aber erst mal England Ukraine
❤️

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