| 01 | vitamin sea |

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KAPITEL 1

„Schieb deinen Arsch zur Seite, ich versuche Sonnenstrahlen einzufangen!", wurde ich ziemlich unhöflich angepöbelt, auch wenn der Unterton darauf schließen ließ, dass es ein Witz seitens Mats war. Ich warf einen empörten Blick über meine Schulter und ließ es mir kurz darauf nicht nehmen, mich provokant noch direkter in die Sonnenstrahlen zu stellen.
„Junge!", beschwerte sich Mats, wobei allerdings seine Mundwinkel schon jetzt nach oben zuckten, was meine vorherige Annahme nur bestätigte. Es war ein Witz.
„Du hast drei Wochen Zeit Sonnenstrahlen einzufangen! Du musst es nicht schon am ersten Abend darauf anlegen einen Sonnenbrand zu bekommen!", wies ich ihn darauf hin, dass er schon den gesamten Nachmittag auf dem Deck verbracht hatte und ich doch sehr daran zweifelte, dass er seine tägliche Portion Sonne nicht schon längst aufgenommen hatte.
„Naja, die drei Wochen verbringe ich mit dir und wenn du dein Verhalten nicht änderst, dann wird dein Arsch mir die nächsten drei Wochen noch die Sonne verdecken und dann komme ich als Bleiche Kuh zurück!"
„Was?", prustete ich bei letzter Aussage los: „Es gibt keine bleichen Kühe!"
„Woher weißt du das? Vielleicht hast du einfach noch keine gesehen!", widersprach mir Mats und wackelte dabei mit den Augenbrauen, als würde er wirklich versuchen mit einer Portion Charme seine Aussage logischer erscheinen zu lassen. Zu dumm, dass ich keine Frau, sondern ein erwachsener Mann war, der seine Hormone im Griff hatte und bei dem das Zwinkern und Augenbrauen wackeln keine Wirkung zeigte.
Das einzige, was er damit erreichte, war, dass ich mir daraus einen Spaß machte und ihn in seinen Bewegungen nachahmte.
„Geh jetzt zur Seite!", brummte er.
„Nö!", antwortete ich genauso trotzig und lehnte mich stattdessen gegen die Reling. Zugegeben die Sonne brannte mir in meinem Nacken, als würde mir jemand eine Kerze an den Haaransatz halten, aber ich würde jetzt nicht einfach aufgeben und Mats den Sieg gönnen. Es war wie eine unausgesprochene Regel zwischen Mats und mir, dass alles was wir taten ein kleiner Konkurrenzkampf war. Wobei man sagen musste, dass wir die Grenze zwischen Spaß und Ernsthaftigkeit durchaus kannten. Wir ärgerten uns, aber sobald es ernst wurde, war es auch ernst und die Neckereien wurden zur Seite geschoben.
Aber zwei Stunden von der Küste Spaniens entfernt, umgeben von klarem blauen Meer und beleuchtet von der strahlenden Sommersonne waren Probleme und das Wort ernst gerade weiter von uns entfernt, denn je.
Dieser Sommer sollte nichts mit Ernsthaftigkeit zu tun haben, sondern geprägt von Spaß sein, bevor jeder von uns sich in Europa verteilte. Ich wollte nicht sagen, bevor jeder seinen Weg ging, denn wir hatten uns hoch und heilig versprochen, dass wir Kontakt halten würden und ich war mir sicher, dass wir es auch würden. Die Wahrheit änderte es trotzdem nicht: wir würden uns nicht länger Tag ein Tag aus sehen und um diese Veränderung noch ein wenig hinauszuzögern, hatten wir uns for einen gemeinsamen Urlaub entschieden.
Ganz Coronakonform war unsere Entscheidung dann auch auf einen Yachturlaub gefallen, um die größten Menschenmengen zu meiden. Nicht, dass ich Corona bräuchte, um dies zu tun. Mittlerweile hatte wohl auch die letzte Seele auf diesem Planeten verstanden, dass ich den kleinen Freundeskreis im Gegensatz zur großen Menge präferierte.
Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als ich auf einmal einen dumpfen Aufprall auf meinem Gesicht spürte, sodass mein Kopf leicht nach hinten wich.
„Achtung, fang.... Achtung, scheisse das Kissen runtergefallen...", vernahm ich dann noch Mats verzweifeltes Schreien, dass schließlich mit nüchterner Stimme feststellte, dass das Kissen wohl runtergefallen war.
Bekommen von dem Urplötzlichen sah ich über die Reling und entdeckte eines der vielen kleine, beige Kissen, womit die Yacht dekoriert war, das nun auf der Wasseroberfläche schwamm und sich nach und nach mit Wasser aufsog.
„Hast du gerade ein Kissen nach mir geworfen?", stellte ich dann verblüfft fest und hob meinen Blick in Mats Richtung, der gerade zum Ende der Liege robbte und schließlich aufsprang.
„Ja, mit Worten warst du ja nicht wegzubekommen!", stellte er klar, worauf ich wieder beleidig pfiff.
„Dir ist schon klar, dass du da jetzt hinterher springen musst, nh?", fragte mich Mats. Er lehnte sich über die Reling und spickte auf das ruhige Gewässer. Kleine Wellen plätscherten an die Wand der mehr oder minder großen Yacht, die wir uns für diesen Urlaub gebucht hatten.
„Bist du bescheuert?", stellte ich eine Gegenfrage und beugte mich ebenfalls über das Geländer.
„Du hast das Kissen über Bord geworfen!"
„Ja, aber du warst der Grund dafür!"
„Hast du nicht gelernt, dass Gewalt keine Lösung ist?"
Beleidigt streckte stieß mich Mats mit dem Ellenbogen in die Rippen, was ich mit einem Keuchen kommentierte, da er meisterhaft darin war den einen Punkt in meinen Rippen zu treffen, der mir rasch jegliche Luft aus den Lungen sog.
„Was ist denn da so interessant?", mischte sich dann auch Marcel ins Gespräch ein, den ich zugegeben lange schon auf dem Deck vermisst hatte.
„Ah, auch mal wach?", hatte Mats scheinbar den gleichen Gedankengang wie ich. Marcel trat gerade über die Terrassentür, die den kleine Innenkabine von der Außenwelt abtrennte und wischte sich über das Gesicht, schob sich anschließend seine Haare zurück und schien mir doch wirklich noch ziemlich verschlafen. Er hatte sich vor einigen Stunden aufs Ohr gehauen, mit der Aussage, dass das Kofferschleppen vom Morgen an seinen Kräften gezerrt hätte. Ich hatte es mir nicht nehmen lassen ihn darauf hinzuweisen, dass wir die Koffer lediglich aus der ersten Etage unseres Hotels und zweihundert Meter bis zum Hafen hatten „schleppen" müssen, da wir schon das Wochenende in Barcelona verbracht hatten, aber Marcel beharrte darauf, dass es nicht das Alter war, dass sich bei ihm meldete, sondern dass die Morgenstunden anstrengend gewesen waren.
Da sollte mir noch jemand sagen, dass ich der älteste war, denn von den drein war ich heute mit Abstand der aktivste gewesen.
„Sag nichts!", warnte mich Marcel, der in den vergangenen Jahren gelernt hatte mich wie ein offenes Buch zu lesen, was mir das ein oder andere mal schon zum Verhängnis geworden war.
Auch das ein oder andere Mal zu viel, denn meiner Ansicht nach war es besser mit seinen Gedanken allein gelassen zu werden, wenn man anderen das Leben nicht unnötig schwer machen wollte. Zumindest war diese Aussage auf mich bezogen richtig. Meine Gedanken würde ich zum Wohle anderer nicht teilen. Das wäre viel zu kompliziert.
„Hatte ich nicht vor!", murmelte ich mit einem frechen Grinsen, dass dann wiederum mehr sagte, als tausend Worte.
„So, jetzt zeigt mal was da ist", forderte Marcel und drückte sich unsanft zwischen Mats und mich. Er sah hinunter und kurz darauf huschte der Schatten einer Enttäuschung über dieses.
„Oh Leute, ihr wisst schon, dass wir so etwas nachkaufen müssen!", beschwerte er sich.
„Ja, Mats wollte auch gerade runterspringen!"
„Hö?", rief Mats empört: „Du wolltest das!"
Er sah über Marcel hinweg und versuchte mich mit seinem Blick einzuschüchtern und vor zehn Jahren hätte das vielleicht noch geklappt, als ich so schüchtern war, dass ich alles getan hätte, um in ihrer Gegenwart bloß nicht negativ aufzufallen. Aber in mehr als 4.000 Tagen hatte dann auch ich die letzte Ebene meiner Schüchternheit abgelegt, also war da nichts mehr von wegen dass ich die Drecksarbeit freiwillig übernahm.
Natürlich sprach ich hier nur mit Bezug auf Mats und Marcel, denn abseits meines Freundeskreises hatte ich mich bis heute nicht wirklich dazu aufgerafft einen offenen Charakter herzugeben. Außerhalb meines Freundeskreises hatte ich noch immer schwitzige Hände, eine knallrote Birne und weiche Knie.
„Vielleicht kann man das irgendwie rausfischen?", überlegte Mats.
„Wieso, du brätst dich doch seit Stunden, wie ne Bratwurst. Ein bisschen Abkühlung im Meer wird dir gut tun", meinte ich.
„So viel Abkühlung...", begann Mats mit einem Lehrer-Unterton: „Schadet den Körper. Ein solcher Temperaturenwechsel kann schlimme Folgen haben, wie zum Beispiel einen Herzinfarkt. Deswegen ist dringend davon abzuraten"
„Ja gut, dann musst du wohl daran glauben", murmelte ich und stupste Marcel an.
„Warum ich?", grunzte er: „Ich bin von uns allen am wenigsten Schuld! Keine Chance, dass ich da reingehe!"
„Sollten wir uns im Sommerurlaub nicht eigentlich darum prügeln, wer ins Wasser darf und nicht wer muss? Irgendwie ist das eine verdrehte Welt, wenn niemand bei 35 Grad ins Wasser will", meinte Mats. Ich zuckte mit den Achseln, aber ja er hatte recht. Bislang benahmen wir uns nicht wirklich wie Urlauber im Sommer, sondern eher als wären wir von Herbsttemperaturen umgeben. Ich allen voran, der noch immer die Jeans vom Morgen trug, weil ich eine Frostbeule war und weil ich kurze Hosen nicht mochte, aus Gründen, die ich jetzt nicht teilte, weil meine Gedanken, wie eben erwähnt, nun einmal unfassbar kompliziert waren und weil sie totzuschweigen leichter war, als sie auch nur im Ansatz erklären zu wollen.
„Okay, scheiss auf das Kissen. Ich bezahl das, an so viel Geld mangelt es uns jetzt auch nicht!", winkte Mats ab und drückte sich von der Relingstange weg.
„Passt", stimmte ihm Marcel zu und auch ich gab mich damit geschlagen, auch wenn ich kein Freund davon war, dass wir etwas verschwendeten, nur weil wir genügend Geld hatten. Dann wiederum war ich ein noch geringerer Freund von der Idee jetzt über Bord zu gehen, um ins Wasser zu springen. Auch wenn es klar war und die Sonne aggressiv vom Himmel schien, irgendwie kitzelte mich die Vorstellung von Schwimmen nicht wirklich.
Ich hoffte inständig, dass sich das bei uns allen in den kommenden Tagen ändern würde, sonst waren wir dabei einen recht tristen Sommerurlaub zu haben.
„Ich hab nebenbei Essen gemacht!", rief ich etwas lauter, da ich nicht wusste, wohin sich Marcel und Mats verteilt hatten. Als ich mich umdrehte fand ich Mats wieder auf einer der drei aufgestellten Liegen und Marcel sah ich durch das Fenster in der Kabine.
„Ich weiß", rief er und winkte mit einem vollen Teller. Ich hatte jetzt nichts außergewöhnliches gekocht, eigentlich hatte ich nur Lachs in die Pfanne geworfen und Reis in den Topf geschüttet, aber ich vermutete, dass das für Marcel etwas äußerst außergewöhnliches sein musste, denn wenn man Mats und meinen Fantasie etwas glauben schenkte, dann ernährte sich Marcel, wenn er alleine war, nur von allen Fertigprodukten, die Rewe zur Verfügung stellte und vom Mittagessen beim BVB. Mats konnte zwar ebenfalls nicht kochen, aber lebte nur eine Straße von mir entfernt beziehungsweise hatte nur so weit entfernt gewohnt, was so viel bedeutete, wie, dass ich in den vergangenen Jahren seine Hauptversorgungsquelle gewesen war. Zumal er wenigstens in der Lage war sich eine Suppe zu kochen. Marcel wusste, nach eigenen Zitat aus dem Quiz Taxi, nicht einmal wie der Herd bei sich anging.
„Was gib's?", erkundige sich Mats. Nebenher schob er sich seine schwarze Sonnenbrille auf die Nase, die ihm zugegeben ausgesprochen gut stand und das sagte ich nicht, weil er bei der Auswahl auf mich und nicht auf Marcel gehört hatte. Okay, naja, zumindest nicht nur deswegen.
„Fisch", antwortete ich.
Unglücklich verzerrte der Deutsche sein Gesicht.
„Den hast du letzte Woche schon gemacht"
„Oh mein Gott", lachte ich: „Sind wir jetzt wirklich so weit, dass du dich darüber beschwerst, was ich zum Essen mache?"
Ich trat die paar Schritte zu ihm herüber und schnappte mir eines der übrig gebliebenen Kissen von der Liege daneben und schlug auf seinen Bauch.
„Aua!", jaulte er.
„Du solltest lieber mal Kochstunden bei mir nehmen, sonst endest du wie Marcel. Nächste Saison kann ich nicht mehr sein Privatkoch sein!"
Sobald die Worte über meine Lippen gekommen waren, verstummte Mats lachen mit einem Mal, sodass mir recht schnell bewusst wurde, dass ich irgendetwas falsches gesagt haben musste. Ich wusste zwar nicht war, aber irgendetwas sorgte dafür, dass Mats Gesichtszüge sich auf einmal verkrampften und er sich auf seine Unterarme stützte.
Er zog sich die Brille wieder aus und ich konnte ganz klar Züge des Schmerzes in seinen Augen erkennen, die dafür sorgten, dass sich mein Herz etwas zusammenzog.
„Okay Jungs!", er wandte sich auch Marcel zu, der sich gerade den Inhalt seines Tellers in den Mund schaufelte und das so schnell, als hätten wir mit einem ganzen Koffer voller Essen nicht genug für alle dabei.
„Mhm?", er hob seinen Kopf zu Mats.
„Lasst mal nicht über nächste Saison sprechen, okay? Ich hab keine Lust ständig daran erinnert zu werden, dass ich nächste Saison alleine in Dortmund bin!"
Marcel hielt inne sich eine neue Ladung in den Mund zu schaufeln und auch ich hörte auf das Kissen von einer Hand in die andere zu werfen.
„Du bist nicht alleine!", stellte Marcel klar: „Da sind noch 30 andere Spieler!"
„Und keiner davon ist einer von euch. Das bedeutet, dass ich alleine bin", widersprach ihm Mats und ich spürte, wie das Ziehen in meiner Brust sich immer bemerkbarer machte. Ich sah zu Marcel herüber, der mir einen vielsagenden Blick zuwarf.
Mats tat ihm genauso leid, wir mir.
„Du hast Marco", flüsterte ich.
„Marco ist auch nicht einer von euch"
„Ja, aber er ist....", begann ich, aber Mats schnitt mir rasch das Wort ab: „Er ist keiner von euch!"
Ich sog meine Unterlippe zwischen meine Zähne und sah hilflos zu Marcel, bemerkte, dass er mich voll schon länger hilflos anstarrte.
„Es wird mich nicht umbringen, wenn ihr nicht da seid, aber schön wird es auch nicht sein!"
„Es wird nicht so schlimm sein, wie du denkst!", stellte Marcel klar.
„Können wir bitte einfach nicht darüber sprechen?", bat uns Mats. Kurz sah ich ihn noch an und haderte mit mir, ob ich nicht eventuell doch noch irgendetwas sagen sollte, aber dann wiederum wollte ich Mats diesen Gefallen auch tun, also nickte ich, genauso wie Marcel.
„Danke", wisperte Mats und warf sich dann wieder auf die Liege.
„So und weil ihr jetzt Mitleid mit mir habt, ziehe ich meinen Nutzen daraus. Könnte mir bitte einer von euch etwas zu Essen bringen?"
„Du nutzt einfach mein gutes Herz aus!", brummte ich.
„Das ist mir durchaus klar", grinste Mats stolz und zog sich dann wieder die Sonnenbrille an.

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So mit den Kapitel beginnt dann auch die Story, wobei ich zwei Anmerkungen machen muss:
A) Es gibt keine EM
B) wie es in den Kapitel offensichtlich wird, gehe ich davon aus, das Schmelle Dortmund verlässt, auch wenn er erst einmal die Reha im Pott abschließt. Ich denke dass er persönlich weg möchte und irgendwie keine Ahnung, möchte ich dad auch. Einfach damit er woanders eine anständige Chance kriegt, die ihm seit Tuchel nie mehr so recht in Dortmund gegeben wurde (meine Meinung)
Mit der EM ist das so zu begründen: ich hab vergessen, dass die dieses Jahr ist 😅
Okay, ja das wäre das einzige, sonst hoffe ich, dass euch der Einstieg soweit gefällt und bis nächsten Samstag (zumindest in diesem Buch)
Wobei doch noch: wer hat Lu's Abschlussspiel gesehen? I'm kinda sad dass die nicht mehr gemacht haben, aber naja ich hoffe dass sie nächste Saison ein anständiges Abschiedsspiel mit Fans veranstalten!

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