Lissy wird von einem neuen Weinkrampf erschüttert, Clayden streichelt unablässig ihren Hinterkopf und wird mit jeder Sekunde blasser und blasser und ich stehe stumm und stocksteif daneben mit einem schlechten Gewissen.
Ich weiß immerhin wo Mary ist und dass es ihr gutgeht. Naja, zumindest körperlich. Aber ich kann Clayden nicht sagen, dass seine kleine, pubertäre Schwester die Seite gewechselt hat.
Wow Jesse, das klingt richtig dramatisch. Die Seite gewechselt. Ist ja nicht so als hätte ich das vor kurzem selbst irgendwie getan. Aus einer einsamen, frechen Halbwölfin mit Aggressionsproblem ist eine verliebte, ausgeglichene Luna geworden.
Okay, das ist vielleicht doch ein bisschen übertrieben, immerhin bin ich noch keine Luna und an dem ausgeglichen muss ich auch nochmal arbeiten.
»Es wird alles gut Liz, wir finden Mary schon. Wie lange ist sie denn schon verschwunden?«
Fragt Clayden mit einer so sanften Stimme, dass beinahe mein Herz zu schmelzen beginnt. So einen großen Bruder wünscht sich doch jeder.
»Ich weiß nicht genau. Sie hat gesagt sie besucht Oma und Opa aber heute hat Mama bei Oma angerufen und die hat gesagt Mary war nie da. Sie ist einfach weg. Abgehauen.«
Schluchzt die Kleine verzweifelt.
»Wann wollte Mary zu Oma und Opa? Weißt du das noch?«
»Ich weiß nicht genau. Zwei Wochen oder so. Vorher hat sie sich ganz doll mit Papa gestritten und deshalb ist sie auch gegangen. Mama hat zu mir gesagt sie macht Urlaub bei Oma und wenn sie wiederkommt ist alles gut aber jetzt ist sie weg!«
Lissy beginnt wieder zu weinen und vergräbt ihren Kopf in Claydens Halsbeuge. Er tätschelt beruhigend ihren Hinterkopf, nimmt sie auf den Arm und erhebt sich.
Gezwungenermaßen lässt Lissy meine Hand los und ich reibe mir die schmerzenden Finger um die Durchblutung wieder herzustellen.
Clayden hat seine Lippen zu einem schmalen Strich zusammengepresst und schaut mir still und verzweifelt in die Augen. Es tut mir so leid. Er tut mir so leid. Lissy tut mir so leid.
Beschämt wende ich meinen Blick ab. Ich kann ihn nicht anschauen. Nicht mit dem Wissen, ihn entweder anlügen zu müssen oder ihm zu erzählen, dass seine Schwester der Feind ist.
»Beruhig dich erstmal Lissy, weit kann Mary ja nicht sein. Wo soll sie auch hin? Wir finden sie, versprochen okay?«
Clayden versucht optimistisch zu klingen, was aber nur so semi gut klappt. Lissy hebt ihren Kopf. Ihre kleinen Augen sind rot, nass und geschwollen. Langsam setzt Clayden sie auf dem Boden ab und greift ihre Hand.
»Komm, wir gehen erstmal ins Haus, da macht Tine dir eine heiße Schokolade.«
Clayden nimmt sein Handy in die freie Hand und tippt darauf herum, während er mit Lissy an der anderen Hand zum Haus geht.
Kurz entschlossen lege ich ihm eine Hand auf die Schulter und greife mit der anderen Lissys.
»Kümmer du dich um die Suche, ich geh mit Lissy. Kann auch eine heiße Schokolade gebrauchen.«
Schüchtern lächle ich ihn an. Seine braunen Augen ruhen auf mir und schauen mich verliebt an. Seine Hand streicht kurz über meinen Oberarm, die Stelle beginnt sofort zu prickeln.
In mir explodiert ein Feuerwerk und ich kann nicht anders als ihn zu küssen. Es ist ein kurzer, sanfter Kuss aber genau das macht ihn so besonders.
Mit angehaltenem Atem warte ich seine Reaktion ab. Es ist das erste Mal, dass ich ihn zuerst geküsst habe.
Nach ein paar Sekunden, in denen die Welt stillzustehen scheint breitet sich ein strahlendes Lächeln in seinem Gesicht aus.
Blöderweise werde ich schon wieder rot, also wende ich mich ohne ein weiteres Wort ab und gehe mit Lissy an der Hand ins Landhaus.
In der Küche riecht es schon herllich nach süßer Schokolade, Tine rührt in einem dampfenden Topf herum und dreht sich zu uns.
»Ohje Lissy Spätzchen! Was ist denn mit dir passiert? Komm mal her, zufällig habe ich gerade heiße Schokolade fertig«
Ruft Tine und Zwinkert uns freundlich zu.
»Tine du bist ein Engel! Hast du einen siebten Sinn oder so?«
Sage ich verblüfft und lasse Lissy auf meinen Schoß krabbeln.
»Tja, vielleicht. Ich spüre eben was die Jugend braucht«
Antwortet sie und stellt zwei Tassen mit der heißen Flüssigkeit und Sahne auf den Tisch.
»Wartet besser noch einen Moment, sonst verbrennt ihr euch die Zunge.«
Lissy dreht sich auf meinem Schoß um, sodass sie mich anschauen kann.
»Glaubst du Clay findet Mary? Sie war noch nie so lange alleine, sie hat bestimmt Angst!«
Mein Herz!!! Wie kann ein Wesen nur solche süßen Kulleraugen haben! Naja, nasse Kulleraugen, Lissy steigen schon wieder Tränen in die Augen.
»Heyyy Süße! Mach dir keine Sorgen, okay? Mary ist schon ein großes Mädchen und ich bin mir sicher, dass es ihr gutgeht. Wir finden sie.«
»Verspricht du es?«
Ich schlucke. Ich kann es ihr nicht sagen. Ich kann einfach nicht. Sie ist noch zu Jung, es würde ihr das Herz brechen und Clayden auch. Es geht einfach nicht.
»Ja... Ja, ich verspreche es dir«
Lissy lächelt ein bisschen und umarmt mich dann.
»Du bist eine tolle Mate für Clay. Ich glaube er hat dich ganz doll lieb.«
Flüstert sie mir ins Ohr, woraufhin mir Tränen in die Augen steigen.
»Weißt du, Clay ist viel netter zu allen, seit du da bist. Früher hatte er immer schlechte Laune und war ganz oft sauer. Und er war nur ganz wenig daheim, er hat dich gesucht. Und jetzt hat er dich gefunden. Bitte sei lieb zu ihm, er soll nett bleiben«
Redet sie weiter. Tränen der Freude laufen mir über die Wangen und ich lächle. Dieses Mädchen ist der helle Wahnsinn.
»Okay«
Flüstere ich, zu mehr bin ich nicht im Stande. Lissy löst sich von mir und schaut mich an.
»Aber warum weinst du denn?«
Fragt sie besorgt und wischt mir die Tränen von den Wangen. Ich lächle noch breiter.
»Ich freue mich einfach. Das gerade hast du sehr schön gesagt, Lissy. Danke!«
Lissy lächelt. Ihre großen, braunen Augen funkeln wieder ein wenig. Die Sorge um Mary scheint in den Hintergrund gerückt zu sein.
Ein Räuspern lässt uns Aufsehen. Clayden und Cole stehen in der Tür. Clayden lächelt, als er uns so vertraut sieht.
»Lissy, Cole fährt dich jetzt zu mom und dad. Es ist besser wenn du bei ihnen bist, während wir nach Mary suchen. Komm, trink schnell aus und Pack deine Tasche.«
Lissy nickt und steht auf. An der Tür dreht sie sich noch einmal um und winkt mir lächelnd zu.
»Bis bald Jesse!«
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20k reads omgggggggg aaaahhhhhhh spinnt ihr eigentlich??!?
Ich freu mich soooo mega!!!
Und jap, tatsächlich hab ich es geschafft trotz Prüfungen ein Kapitel zu schrieben. Hat zwar etwas gedauert aber immerhin.
Zwei von vier Prüfungen habe ich schon hinter mir, wünscht mir Glück für die nächsten beiden, das kann ich nämlich gut gebrauchen haha
Ansonsten genießt die warmen Tage oder was ihr auch immer für Wetter bei euch habt.
Peace out, Neli :)
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One and a half wolves [1]
WerewolfBei anderen 16jährigen Mädchen würde wohl so etwas hier stehen: Ich bin ein ganz normales Mädchen und habe ein ganz normales Leben, bis dieser Junge aufgetaucht ist und... Stop it! Weder bin ich normal, noch mein Leben. Ich bin ein Halbwolf und seit...