Immernoch etwas erschöpft verlasse ich zwei Stunden später das Haus um etwas frische Luft zu schnappen. Clayden und Cole haben einen Zimmerplan erstellt und die Aufenthaltsorte der auswertigen Rudelmitglieder überprüft, während ich mir Tines Waffeln hab schmecken lassen.
Es ist ein windiger Nachmittag, außer mir sind nur ein paar Familien mit ihren Welpen draußen, die auf der großen Rasenfläche spielen.
Tief atme ich die frische Luft ein und gehe in Richtung des Waldes, um ein wenig den Kopf frei zu bekommen.
Schon verrückt, was alles passiert ist. Nach all dem Hin und Her bin ich doch wieder hier gelandet. Zwar nicht ganz freiwillig aber immerhin.
Mit einem prüfenden Blick zurück vergewissere ich mich, dass niemand in der Nähe ist, ziehe meine Klamotten aus, deponiere sie in einem Busch und verwandle mich in meine schneeweiße Wolfsgestalt. Genießerisch schließe ich die Augen und sauge den so noch intensiveren Geruch nach Erde und Kräutern ein.
Einen Sekundenbruchteil später presche ich in hohem Tempo durchs Unterholz, schlage Haken, springe über Sträucher, umgestürzte Bäume und tote Äste und lebe einfach meinen Wolf aus. Wie gut es sich anfühlt. Was würde ich dafür geben, ein Vollblüter zu sein.
Mit erhöhtem Puls und erhobenem Kopf bleibe ich schließlich am Waldrand stehen, unter meinen Pfoten Felsbrocken, ein paar Meter vor mir der Rand vor dem Abgrund ins Tal, in meinem Blickfeld das wunderschöne, in Sonnenlicht gebadete Tal.
Ewig stehe ich vor dem Abgrund und beobachte, wie sich der Himmel mit Wolken zu zieht und es um mich herum grauer und düsterer wird. Der Wind wird stärker und bewegt die Äste im Wald hinter mir heftig hin und her.
Meine Nase ist noch immer stolz in die Luft gereckt, ich fühle mich einfach wohl, so allein. Hier kann niemand meinen Frieden stören, hier kann ich stolz darauf sein was ich bin, hier verurteilt mich niemand dafür.
Hinter mir ertönt ein Knacken und ich drehe mich ruckartig um. Vor mir steht eine mittelgroße, steingraue Wölfin mit ebenso grauen Augen und fixiert jede meiner Bewegungen.
Misstrauisch nicke ich mit dem Kopf, ohne die junge Wölfin dabei aus den Augen zu lassen. Diese jedoch ignoriert meinen Gruß und kommt stattdessen schnüffelnd auf mich zu.
Angriffslustig funkelt sie mich an und lässt ein kurzes, bedrohliches Knurren hören. Was soll das denn? Ich hab ihr doch gar nichts getan und in ihr Revier bin ich auch nicht eingedrungen, der gesamte Wald gehört noch zu Claydens Bezirk.
Frech deutet die Wölfin einen Angriff an, woraufhin ich in den Kampfmodus verfalle. Wenn sie meint sich mit mir anlegen zu müssen, bitte!
Knurrend senkt sie ihren Kopf und fletscht ihre Zähne. Wachsam beobachte ich jede ihrer Bewegungen und senke ebenfalls den Kopf.
Wenig später springt sie auf mich zu und schnappt nach mir, was ich mit einem Sprung zur Seite abwehren kann. Das bringt die Wölfin richtig in Fahrt, aggressiv geht sie wieder und wieder auf mich los und kurze Zeit später rollen wir rangelnd auf dem Boden herum.
Mir ist bewusst, dass ich nicht die geringste Chance gegen sie habe, aber ich werde nicht aufgeben bis ich mich nicht mehr bewegen kann.
Die Wölfin zeigt keine Anzeichen von Ermüdung, im Gegenteil, je länger wir kämpfen, desto aggressiver wird sie.
Mit einem Mal startet die Angreiferin eine unvorhersehbare Taktik und erwischt mit ihren Zähnen meine Pfote.
Vor Schmerz jaule ich auf, als sich ihre Spitzen Zähne in mein Fleisch bohren und ich krümme mich.
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One and a half wolves [1]
Hombres LoboBei anderen 16jährigen Mädchen würde wohl so etwas hier stehen: Ich bin ein ganz normales Mädchen und habe ein ganz normales Leben, bis dieser Junge aufgetaucht ist und... Stop it! Weder bin ich normal, noch mein Leben. Ich bin ein Halbwolf und seit...