*2* Neue Schule

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Beep Beep Beep Bee... Rumms.

Der Wecker fliegt im hohen Bogen gegen die kahle Wand meines neuen Zimmers und fällt dann auf den Boden. Schlaftrunken schäle ich mich aus der Decke und gehe zuerst ins Bad um mich mit kaltem Wasser im Gesicht aufzuwecken. Dann hole ich mir ein paar Klamotten aus meinem Zimmer und ziehe mich nach einer kurzen morgendlichen Dusche an.

Da ich fast ausschließlich schwarze Klamotten besitze habe ich mich für eine einfache schwarze Jeans mit Löchern und einem gleichfarbigen T-Shirt mit V-Ausschnitt entschieden. Meine dunkelbraunen, welligen Haare lasse ich offen über meine Schultern fallen und lege noch kurz ein dezentes Make Up auf, das meine sowieso schon strahlenden, eisblauen Augen noch mehr zum Vorschein bringt.

Relativ zufrieden mit dem Gesamtergebnis rutsche ich das Treppengeländer hinunter und mache mir in der Küche ein eiliges Frühstück, bestehend aus einem Apfel und Haferflocken mit Milch. Mein Vater ist bereits wach und arbeitet schon mit seinem Laptop am Küchentisch. Nachdem ich aufgegessen habe gehe ich nach oben um meinen Rucksack zu holen und verlasse dann grußlos das Haus. Ich bin nunmal kein Morgenmensch.

In letzter Sekunde finde ich zur nächsten Bushaltestelle und springe in den Bus. Der Fahrer schaut mich missbilligend an und winkt mich durch, ich setze mich auf einen freien Platz. Mit mir sitzen nicht viele im Bus, was mir aber ganz gut gefällt. Außer einer alten Dame und einer Frau mit Kinderwagen sehe ich noch drei weitere Leute in meinem Alter, zwei Mädchen und ein Junge, die sich leise unterhalten und immer wieder verstohlen zu mir herüber schauen. Eines, was ich an den ständigen Umzügen immernoch abgrundtief hasse, sind diese Blicke von den Leuten, wenn sie sehen, dass ich neu bin. Diese ganzen Flüstereien, die ich Dank meines Werwolfgens zum Teil belauschen kann und diese Blicke. Zum Kotzen.

Nach etwa zehn Minuten Fahrt erreichen wir das Schulgelände, genauer gesagt den Pausenhof, auf dem schon ziemlich viel los ist. Sofort, nachdem ich von der Menge an Schülern umschlossen bin, fühle ich mich unwohl. Ich mag nunmal keine Menschenmassen, schon gar nicht wenn ich mittendrin stehe. Ich atme einmal kurz durch, dann Bahne ich mir einen Weg durch die Schüler, in Richtung der großen Flügeltüren. Plötzlich werde ich heftig an der Schulter angerempelt und fliege mit Wucht gegen einen Typen mit dunkelbraunen Augen. Angeekelt stößt er mich von sich weg und ich lande endgültig auf dem Boden.

»Finger weg, nur anschauen, anfassen nur mit Erlaubnis!«

raunzt er mich an und in mir beginnt es zu brodeln.

»Als ob irgendjemand dich freiwillig anfassen würde!«

kontere ich bissig und rapple mich auf. Der Typ, der schon wieder halb am gehen war, dreht sich um und funkelt mich bedrohlich an.

»Wie Bitte?!«

»Ich sagte, dass niemand mit nur etwas Gehirn freiwillig so einen Arsch wie dich anfassen würde!«

Zicke ich und schaue ihn herausfordernd an. Suuper, Jesse, gleich am ersten Tag Feinde machen!

Auf dem Hof ist es still geworden, alle starrten uns an. Scheinbar scheint diesem Unsympathling noch nie jemand seine Meinung gesagt zu haben. Langsam kommt er näher, so nah, dass sogar ich ein wenig Respekt vor ihm bekomme, jedoch nur so wenig, dass es mich keineswegs einschüchtern würde.

»Pass auf. Ich weiß nicht wer oder was du bist aber komm mir nicht in die Quere! Glaub mir, das willst du nicht!«

Er funkelt mich wütend an, doch ich halte seinem Blick stand und lächle ihn zuckersüß an.

»Und was wenn nicht? Du willst dich doch wohl nicht mit einem Mädchen anlegen, oder?«

Daraufhin scheint ihm nichts mehr einzufallen, also drehe ich mich einfach um und stolziere davon. Die Menge macht mir respektvoll Platz und schaut mir geschockt nach. Ihre Blicke spüre ich deutlich in meinem Rücken und es fühlt sich verdammt gut an, diese Situation so souverän gemeistert zu haben.

Stolz mache ich mich auf den Weg ins Sekretariat, wo mir mein Stundenplan, meine Schließfachnummer und der Schlüssel dazu gegeben wird. Mit einem Stapel Bücher in der Hand verlasse ich den Raum und fange an mein Schließfach zu suchen, als ein Mädchen meines Alters neben mir auftaucht und mich fasziniert mustert.

»Bist du nicht die neue, die Kyle zur Schnecke gemacht hat?«

fragt sie und ich werfe ihr einen kurzen Blick zu, während ich einfach weitergehe.

»Wenn Kyle das größte Arschloch dieser Schule ist, ja.«

erwidere ich emotionslos und hoffe, dass die Unterhaltung genauso schnell endet, wie sie angefangen hat. Natürlich werde ich Mal wieder enttäuscht, denn das Mädchen scheint jetzt erst anzufangen.

»Ist ja Mega, das hat sich bis jetzt noch niemand getraut! Du musst echt Mumm haben!«

»Hmm. Kann sein«

murmele ich und bleibe aprupt vor meinem soeben erspähten Schließfach stehen.

»Ich bin übrigens Rebecca, aber nenn mich bitte Beccy, das mag ich lieber.«

Erwartet sie eine Antwort? Anscheinend ja, als seufze ich leise auf.

»Jesse. Eigentlich Jesley.«

»Du magst deinen Namen auch nicht, was? Dann haben wir ja schon eine Gemeinsamkeit!«

strahlt Beccy und spielt mit einer ihrer wilden, hellbraunen Locken.

»Hmm, sieht so aus«

sage ich wenig begeistert und verstaue meine Bücher im Schließfach.

»Jedenfalls habe ich jetzt Englisch und du?«

plappert sie weiter, sie scheint nicht zu merken wie sehr sie mir auf die Nerven geht. Nach einem kurzen Blick auf meinen Stundenplan atme ich erleichtert auf.

»Chemie.«

»Schade«

mault sie, doch ihr Gesicht hellt sich sofort wieder auf. Hat man der irgendwas implantiert das zu dauerhaftem positivem Denken führt? Ekelig.

»Wie auch immer, ich muss dann Mal los. Vielleicht sehen wir uns später wieder«

meint sie plötzlich und geht eilig davon. Na endlich! Ich schlage meine Schließfachtür zu, drehe mich um und mache mich auf den Weg zum Chemiesaal.

Nach längerem suchen habe ich ihn gefunden und beiße mir noch einmal auf die Lippen. Es hat bereits gegongt, was bedeutet dass die allgemeine Aufmerksamkeit auf mir liegen wird. Noch einmal kurz durchatmen und dann betrete ich nach einem kurzen Klopfen den Raum. Wie schon vorhergesagt werde ich von allen angestarrt. Super.

»'tschuldigung, hab mich verirrt«

murmele ich und erspähe zum Glück einen Platz in der letzten Reihe.

»Kein Problem, stell dich am Besten erstmal vor«

fordert mich der junge Lehrer auf und ich seufze genervt. Immer wieder das selbe.

»Ich heiße Jesse und bin fast siebzehn. Reicht euch das?«

Ein paar Finger gehen nach oben und ich nehme einen Jungen mit weißblonden Haaren und blasser Haut dran.

»Woher kommst du?«

»Aus 'ner Stadt«

gebe ich gelangweilt zur Antwort, da es sich sowieso nicht lohnt Freundschaften zu schließen braucht auch niemand etwas über mich wissen.

»Was hast du für Hobbys?«

fragt ein Mädchen aus der ersten Reihe. Wie ich diese Frage hasse. Wenn man diese Frage ordentlich beantworten würde hätte man keine Ruhe mehr vor verzweifelten Mädchen, die eine beste Freundin suchen, denn die Neue auszunutzen scheint irgendwie im menschlichen Körper verankert zu sein. Mit einem knappen

»Ist meine Sache«

speise ich sie ab und die restlichen Finger gehen wieder runter. So mag ich das! Der Lehrer scheint nicht gerade zufrieden mit meinen Antworten zu sein und deutet knapp auf den freien Platz. Der Rest der Stunde verläuft ruhig und langweilig, wie in jeder Schule.

One and a half wolves [1]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt