Nachdem ich meinen letzten Kurs für heute überlebt habe suche ich schonmal nach den Räumen, in denen ich morgen Unterricht haben werde. Auf dem Flur steht ein Junge herum, der mich aus dunkelblauen Augen misstrauisch mustert.
»Du solltest deinen Geruch besser verdecken, wenn du in einem fremden Revier bist«
knurrt er und ich schrecke kurz zusammen. Scheiße, Werwolf! Warte was? Revier?
»Wieso Revier? Lebt hier ein Rudel?«
frage ich etwas unsicher, darauf war ich nicht vorbereitet. Normalerweise sucht mein Vater nur Städte aus, die von dem nächsten Rudel etwas weiter entfernt liegen. Der Junge lacht kurz auf.
»Scheinst ja nicht gerade die hellste zu sein! Unser Rudel lebt im Wald am Stadtrand und die ganze Stadt weiß über die Werwölfe bescheid. Also. Wer bist du, was suchst du hier und vor allem: Wann gehst du wieder?«
bedrohlich baut er sich vor mir auf. Seine Aura ist stark, jedoch nicht die eines Alphas. Könnte der Beta oder ein Verwandter des Alphas sein, jedenfalls geht er definitiv nicht auf diese Schule.
»Ich wusste nicht, dass es hier ein Rudel gibt«
sage ich wahrheitsgemäß und schaue ihn fest an. Bloß nicht einschüchtern lassen!
»Das kann jeder sagen. Du kommst auf alle Fälle mit, einen Streuner können wir hier nicht gebrauchen«
sagt er und greift mich am Arm. Dank meiner menschlichen Hälfte kann ich mich nicht losreißen, verdammte Schwäche! Doch dadurch konnte ich mir andere Methoden aneignen, die so gut wie immer funktionieren. Also tue ich so als ob er mir irgendetwas an meinem Arm abdrückt und ich immer schwächer werde. Schließlich breche ich keuchend zusammen und bleibe mit geschlossenen Augen auf dem Boden liegen.
Mein Plan klappt perfekt, verwirrt schaut mich der Werwolf an und ich will gerade aufstehen und losrennen, da spüre ich, wie ich von zwei starken Armen hochgehoben und durchs Schulhaus getragen werde. Doch nicht so perfekt.
Verdammt, was mache ich denn jetzt? Trick 17 sollte Funktionieren, als ich die frische Luft von draußen spüre, winde ich mich immernoch mit geschlossenen Augen in seinen Armen und versuche mich loszustrampeln. Etwas verwirrt lässt er mich auf den Boden zurück und kaum bin ich dort angekommen erwache ich aus meiner "Ohnmacht" und trete ihm blitzschnell in die Weichteile. Stöhnend krümmt er sich zusammen und das ist der Startschuss für mich, so schnell wie ich kann loszurennen. Die ersten paar Minuten bin ich darauf konzentriert meinen Geruch zu verdecken, dann laufe ich einfach nur noch.
Keuchend komme ich bei unserem Haus an, schließe auf und schmeiße die Tür hinter mir ins Schloss. Knappe Sache. Mein Vater schaut von seinem Laptop auf, als ich mit hochrotem Kopf und völlig am Ende die Küche betrete und mir am Wasserhahn ein Glas Wasser befülle.
»Ist was passiert?«
erkundigt er sich, während er wieder auf seinen Bildschirm glotzt.
Nein, ich renne Mal eben zu Fuß durch die halbe Stadt, einfach nur weil es mir Spaß macht!
Genervt verdrehe ich die Augen. Väter!
»Hier leben Wölfe und einer dieser Wölfe wollte mich gerade mitnehmen, hat es aber nicht geschafft.«
berichte ich ihm und lasse mich auf die Eckbank fallen.
»Achso«
meint mein Vater nur und richtet seine volle Aufmerksamkeit auf seine Arbeit. Verwirrt runzele ich die Stirn. Hat der mir nicht zugehört?
»ähm... Hallo? Ein Rudel!«
»Ich habe dich verstanden, du brauchst nicht laut zu werden«
weist mich mein Vater ab und ich lasse mich zurücksinken.
»Bekomm ich eine Erklärung?«
Frage ich und verschränkte abwartend die Arme. Mein Vater seufzt und blickt kurz auf.
»Mir ist bewusst, dass hier ein Rudel in der Nähe lebt. Du kannst nicht dein ganzes Leben lang alleine bleiben, irgendwann musst du Halt finden und auf eigenen Beinen stehen können. Ich habe bemerkt, dass du dich als Mensch nicht wohlfühlst, weswegen ich Versuche dich an die Anwesenheit anderer Wölfe zu gewöhnen.«
Perplex starre ich ihn an.
Sollte ich mich jetzt freuen oder nicht? Einerseits ist es mein größter Wunsch mehr von meinem Wolfsleben zu haben aber andererseits wird das nicht ganz einfach werden, wie ich an der Reaktion des Wolfes vorhin erleben durfte. Da ich nicht schnell genug geantwortet habe nimmt mein Vater das kurzzeitige Schweigen als Zustimmung und wendet sich wieder dem Bildschirm zu.Noch immer leicht verwirrt gehe ich nach oben und lasse mich auf mein Bett fallen. Nach ein paar Sekunden springe ich wieder auf und tigere im Zimmer hin und her. Dann setze ich mich auf den Teppich. Doch auch dort hält es mich nicht lange und schließlich stelle ich mich auf den kleinen Balkon und starre zum Wald hinüber.
Wie es wohl wäre, dort zu wohnen? Sich zu verwandeln, wann man will, auf die Jagd gehen, mit anderen herum Kämpfen, einfach Mal länger an einem Ort zu bleiben? Es ist schlimm für mich, keine Freunde haben zu können, vor allem weil ich bis zu meinem vierzehnten Lebensjahr ein relativ normales Leben führen durfte und weiß was ich verpasse. Wie auch immer, mit der Zeit wird es einfacher und ich habe mich längst damit abgefunden. Zumindest rede ich mir das ein.
Ungeduldig wippe ich mit den Zehen auf und ab, der Anblick des Waldes macht mich noch verrückt. Der Wolf in mir wird immer unruhiger, er braucht dringend Auslauf. Aber jetzt wäre wohl der unangebrachteste Zeitpunkt überhaupt um durch den Wald zu rennen.
Nach ein paar Minuten Folter beginne ich leise zu knurren, ich halte es einfach nicht mehr aus. Mit etwas Anlauf springe ich über das Balkongeländer und lande sicher auf dem Boden. Kurz sehe ich mich um, dann jogge ich los zum Waldrand.
Der Wald sieht nach außen ziemlich dicht bewachsen aus, doch je tiefer man hineingeht desto lichter wird er.
Als ich sicher bin, dass mich keiner sehen oder hören kann schließe ich die Augen und meine Knochen beginnen zu brechen. Da ich ja nur ein Halbwolf bin, dauert die Verwandlung bei mir etwas länger als bei normalen Wölfen.
Sobald ich auf meinen vier Pfoten stehe sauge ich genießerisch die Luft durch meine feuchte Nase und schüttle mich ausgiebig. Dann presche ich los durch den Wald und lasse meine menschliche Hälfte einfach hinter mir.
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One and a half wolves [1]
Hombres LoboBei anderen 16jährigen Mädchen würde wohl so etwas hier stehen: Ich bin ein ganz normales Mädchen und habe ein ganz normales Leben, bis dieser Junge aufgetaucht ist und... Stop it! Weder bin ich normal, noch mein Leben. Ich bin ein Halbwolf und seit...