*4* Mein Mate

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Ich kann nicht genau sagen, wie viele Kilometer ich bis jetzt gerannt bin, es sind auf jeden Fall einige. Dank meiner guten Kondition bin ich kaum außer Atem, mein Puls ist nur leicht erhöht.

Etwas knackt im Gebüsch hinter mir, sofort fahre ich herum und scanne die Umgebung. Aus einem Busch funkeln mich zwei Augen an, Wolfsaugen. Verdammter Mist, kaum bin ich einen Tag hier schon haben sie mich entdeckt. Aber eigentlich war das doch mein Ziel oder nicht? Der Plan meines Vaters, mich langsam einem Rudel anzunähern scheint nicht ganz so wie geplant zu verlaufen, aber es kommt eben wie es kommt.

Plötzlich stehen um mich herum noch mehr Wölfe, sie umzingeln mich. Langsam werde ich nervös, warum greifen sie nicht an? Ich bin eine fremde Wölfin, in ihr Revier eingedrungen, eigentlich müssten sie mich töten. Aber sie stehen einfach nur da und glotzen mich blöd an.

Ich versuche zu verschwinden, doch immer wenn ich in eine Richtung gehe werde ich von einem knurrenden Wolf zurückgewiesen. Meine Fresse, was wollen die denn von mir??

Plötzlich breitet sich eine Wärme in mir aus, ein betörender Duft steigt mir in die Nase. Mate!

Was?? Nein nein nein nein nein! Nicht jetzt, nicht hier! Bitte nicht! Am besten Niemals!

Ich fühle mich hin und her gerissen, der wölfische Teil in mir will losrennen, in die Richtung aus der der Geruch kommt, doch mein Verstand und die menschliche Hälfte stämmen sich dagegen. Verflixt noch eins, es kann doch nicht sein dass ich so ein Pech habe!

Unruhig beginne ich mich zu drehen, die Wölfe starren mich verständnislos an, es muss echt dämlich aussehen was ich hier veranstalte.

Aprupt bleibe ich stehen und schaue in eine Richtung, keine Ahnung warum. Keine zwei Sekunden später taucht ein riesiger, silbrig schimmernder Wolf auf. Das erste was ich spüre ist seine Macht. Der Alpha. Das zweite was ich spüre ist sein Blick. Mein Mate.

Warte! Mein Mate? Ein Alpha? Oh Gott Neiiiiiiiiiiiin!

Panisch sehe ich mich um, die Wölfe um mich herum senken ihre Köpfe und unterwerfen sich so ihrem Alpha. Diese Chance nutze ich um über einen von ihnen hinwegzuspringen und wie der Blitz in den Wald zu rennen.

Doof nur, dass ich verfolgt werde. Der silbergraue Wolf ist dicht hinter mir, er lässt mich nicht gehen. Sein Blick liegt verbissen auf mir, er kommt immer näher. Spontan schlage ich einen Haken und hoffe so zu entkommen, doch ich habe mich zu früh gefreut. Für seine Größe ist er ganz schön wendig, er hat schnell wieder aufgeholt.

Ein paar Sekunden später bleibe ich stehen, diesmal völlig außer Atem. Der Alpha rennt mich jedoch um, sodass wir auf dem Boden herumrollen. Letzten Endes liege ich auf dem feuchten Waldboden während er seine Vorderpfoten links und rechts von meinem Kopf abstützt. Verdammt!

Jetzt erst fallen mir seine Augen auf, sie sind Ozeanblau. So schöne Augen habe ich in meinem ganzen Leben noch nie gesehen.

Stopp Jesse! Nicht träumen, du musst hier weg! Und zwar schnell! Ermahne ich mich selbst und schaue mich panisch um, bevor ich mich geschickt zur Seite rolle und so den Alpha wegstoße. Perplex schaut er mich an, ist aber sofort wieder an meiner Seite und versucht mich zurück auf den Boden zu drängen. Das lasse ich aber nicht zu, immer wieder weiche ich ihm aus, langsam gehen mir echt die Kräfte aus!

Nach ein paar Weiteren Ausweichmanövern weiß ich mir nicht mehr anders zu helfen und schnappe nach seinem Bein.

Erschrocken jault er auf und in mir zieht sich gleichzeitig etwas zusammen, es tut weh ihm schmerzen zuzufügen.

Jedoch habe ich genau das erreicht was ich wollte, gekrümmt liegt er auf dem Boden, meine Chance zu entkommen. Nach einem letzten verletzten Blick in seine Richtung konzentriere ich mich darauf meinen Geruch zu verdecken und renne so schnell ich noch kann nach Hause.

Am Waldrand verlangsame ich mein Tempo und trabe zu unserem Haus, darauf bedacht, dass mich niemand sieht. Zwar könnte ich mich zurückverwandeln aber ich bezweifle dass es gut bei der Nachbarschaft ankommen würde wenn ich nackt durch die Straßen laufe, als Wolf geduckt über die hohe Wiese zu schleichen erscheint mir dann doch sinnvoller.

Unter meinem Balkon bleibe ich stehen, schaue mich nochmal um und verwandle mich dann zurück, klettere die Dachrinne hoch und stehe schlussendlich auf meinem Balkon.

Kurz erschrecke ich mich, ist die Tür überhaupt offen?

Ja ist sie, Glück gehabt. Erleichtert gehe ich nach innen. Mein erster Weg führt ins Bad, duschen ist einfach die Beste Methode um irgendetwas zu verarbeiten.

Während das warme Wasser auf meine Haut prasselt wie ein angenehmer Regenschauer lehne ich meinen Kopf gegen die kühlen Fliesen an der Wand und schließe erschöpft die Augen.

Himmelherrgottnochmal, das war mein Mate! Mein Seelenverwandten, mein Gefährte, meine zweite Hälfte! Verzweifelt Bälle ich meine Hände zu Fäusten, ein komisches Gefühl kriecht in mir herauf und raubt mir fast den Atem.

Sehnsucht.

Nein Jesse! Er ist nicht gut für dich! Er wird dich verletzlich machen, so verletzlich, dass es dich das Leben kosten könnte!

Verdammt, ich sollte aufhören ständig mit mir selbst zu reden, wenn auch nur in Gedanken. Aber ich weiß dass ich Recht habe, ich kann mich nicht mit ihm verbinden. Ich bin schwach, zu schwach für eine Luna und ich kann das meinem Vater nicht antun.

Er hat seine Mate verloren, es ist ein Wunder, dass er noch lebt. Ich bin das einzige was er noch hat und auch wenn er es nicht oft zeigen kann weiß ich, dass er mich irgendwie liebt. Etwas warmes, flüssiges rinnt an meinem Gesicht herunter.

Heule ich etwa?? Fuck, ich habe ewig nicht mehr geheult und ich werde es auch nicht wegen einem dahergelaufenen Alpha Mate Idioten in einem echt heißen.... Nein nein nein, weißen Fell, naja es ist zwar silbergrau aber wen interessiert das schon, anfangen.

Entschlossen wische ich mir die Tränen ab und dusche zu Ende. Dann wickle ich mich in ein riesiges Handtuch, föhne meine Haare, suche mir Klamotten für morgen heraus, ziehe eine Jogginghose und ein lockeres Shirt über und lege mich ins Bett.

One and a half wolves [1]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt