•J A Y D E N •
Ich bin gerade dabei den Spiegel im Bad zu putzen, als ich höre wie die Haustür aufgeht. Danach werden Schuhe in die Ecke geschmissen und dann ist Stille.
"Derek?", rufe ich. Ich will nur sicher gehen, dass es nicht doch wer anders ist. Am Ende steht Lexi unten oder so. Nicht, dass ich was gegen hätte, aber ich stehe nicht so auf solche Überraschungen. Wie neulich, als wir vom Essen nach dem Freizeitpark zurückgekommen sind und sie und Justin bei uns im Wohnzimmer saßen.
"Ja, ich bin's", ruft er zurück und kurz darauf höre ich auch schon seine Schritte, die die Treppe hochkommen."Soso, da ist wohl jemand fleißig", meint er und lehnt sich gegen den Türrahmen.
Schon aus dem Augenwinkel aus sehe ich eine getrocknete Blutspur unterhalb seiner Lippe.
Ich drehe mich zu ihm. "Was ist da passiert? Ich dachte dein Training im Fitnessstudio besteht nicht aus Boxen."
Er zuckt gleichgültig mit den Schultern.
"Bryce hatte wohl nen schlechten Tag. Er hat mich einfach so geschlagen", antwortet er.
Mit hochgezogenen Augenbrauen betrachte ich ihn. Warum sollte Bryce ihn einfach so schlagen? Da ist doch irgendwas faul.
"Also er ist einfach auf dich zu und hat dich geschlagen, oder wie?", hinterfrage ich und Derek nickt mit dem Kopf, schaut mich ernst dabei an.
"Du hast ihn sicher nicht irgendwie provoziert?", hake ich weiter nach.Als ich sehe, wie sich sein Blick noch einen Ticken verfinstert, fällt mir auf, was ich da gerade gesagt habe und wie Derek das aufgefasst hat.
"Äh, das war nicht so gemeint wie es jetzt rüberkam, wirklich nicht", ich laufe rückwärts, bis mein Rücken gegen die Wand stößt, während Derek mit wütenden Blick auf mich zukommt."Du unterstellst mir also, dass ich lüge, ja?" In seiner Stimme klingt Herausforderung mit. Eine Herausforderung, auf die ich nicht eingehen möchte.
Schnell schüttle ich den Kopf. Doch auch das scheint falsch zu sein. Ich glaube im Moment kann ich gar nichts richtig machen.
"Verdammt nochmal Jayden, mach gefälligst den Mund auf und rede!"
Wütend schlägt Derek neben mir gegen die Wand, sodass ich zusammenzucke."Ich-", ich bekomme keinen Ton aus mir raus. Viel zu sehr ist mein Kopf damit beschäftigt, nach einem Ausweg zu suchen. Doch egal, wie langsam die Zeit manchmal vergeht, in Momenten wie diesen reicht sie einfach nicht aus.
Bevor ich auch nur annähernd auf die Idee kommen kann, irgendwie zu handeln oder irgendwas zu sagen, platziert Derek eine weitere Schelle auf meiner Wange. Mein Kopf fliegt zur Seite und ich spüre sofort einen pochenden Schmerz an meinem bereits vorhandenen Fleck. Es tut weh, verdammt weh, doch mehr als der Schlag an sich die Tatsache, dass er mir danach noch ohne jegliche Reue in die Augen sehen kann. Mein Blick verschwimmt langsam unter meinen Tränen.
"Und jetzt auch noch heulen, natürlich", abwertend schüttelt Derek den Kopf und verschwindet aus dem Raum.
Eine einzelne Träne stiehlt sich aus meinem Auge, als ich einen Entschluss fasse, der womöglich für meinen Tod verantwortlich sein wird.Bryce Worte schießen mir wieder in den Kopf und ich erkenne Wahrheit darin. Ich sollte mir nicht alles gefallen lassen.
Entschlossen lausche ich und höre Derek im Wohnzimmer telefonieren, während parallel ein Footballspiel auf dem Fernseher läuft. Die Tür ist geschlossen. Gut.
In windeseile, gehe ich in unser Schlafzimmer, ziehe eine Sporttasche aus dem Schrank und packe dort ein paar Klamotten rein. Ich bin angespannt. Jederzeit könnte Derek das Wohnzimmer verlassen und Zeuge von meinem Plan werden. Mich davon abhalten, ihn durchzuführen. Mich dafür bestrafen, dass ich es überhaupt erst versucht habe.
Doch es geht nicht anders, ich muss hier weg. Aber wohin? Zu Lexi? Nein, dass wäre zu einfach und außerdem muss sie viel arbeiten. In Dereks Club, wo mich jeder kennt und ihm sofort bescheid geben wird.Ich muss wohin, wo er keinen Einfluss hat. Zu jemandem, dem ich wichtiger bin als Seite Loyalität Derek gegenüber...
Miles, ich muss zu Miles.Ich mache den Reißverschluss der Tasche zu und hänge sie mir über die Schulter, bevor ich leise nach unten schleiche und meine Schuhe anziehe. Die Wohnzimmertür ist fast direkt neben mir. Wenn Derek jetzt rauskommt, bin ich tot. Vermutlich sogar schlimmer.
Kurz hadere ich, ob ich nicht doch lieber bleibe, aber ich entscheide mich gegen mein Herz und höre auf meinen Bauch, der schreit, dass ich gehen soll.So leise wie möglich öffne ich die Haustür und schließe sie nach mir wieder.
Zum Glück habe ich etwas Geld mitgenommen und kann mir ein Taxi zu Miles leisten. Ein paar Straßen entfernt befindet sich ein Platz, der von Taxis nur so wimmelt.Auf dem Weg schreibe ich Miles eine Nachricht, dass ich auf dem Weg zu ihm bin und so kommt es, dass er mich bereits an der Haustür stehend erwartet.
"Was ist denn los?", fragt er mich, als ich vor ihm zum Stehen komme.
"Dein toller Bruder hat sich mit Derek geboxt, aber eigentlich...wollte ich da weg. Er hat echt schlechte Laune, weißt du?"
"Ich verstehe, was du meinst", erwidert Miles und schaut vielsagend auf meine Wange, die wohl durch das Licht über der Haustür deutlich zur Geltung kommt.
Leugnen bringt nichts mehr. Was würde es auch ändern?Miles führt mich durch die Wohnung, schmuggelt mich etwas an seinen Eltern vorbei, um mich erstmal ins Bad zu bringen und dort meine Wange zu versorgen. "Wieso lässt du das mit dir machen, Jay?"
Er klingt traurig, als er das sagt.
"Ich liebe ihn, weißt du? Da verzeiht man Dinge, die man vielleicht nicht verzeihen sollte" und ich weiß, dass ich es wieder tun werde. Antworte ich ihm, doch denke mir den letzten Teil nur.
Er seufzt.
"Leg du dich erstmal hin und wir reden morgen. Ich gehe meinen Eltern Bescheid sagen, dass du da bist, aber direkt schlafen ist, weil du Kopfschmerzen hast oder so. Ich bringe dir noch ein Kühlpack." Miles schiebt mich durch den Flur in sein Zimmer und auf sein Bett, bevor er kehrt macht und aus dem Raum verschwindet.Erschöpft schließe ich die Augen, als keine zwei Sekunden später die Tür wieder geöffnet wird.
"Er hat es schon wieder getan", sagt Bryce trocken und bleibt am Türrahmen stehen. "Ach, das war die Mission dahinter, dass du ihn geschlagen hast? Du wolltest wissen, ob er dann bei mir weiter macht? Ganz im Ernst Bryce. Dank dir gehe ich bald durch die Hölle. Du machst meine Beziehung zu ihm kaputt. Er ist der Mensch, den ich liebe und er ist der Mensch, bei dem ich sein will und du machst ihn so eifersüchtig...", ich stoppe meinen Redeschwall. Wieso verteidige ich Derek so. Er hat mich geschlagen, nicht nur einmal. Ich weiß, dass es nicht richtig ist, aber doch habe ich Verständnis für seine Eifersucht. Wenn es andersrum wäre...okay, ich würde ihn nicht schlagen und den Kontakt zu dem besten Freund verbieten, aber ich würde alles in meiner Macht stehende tun, um die Person die ich liebe zu schützen.Miles kommt zurück und drückt mir das Kühlpack vorsichtig gegen die Wange. Mit einem Blick gibt er Bryce zu verstehen, dass er gehen soll.
Doch dieser dreht sich noch einmal zu mir um, bevor er geht.
"Nein Jayden, ich versuche, dass du aufwachst und dich vor dieser Hölle zu bewahren."
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Real life
General FictionAlles hat seine Gründe. Jede Tat, jedes Wort, jeder Schlag. Davon ist Jayden fest überzeugt. Er glaubt an das Gute im Menschen, vor allem in Derek, seinem festen Freund. Seine Freunde sind anderer Meinung. Jay hält an einer Liebe fest, die so nicht...