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•J A Y D E N•

Alleine sitze ich auf Miles Bett und schaue mir sinnlose Videos auf YouTube an. Er ist noch nichtmal lange weg und trotzdem vermisse ich seine Anwesenheit.
Aus diesem Grund schaue ich mir diese Videos an und vertiefe mich in eine Doku über native Völker in irgendwelchen Urwäldern und auf verlassenen Inseln.
Es ist schon absolut abgefahren, dass manche von ihnen vielleicht gar nicht von unserer Existenz wissen? Andere lehnen jeglichen Kontakt zu unserer Zivilisation ab, was ich aufgrund dessen, wie sich die Gesellschaft ins negative verändert auch absolut verstehen kann.
Da überlegt man es sich lieber mehrmals, ob man mit solchen Affen wie uns wirklich in Kontakt treten möchte. Man kann es ihnen nichtmal übel nehmen, wenn sie jemanden, der ihnen trotz mehrerer Warnungen zu nahe kommt mit Pfeil und Bogen abschießen und töten.

"Raus aus den Federn!"
Bryce platzt in Miles Zimmer und reißt die Tür dabei mit solcher Wucht auf, dass es mich wundert, dass sie sich noch in den Angeln hält.
Vor Schreck lasse ich mein Handy fallen und es knallt mir mitten ins Gesicht.
"Was willst du denn hier?", frage ich ihn mit verzogenem Gesicht. Aua, meine Nase.

"Mum und Dad sind mit Benni unterwegs, alsooo machen wir uns einen schönen Abend. Ich koche sogar was für dich, damit du mir nicht verhungerst", teilt er mir mit.
Ungläubig ziehe ich die Augenbrauen hoch.
"Du und kochen? Willst du mich vergiften? Da verhungere ich lieber."

Um Gottes Willen, was ist mit diesem Kerl los?

"Nope, diese Ausrede zählt nicht", meint er und kommt dann auf mich zu, bevor er mich mit beiden Händen plötzlich unter den Armen packt und nahezu aus dem Bett auf den Boden zerrt.
"Hey, ich kann alleine laufen, ich bin kein Baby mehr", quengle ich und befreie mich aus seinem Griff.
"Sicher?", er schaut mich besorgt an, mustert mich dann von oben bis unten.
"Ich glaube, du solltest mal ins Bad gehen. In der Zeit fange ich mit dem Essen an", teilt er mir und macht sich dann auf den Weg, das Zimmer zu verlassen, bleibt allerdings an der Tür nochmal stehen.

"Willst du mir etwa sagen, dass ich stinke?", frage ich empört und sammle parallel dazu schonmal frische Klamotten aus dem Schrank.
"Jap", antwortet er ernst und zwinkert mir zu, bekommt aber einen nahezu panischen Ausdruck im Gesicht, als ich einen alten Socken vom Boden aufhebe und direkt in seine Richtung schmeiße.

Er kreischt los und weicht dem fliegenden Socken geschickt in den Flur aus, was mich herzhaft lachen lässt.
Ein Haarschopf und Augen erscheinen am Türrahmen, der Rest bleibt mir verborgen.
"Wer will hier wen umbringen?"
Danach verschwindet er.
Was ein Spinner.

Im Bad nehme ich eine warme Dusche und richte mir danach die Haare. Heute scheine ich sogar mal einen good hair day zu haben.
Als ich mich danach auf den Weg in die Küche mache, kommt mir schon der Geruch von Essen entgegen.
"Riecht gar nicht mal so schlecht. Was kochst du da?"
Bryce dreht sich zu mir um, mustert mich erneut und nickt dann zufrieden.
"Asianudeln mit Hähnchen und Gemüse. Du kannst dich schonmal an den Tisch setzen", teilt er mir mit und dreht sich dann wieder zum Herd.

Ich folge seinem Befehl und setze mich an den bereits gedeckten Tisch. Da war ja jemand richtig fleißig, während ich im Bad war.

Wenig später kommt Bryce mit dem Essen an den Tisch und serviert jedem von uns eine Portion, bevor er es ebenso mit dem Wasser macht, welches er in unsere Gläser füllt.
"Und womit habe ich das verdient?", frage ich, als er sich gesetzt hat.
"Wie gesagt, die anderen sind weg und ich dachte, wir machen uns nen coolen Abend. Später vielleicht was zocken?"
"Das klingt doch gut", erwidere ich und probiere dann das Essen, welches wirklich - gegen aller Erwartungen - richtig gut schmeckt. Bryce kann also doch was.

Nach dem Essen beschließen wir also zusammen zu Zocken. Wir entscheiden uns für Mario Party auf der Nintendo Switch. Früher als Kind habe ich das Spiel nahezu auf meinem Nintendo DS gesuchtet. Einmal haben meine Eltern ihn mir sogar abgenommen, weil ich es maßlos übertrieben habe.

Wir sind gerade in einem Minispiel, als in mir ein böser Plan Gestalt annimmt.
"Äh Bryce, was ist das?", meine ich und zeige zu dem Fenster im Wohnzimmer. Die Ablenkung funktioniert und er schaut dorthin, vergisst dabei, dass er seinen Charakter noch steuern muss und fliegt aus der Runde.

Schockiert starrt er auf den Fernseher, während ich zu lachen beginne, was das Zeug hält. Normalerweise bin ich nicht für sowas, aber er hat es einfach verdient.

Ich bin so mit Lachen beschäftigt, dass ich seine Frage erst gar nicht verstehe.
"Was?", frage ich lachend, doch sein Blick ist ernst, weshalb sich mein Lachen auch sofort einstellt.
"Wie geht es dir?", fragt er.
"Mir geht es gut."
Ein Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht aus und mir wird bewusst, dass es wirklich so ist. Es ist die Wahrheit. Es geht mir gut. Mir geht es gut.
"Ha! Du hast verloren!"
Empört drehe ich meinen Blick wieder zum Bildschirm.
"Du Penner, das hast du extra gemacht", empört schlage ich ihn mit der Hand auf die Brust. Er fängt sie auf und hält sie an Ort und stelle, während er fast an seinem Lachen verreckt.
"Rache ist Blutwurst, mein Lieber", grinst er dann und wendet den Blick überlegend auf unsere Hände. Mein Blick folgt seinem.

"Deine Hände fühlen sich an wie ein Babypopo", flüstert er und streicht darüber. Mir entfährt ein belustigter Laut.
"Vergleichst du gerade meine Hände mit den Hintern deiner Brüder?", frage ich belustigt. Ich denke ja mal, dass er daher weiß, wie sich ein Babypopo anfühlt. Anders kann ich mir das nicht erklären.

"Was? Quatsch, nein. Sie sind einfach so weich", flüstert er immer noch und streicht nach wie vor über meine, aber er trägt ein Schmunzeln auf den Lippen. Es fühlt sich schön an, beruhigend. Zusätzlich ist dort eine angenehme Wärme, da seine Hände so viel wärmer sind als meine.

Ich wende meinen Blick von unseren Händen ab und blicke ihm direkt in die Augen. Ein Gefühl von Sicherheit und Wärme durchströmt meinen Körper und eine Gänsehaut breitet sich auf meinem Körper aus, was auch Bryce zu bemerken scheint.
"Ist dir kalt?", fragt er, aber ich komme gar nicht dazu zu antworten, da hat er schon eine Decke über mich ausgebreitet und zieht mich an sich.

Und da liege ich nun...in den Armen eines Mannes, dem Bruder meines besten Freundes. Auch wenn ich mich frage, wie das passieren konnte, möchte ich nicht von hier weg. Ich möchte dieses Gefühl von Sicherheit genießen.

Vorsichtig lehne ich meinen Kopf gegen seine Schulter und schließe mit zittrigem Atem die Augen. Erst dann merke ich, dass mein ganzer Körper leicht zittert. Eine leichte Nervosität ist in mir. Es liegt daran, was hier gerade passiert, aber es ist kein schlechtes Zeichen. Glaube ich.

Am Rande bekomme ich mit, wie Bryce auf den normalen free TV umschaltet und beginnt sich ein Eishockeyspiel anzuschauen.
Ich jedoch schlafe geschützt von der Wärme und Sicherheit, die er ausstrahlt, ein.

incandescencing

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