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•M I L E S•

Es ist seltsam in Jacksons Nähe zu sein. Ich merke immer wieder wie er mich ansieht. Nein, er starrt. Und wenn ich seine viel zu intensiven Blicke dann fragend erwiderte, wirft er mir ein unverfängliches Lächeln zu und sieht weg. Das macht mich wahnsinnig. 

Ich bin erleichtert, dass Logan auf dem Flug zwischen uns sitzt und Jackson voll und ganz für sich beansprucht. Er unterhält sich prächtig mit ihm, während Jacks gewohnt zurückhaltend Resonanz gibt. Als wir den Flughafen hinter uns haben, erfahre ich endlich, warum das Ganze. 

"Na war doch gar nicht so schlimm, mh?" Logan legt seinen Arm um Jackson und wuschelt seine Haare durch. Dieser schubst ihn daraufhin brummend weg und versucht das Nest auf seinem Kopf zu entwirren. Grinsend beobachte ich diese Szene in Erinnerung an Bryce und mich. 

"Ich dachte nie, dass es schlimm wird, ich hatte nur keinen Bock drauf", behauptet Jacks. 

"Keinen Bock drauf, dir vor Angst in die Hosen zu kacken?" 

Logan findet auf unserem gesamten Weg zu den Taxis Möglichkeiten Jackson zu necken. Erst, als wir mit dem Taxifahrer ins Gespräch kommen, ändert sich sein Fokus.

"Was wollen drei junge Männer denn in dieser Einöde?", fragt der Fahrer leicht schockiert.

Wir werfen einander fragende Blicke zu. Was er erzählt, passt so gar nicht zu dem, was wir uns als Entspannungs-/ und Abenteuerurlaub in einer Hütte vorgestellt haben. Und als wir dann davor stehen, bestätigen sich all unsere Befürchtungen. 

Noch bevor wir es uns anders überlegen können, brettert der Fahrer auf dem festgefahrenen Schnee davon und meine Begleiter und ich stapfen hoch zu dem zugeschneiten Häuschen.

"Auf der Webseite sah das ganz anders aus", meint Jackson kritisch. "Weniger ekelhaft"

"Das sagen so manche von einigen Tinderprofilen auch" Logan lacht. "Wir werden schon einen Weg finden, es uns gemütlich zu machen."

Es erleichtert mich ungemein, dass Logan so locker mit dieser grandiosen Fehlbuchung umgeht. Meine Annahme, wir hzatten uns einfach eine gute Zeit für einen günstigen Urlaub ausgesucht, hat uns direkt in die Pampa geführt. Von innen ist die Hütte zwar in deutlich besserem Zustand als es von außen den Anschein hat, aber schön ist dennoch was anderes.

"Ach du scheiße", murmelt Jackson.

Logan und ich stehen überfordert an Ort und Stelle, während Jackson fluchend durch die Hütte geht. Sein Versuch, das Wasser aufzudrehen schlägt ebenso fehlt wie das Licht anzumachen. Kurz darauf tippt er grummelnd auf dem Handy herum. 

"Ich meine, wir können Kerzen besorgen", schlägt Logan vorsichtig vor, "wird romantisch"

Jackson schnaubt voller Verbitterung auf. "Ich habe keine Romantik gebucht, sondern eine fucking teure Hütte in bestem Zustand. Hier sollte es sogar eine Sauna geben… scheiße Kein Signal" Er steckt das Handy zurück in die Hosentasche und sieht uns dann wieder an. "Ihr bleibt hier, ich regle das"

"Wo willst du jetzt bitte hin?" 

Er bleibt kurz in der geöffneten Tür stehen. Ich verfluche es wie panisch meine Stimme bei meiner Frage geklungen hat. Wie ungern ich ihn gehen lassen will.

"Ich versuche Empfang zu kriegen. Dann rufe ich den Veranstalter an, verlange mein Geld zurück, rufe ein Taxi und checke uns in ein verdammtes 5 Sterne Hotel ein."

Danach stampft er raus und knallt die Tür lautstark hinter sich zu.

Ich mochte es noch nie, dass Jackson so aufbrausend ist. Sobald ihm eine Kleinigkeit nicht passt, explodiert er einfach. Ich bin echt froh, dass ich es gerade nicht bin, auf den er es abgesehen hat. Ich habe es gehasst, in seinem Schussfeld zu stehen.

"Okay, der ist angepisst", kommentiert Logan das Ganze. Er hat nach wie vor die beste Laune.

"Naja, ich weiß zwar nicht was er gebucht hat, aber das hier kann es schon mal nicht gewesen sein"

Mit einem Ruck hieve ich meinen Koffer auf den wackeligen Tisch vor mir, um nach einem dickeren Pulli zu graben.

Bis Jackson nach mehr als einer Stunde zurückkommt, trage ich auch noch Mütze, Handschuhe und Schal.

Wenigstens sieht er gut aus, das muss man ihn lassen. Diese roten Wangen von der Kälte und die Schneeflocken um Haar stehen ihm. Sogar der angepisste Gesichtsausdruck.

"Es sollte jeden Moment ein Taxi kommen."

Wieder knallt er die Tür hinter sich zu. Diesmal von innen. Kurz sieht er zwischen Logan und mit hin und her, dann kommt er zu uns auf das harte und mehr als ungemütliche Sofa und nimmt die Mütze von meinem Kopf, um sie sich aufzuziehen. Die Handflächen reibt er aneinander und pustet immer wieder Luft hinein, um sich zu wärmen. Ohne Worte lege ich ihm auch noch meinen Schal und die Handschuhe auf den Schoß.

Keine Ahnung wie er es geschafft hat, so lange durch die Kälte zu waten ohne zu erfrieren. Logan und ich waren hier drin schon kurz davor zu kuscheln.

Am Abend unseres Anreisetages und nach stundenlangen Strapazen lassen wir uns zu dritt in ein großes Kingsize Bett fallen und schnurren in die Laken.

"Warm, flauschig, perfekt", fasst Logan zusammen und nippt sofort weg. 

Perplex mustere ich ihn, dann Jacks, dann wieder Logan und erneut Jackson. Er tut es mir gleich und fängt im selben Moment zu lachen an wie ich. 

"War ihm wohl zu anstrengend, seinen Rucksack vom Aufzug hierher zu bringen"

"Naja, wir haben ganz schön gefroren. Das zieht schon Energie", Ich zucke mit den Schultern.

"Das erklärt aber nicht, warum du und ich noch nicht schlafen" widerspricht Jackson und richtet sich dabei auf. "Ich bin noch nicht mal müde"

"Nicht mal vom Jet lack?

Er schüttelt den Kopf. 

Dann ist es still zwischen uns. Ich rolle mich vom Bett und gehe zu meinem Koffer, um mich etwas frisch machen zu können. Spontan entscheide ich mich auch noch für eine heiße Dusche. Um wirklich warm zu werden. Es tut unfassbar gut. Mir egal, wie lange ich brauche. Die Suite die Jackson gebucht hat, hat ohnehin zwei Bäder. Da kann ich mir getrost Zeit lassen. 

Vermutlich sollte ich ihm anbieten, noch etwas von den Kosten zu übernehmen. Eigentlich war abgemacht, dass ich die Flüge und die Aktionen übernehme und er den Aufenthalt und die Verpflegung, aber anderseits habe ich ihn nicht dazu gezwungen, es mit der Hütte zu verkacken und dann ein ganzes Apartment zu mieten. 

In Gedanken verfluchte ich ihn. Nicht weil etwas schief gegangen ist. Das kann immer mal passieren. Sondern einfach nur so. Weil ich es seit zwei Jahren tue und nicht mehr damit aufhören kann. Egal wie oft ich ihn entschuldige und ihn und sein Verhalten rechtfertige, er hat mir wehgetan. Er hat mir verdammt wehgetan und dieser Schmerz hat bis heute nicht aufgehört und vermutlich wird er das auch nie. Obwohl er keine Schuld daran hatte was passiert ist, liegt es doch in seiner Verantwortung wie er reagiert hat. Damals war es der Schock, habe ich entschieden. Dafür will ich ihm nicht böse sein. Er war überfordert. Aber all die Monate danach in der Schule, bei unserem Abschluss, auf den ganzen Festen und allem seitdem… er hatte so viele Gelegenheiten, auf mich zukommen. Sich zu erkundigen oder sich gar zu entschuldigen. Doch er hat es nicht getan. Dafür gebe ich ihn die Schuld. Für seine Ignoranz und sein Desinteresse. Das könnte er ändern. 

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