• J A C K S O N •
"Wir sehn uns dann morgen".
"Geht klar". Mit einem Handschlag verabschiede ich mich von Jacob, umarme dann kurz seine Freundin, bevor ich vom Footballfeld trabe.
Es fühlt sich einfach toll an, auf ein College zu gehen, ein normales Leben führen zu können. Das, worauf man Lust hat.
Es dauert nicht lange, bis ich zu Hause ankomme, da ich direkt beim College in einer Studentenunterkunft wohne. Die meisten hier haben nur ein kleines Zimmer, inklusive Bad. Es gab aber auch ein paar Wohnungen, mit Küche, Wohnzimmer etc, die gar nicht so teuer waren. Und in genau so einer wohne ich.
Meine Eltern steuern natürlich noch etwas bei, aber das tun sie diesmal nicht, um mich loszuwerden, sondern, weil sie es wollen. Ein paar Stunden Flug trennen uns voneinander und ich muss Mum jeden Tag am Telefon versprechen, in der nächst freien Zeit, die ich habe, mal vorbeizukommen.
Ich trage ein fettes Grinsen auf dem Gesicht, als ich die Tür aufschließe. Ich lausche, ob ein Geräusch zu hören ist. Nichts.
"Carter?"
"Ich bin hier", ertönt es angestrengt aus unserem Badezimmer.
Ja, unserem.
Da Carter kleiner ist als ich, hat er öfters mal Probleme an Sachen zu kommen, die in den Schränken ganz oben stehen. So auch diesmal. Angestrengt, versucht er die Shampooflasche zu erreichen, die er allerdings mit seinen Fingerspitzen noch weiter nach hinten schiebt, als eh schon.
So ein toller Freund, wie ich bin, lache ich ihn erst aus, bevor ich auf die Idee komme, ihm zu helfen und ihm dann die Flasche reiche.
"Du bist ein Arsch", mault er und schlägt mir dann mit der Hand gegen den Arm.
"Aber du liebst Ärsche. Also ist doch alles richtig", grinse ich, stehle mir dann endlich meinen Begrüßungskuss.
Carter ist ein Jahr jünger als ich, im Kopf allerdings schon wesentlich reifer. Auf seine Art und Weise erinnert er mich an Jayden, zu dem ich auch immer noch ab und zu Kontakt habe. Es tut mir leid, dass ich ihn etwas auf Abstand halte, aber ich will mit meiner Vergangenheit nicht mehr konfrontiert werden.
Als ich auf das College kam, konnte ich dank meiner guten Leistung, direkt in unserem Team als Quarterback eingesetzt werden und wie der Zufall es wollte, fiel mir wieder der wide receiver in die Arme. Vielleicht habe ich einfach eine Schwäche für sie.
Meine Gedanken fliegen weiter zu Miles. Ich wollte ihn einfach nur vergessen. Er hat mich mit dieser Nachricht nur geschockt. Von wem auch immer dieses Kind im Endeffekt jetzt war, ist mir egal. Ich konnte mit dieser Verantwortung nicht bei ihm bleiben. Mein Leben war zu dieser Zeit katastrophal genug. Ich hatte das Gefühl, Nick könnte in dieser Zeit besser für ihn da sein und habe somit eine Entscheidung getroffen, die sich nicht mehr rückgängig machen ließ und das war auch gut so.
Durch all das hat sich das Verhältnis zu meiner Familie gestärkt. Das erste Mal in meinem Leben fühle ich mich bei ihnen sicher, geborgen, geliebt. Selbst mein Vater nimmt mich in den Arm und klopft mir stolz auf die Schulter, wenn er mich sieht.
"Jacks, ist alles in Ordnung?", fragt Carter besorgt nach, legt seine Hand an meine Wange. Er weiß, dass ich ab und zu in Gedanken an meine Vergangenheit abtrifte.
Ich habe ihm nie gesagt, was damals alles passiert ist. Nicht, weil ich ihm nicht vertraue, sondern, weil ich ihn davor und vor meinem alten Ich schützen will. Er versteht das.
"Alles gut. Ich muss auch gleich wieder los". Ich schließe ihn wieder in die Arme, drücke ihn an mich.
"Stimmt. Meine Schwester zwingt mich eh, mit ihr shoppen zu gehen", erwidert er, verzieht dann leidend das Gesicht.
Etwa eine halbe Stunde später stehe ich in der Mall und warte. Ich habe gelogen, als ich sagte, ich hätte mit niemandem mehr von damals persönlichen Kontakt. Da gibt es noch eine Person und alle, die das wüssten, würden zuerst Fieber bei mir messen und mich dann persönlich in eine Klinik einweisen.
Plötzlich steht besagte Person auch schon vor mir und schließt mich in seine Arme. Ich genieße es, obwohl ich es nicht sollte. Es ist das erste Mal, das wir uns seitdem wieder sehen. Davor haben wir immer nur telefoniert und geschrieben. Er besucht dieses Wochenende Verwandte wenige Autostunden weiter und hat deshalb nochmal einen kurzen Stopp bei mir eingelegt.
Wir umarmen uns länger, als nötig und deshalb spüre ich auch irgendwann, wie sein Körper leicht zu beben beginnt, er mich noch enger an sich drückt.
Ich fasse es nicht. Jordan weint in meinen Armen. Und das sogar in der Öffentlichkeit. Ich wusste nicht, dass er überhaupt in der Lage dazu ist, Tränen zu produzieren.
Ich versuche ihn zu trösten, bis er sich irgendwann leicht von mir löst und mich dann ansieht. Etwas ist anders an ihm. Er wirkt fröhlicher, gelassener. Er hat eine ganz andere Ausstrahlung als damals.
"Ich bin so froh, dich wiederzusehen", meint er nach einiger Zeit des Schweigens, senkt dann betreten den Kopf. Er weiß nicht, wie er mit mir umgehen soll. Weiß nicht, wie viel ich zulasse.
Ich bin weit davon entfernt, ihm zu verzeihen und das weiß er auch. Wir beschließen uns, uns um zu reden in ein Café zu setzen. Wir bekommen zum Glück einen Platz in einer etwas ruhigeren Ecke. Ich setze mich neben ihn, bemerke dadurch, wie sein Körper immer noch leicht zittert.
"Sorry, ich bin nur nervös", er schnieft nochmal kurz, putzt dann seine Nase.
Ich muss leicht lachen, wegen seiner Erwiderung auf das Zittern seines Körpers.
"Ich lerne ja viele neue Charaktereigenschaften von dir auf einmal kennen", meine ich, lächle ihn dann leicht an.
Er sieht betreten drein, senkt wieder den Kopf. "Ich hab mich verändert, weißt du? Ich gehe in Therapie, seit ich aus der Schule raus bin und arbeite dran. Mir geht es schon wesentlich besser. Meine Verlustängste werden nie vollkommen verschwinden, aber solange sie nur an der Oberfläche kratzen, wäre das ja schon ein Ziel. Mein Therapeut meint, das ich dieses Problem schon lange in mir hatte, aber Miles der Auslöser dafür war, dass es förmlich explodiert ist. Ich hatte Angst dich durch ihn zu verlieren, dabei war ich am Ende daran schuld, dass ich dich verloren habe. Ich hätte um dich kämpfen müssen, anstatt dich zu verletzen. Ich hab gelernt, dass ich dich gehenlassen musste, Jack. Es tat wahnsinnig weh, das tut es noch immer. Aber es war besser, vor allem für dich und ich bin froh, dass du jemanden an deiner Seite hast, der dich glücklich macht. Das konnte ich nie."
Mich überraschen seine Worte. Sie beweisen, dass er es wirklich verstanden hat. Ich könne ihm sagen, dass er mich glücklich gemacht hat, zumindest teilweise. Hätte er mich nicht aufgefangen, wäre ich direkt gefallen.
Aber ich sage es ihm nicht. Ich will nicht, dass er dann vielleicht etwas hineininterpretiert und sich wieder Hoffnungen macht. Denn das zwischen uns ist endgültig vorbei, auch wenn ich ihn manchmal ebenfalls vermisse, allerdings wegen den schönen Zeiten, die wir hätten.
"Naja, genug geheult für heute. Wie läuft's mit Carter?", fragt er dann und überrascht mich damit schon wieder. Er schaut mir in die Augen, gibt mir zu verstehen, dass er sich wahrlich für mein neues Leben interessiert, er froh darüber ist, dass ich jemand neuen an meiner Seite habe.
"Sehr gut. Er bringt mich immer zum Lachen, macht mich einfach glücklich", erwidere ich.
"Das sieht man dir an. Du strahlst förmlich", antwortet Jordan, nippt dann kurz an seinem Kaffee.
Es tut gut, einfach hier mit ihm zu sitzen, zu reden, zu lachen.
Ich glaube, wir beiden haben nie geglaubt, dass diese Situation nochmal Realität werden könnte, aber irgendwo in uns, haben wir es uns gewünscht.
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Real life
General FictionAlles hat seine Gründe. Jede Tat, jedes Wort, jeder Schlag. Davon ist Jayden fest überzeugt. Er glaubt an das Gute im Menschen, vor allem in Derek, seinem festen Freund. Seine Freunde sind anderer Meinung. Jay hält an einer Liebe fest, die so nicht...