Einen auf die Einsamkeit

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Ich starre vor mir auf den Tisch. Ich habe gerade zwei Möglichkeiten. Entweder losheulen oder noch einen Schluck nehmen. Ich entscheide mich fürs Zweitere. Lass das, das ich keine gute Idee, echt nicht. Bitte, ich versteh dich aber lass es, du kotzt sonst noch, versucht mich mein Gewissen davon abzuhalten. Aber zu spät. Ich habe es geschafft nach dem Glas zu greifen und nehme einen großen Schluck. Einen Schluck näher an euch dran. An eurem Humor, an eurem Dasein. nur um dazu zu gehören. Und wofür, für wen? Um nicht allein zu sein. Na dann einen da drauf. Auf die Einsamkeit. Ich nehme noch einen großen Schluck. In meinem Kopf dreht sich alles. Mir ist warm. Meine Tränen schlucke ich gekonnt im Minutentakt herunter. Durch das Dröhnen in meinen Ohren dringen hin und wieder die Geräusche von Lachen und dummen Kommentaren. Das flimmern meines Bildschirms würde wahrscheinlich verraten wieso, aber ich habe schon lange meine Aufmerksamkeit verloren.  Gefühlt habe ich alles verloren. Ich nehme noch einen großen Schluck um meine Gedanken zum Schweigen zu bringen. Aber vergebens. Je mehr ich trinke desto lauter werden sie. 

Gesteh es dir doch selbst ein. Dich braucht hier niemanden. Dich will hier niemand. Du bist extrem nutzlos. Und extrem dumm. Schau dich an. Du hast Brüste. Und das in einer Gruppe Jungs? Ist das dein Ernst? Du hättest von Anfang an wissen können, dass das zum Scheitern verurteilt ist. 

Ich nehme noch einen Schluck. Leider muss ich meiner Stimme wohl oder übel recht geben. Langsam traue ich mich weder aufzustehen, noch zu sprechen. Immerhin würden dann wieder dumme Kommentare zu meinem Zustand kommen. Am Liebsten würde ich mich selbst bemitleiden, die Aufmerksamkeit auf mich ziehen, schreien, heulen. Aber ich lass es. Ich schluck alle meine Angst, meine Zweifel etc. herunter und spüle mit noch mehr Wein nach. 

Okay, stopp so geht das nicht weiter. Such dir neue Freunde, geh allein raus, komm auf dich selbst klar aber lass das, schaltet mein Gewissen sich nochmals ein. Schau dich an. Du bist ein Wrack. Von mir aus leg auf und fang an zu heulen. Das ist okay. 

Ich halts tatsächlich nicht mehr aus. In einem Zug leere ich das verbleibende Glas und verabschiede mich. keine zwei Sekunden später laufen mir auch schon kalte Tränen die Wangen hinunter. Auf einmal ist alles ganz still um mich herum. Ich bin das erste Mal seit Monaten allein. Allein mit mir selbst. Allein mit der Stille. All der Stress, all die Angst die ich hatte, spüre ich mit einem Mal extrem durch die Wolke aus Knoblauch und Alkohol. Und irgendwie fühlt es sich überraschend okay und gut an allein zu sein. Sich selbst mal wieder richtig wahrzunehmen.

Also, einen Schluck auf die Einsamkeit. Einen Schluck Wasser.

long story shortWo Geschichten leben. Entdecke jetzt