Lächle!

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Ich schau in den Spiegel. Mal wieder. Die Haare streng nach hinten gebunden. Mein Gesicht lächelt. Ich schaue mir tief in die Augen. Vor meinem inneren Auge lasse ich die wichtigsten Momente des Tages nochmal ablaufen. All das was in meinem Kopf hängen geblieben ist. So wie jeden Abend.

"... dein Lächeln wirkt manchmal aufgesetzt"
"...akzeptier dich endlich so wie du bist"
"... hör auf die ganze Zeit über alles Kontrolle haben zu wollen"
"... lass es laufen"

Ich lächel mir weiter im Spiegel zu. Langsam bildet sich ein Kloß in meinem Hals. Ich spüre wie sich meine Brust zusammen zieht und mir warm wird. Heiß.
Ich ziehe meinen weiten Pulli aus. Ich stehe da. Im BH. Löse kurz den Blick von mir. Schaue an mir herunter. Sehe sofort die Markel an meinem Bauch. Die Narben an meinem Arm. Nicht solche wie du jetzt glaubst. Sondern welche die durch das tägliche Leben entstehen.
Langsam wandert mein Blick wieder nach oben. Über meine trockenen Lippen und schauen mir wieder in die Augen.
Immernoch lächel ich. Aber meine Augen haben aufgehört zu lächeln. Sie wirken starr und ausdruckslos.

"...Den Druck den du dir selbst machst ist unnötig"
"... boar du bist so hübsch geworden, krass"
"... hast du eigentlich ein Freund? Wieso nicht?"
"... was ist eigentlich aus deinem Ex geworden?"
"... wieso fällt es dir so schwer das Gute an dir zu sehen?"

Langsam bahnt sich eine Träne aus meinen Augen, über mein Gesicht. Sie läuft über meine Wange und tropft langsam auf meine Brust. Langsam lasse ich meine Mundwinkel fallen.
Jetzt passen sie zu meinem Ausdruck. Zu meinem Gefühl. Zu den Gedanken. Den Dingen die ich über den Tag aufgenommen hab. Ich sehe mich wirklich so wie ich bin.
Aber wollen das alle anderen? Heißt es nicht immer, man so glücklich sein? Keiner will die schlechten Momente sehen. Die Momente wo du an dir selbst zweifelst. Die Momente wo du mit nichts zufrieden bist. Deshalb lächle ich immerzu. Ich weiß, wann es schlau ist, jemanden nicht wissen zu lassen wie es mir gerade gibt. Entweder um ihn zu schützen, weil ich ihm das nicht anvertraue. Es gibt viele Gründe.
Manchmal muss man Probleme einfach mit sich selbst ausmachen. Dinge 100 Mal durchkauen. Immer wieder mit der selben Sache konfontiert werden. Zum 1000 Mal darüber weinen.
Denn egal wie oft dir Tipps gegeben werden. Egal wie oft Menschen versuchen dir zu helfen. Im Endeffekt kannst du, nur du allein das. Nur du kannst dich aus scheiß Situationen ziehen. Nur du weißt was gut für dich ist.
Also. Lächle, wenn dir danach ist. Aber sei auch bereit stark zu sein und es für einen Moment abzusetzten. Dann kannst du deinen Tränen lauf lassen. Mal ausspinnen. Und loslassen. Vor allem loslassen.

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