Helpless

12 4 0
                                    

Triggerwarnung: Das Kapitel zeigt Szenen der Selbstverletzung und Zügen von Depressionen. Wenn ihr sensibel seit, oder selbst Probleme damit habt, dann lest das am besten mit jemanden, dem ihr vertraut oder überspringt das Kapitel. Ansonsten, solltet ihr euch selbst verletzen, Selbstmordgedanken oder Depressionen haben, bitte redet mit jemanden darüber oder wendet euch an eine Beratungsstelle.

So, genug vorweg. Wenn ihr euch bereit fühlt, das Kapitel zu lesen, wünsch ich euch trotz des heiklen Themas viel Spaß.

LG Cece :)

____________________________________

Du schaust mir tief in die Augen. Deine Augen sind leer. Unter ihnen zeichnen sich tiefe Schatten ab. Du bist ausdruckslos. Deine Mundwinkel hängen nach unten. Deine Haut wirkt eingefallen und trocken. Deine Haare verstrubelt. In Boxershorts stehst du da in diesem leeren, weißen Raum. Dein kompletter Körper ist übersäht mit Kratzern und blauen Flecken. Deinen Bauch zieren tiefe Wunden und Narben. Langsam senkst du den Blick. Dein Brust hebt und senkt sich unregelmäßig. Es sieht so aus, als würdest du schluchzen. Du hebst deine Hand und legst sie gegen die verspiegelte Fensterscheibe.
Ich berühre sie mit meiner. Auch, wenn ich weiß, dass du mich nicht siehst. Du nimmst mich nicht wahr. Nur dein eigenes, zerfallenes Spiegelbild. Ich sehe, wie Tränen deine Wange hinunterlaufen und anschließend auf den Boden tropfen. Das schluchzen wird mehr.
Du ballst deine freie Hand erneut zu einer Faust. Die andere liegt immernoch ruhig an der Scheibe. Genau da wo sie meine trifft.
Ich versuche dich erneut zu beruhigen. Rede dir gut zu. "Es gibt einen Ausweg. Keine Angst. Lass dich von deinem Spiegelbild nicht erschrecken. Alles wird gut."
Aber du nimmst mich nicht wahr. Stattdessen sackst du in dich zusammen und hockst nun auf dem boden. Mit einer Hand schlägst du gegen die verglaste Scheibe. Deine Schultern beben. Ich bin hilflos, weiß nicht was ich tun soll. Ich hock mich vor dir auf den Boden. Versuche weiter mit dir zu reden. Dich zu beschwichtigen. Ich bin hilflos.
Inzischen boxt du mit beiden Händen auf die Scheibe ein. Leichte Blutspuren sind schon auf ihr zu sehen. Deine Knöchel sind aufgeschürft. Aber du scheinst das nicht zu merken. Adrenalin überkommt mich, ich fange an zu schreien um irgendwie zu dir durchzudringen. Aber nichts da. Atemlos sitze ich da und schaue dir zu wie du dich verletzt.
Meine Lippen fangen an zu beben. Ich lege meinen Kopf gegen die kühle Scheibe, welche zwischen uns steht. Uns trennt. Mir es nimmt mit dir zu reden. Dich in den Arm zu nehmen. Dich zu trösten. Ich schließe die Augen, aber es ist zu spät. Einige Tränen rollen nun auch über meine Wange. An meiner Stirn spüre ich durch die Wand die Vibration deiner Schläge. Bei jedem Mal fange ich stärker an zu weinen. Die Hilflosigkeit übermannt mich. Ich bin verzweifelt. Weiß nicht was ich tun kann. Wie ich dir helfen soll.
Irgendwann hören die Schläge auf. Zuerst verstehe ich nicht was abgeht. Dann öffne ich meine Augen wieder und schaue zu dir auf. Du liegst zusammengekauert auf dem Boden.
Dein ganzer Körper ist verkrampft. Deine Mimik wie versteinert. Du schreist. Auch wenn ich es nicht hören kann, das zu sehen reicht mir. Mit deinen Fingernägeln krallst du dich in deine Oberarme. Dann nach einiger Zeit ziehst du in einem langen Zug die Hände nach unten. Sofort tritt Blut aus der Wunde. Die Kratzer sind tief in deiner Haut. Ich schaue mir still das Geschehen an. Meinen Kopf habe ich wieder an die Scheibe gelegt. Ich spüre meinen flachen kalten Atem. Langsam gebe ich auf. Ich werde dich verlieren. Du bist verloren. Ich habe schon Angst, dass du an dem Stress stirbst. Dass du gleich bewusstlos am Boden liegst. Aber du schreist weiter und kratzt deine kompletten Arme auf.
Ich hab immer noch nicht aufgegeben. Mit aller Kraft hämmer ich gegen die Scheibe. Es muss irgendwas passieren. Ich muss da endlich durch kommen. Du brauchst Hilfe. "GEH AUF. GEH AUF. LASS MICH ZU IHM. BITTE. BITTE TU DOCH WAS!", schreie ich aus vollem Leib.
Und plötzlich tut sich was. Du hörst auf zu schreien. Dein Körper entspannt sich etwas. Deine Finger werde locker und du lässt sie langsam von deinen blutigen Armen sinken. Und dann liegst du da. Stumm. Still. Reglos. Allein. Als würdest du nie wieder einen Finger rühren können.
Jetzt schreie ich noch mehr. Stehe auf und trete mit allem was mir an Kraft noch bleibt gegen die Scheibe. Aber nichts tut sich. Du regst dich nicht. Ich kann dir nicht helfen. Dieser Gedanke macht mich fertig. Ich geh ein paar Schritte zurück. Wische mir die Tränen aus dem Gesicht und falle auf meine Knie.
Ich hab versagt. Ich habs nicht geschafft. War ne schlechte Freundin. Nicht da, obwohl du mich nicht brauchtest.
Ich schaue dich an. Trotz deiner Wunden wirkst du mit einem Mal befreit. Du lächelst sogar leicht. Als würdest du in einen langen Schlaf gefallen sein. Ich gehe zurück an die Scheibe. Mit einem leichten Finger berühr ich sie. Ich denke an den Moment, wo sich unsere Hände an der Scheibe berührt haben. Wo ich deine Wärme ganz leicht durch die Wand spüren konnte. Eine Träne rollt mir über die Wange. In dem Moment zerspringt das Glas in all seine Einzelteile. In tausend splittern liegt es auf dem Boden.

Ich schrecke auf. Schweißgebadet und mit pochendem Herzen sitze ich aufrecht in meinem Bett. Ich brauche einen Moment, um zu realisieren, dass das nur ein Traum war. Es war nur ein Traum. Mir gehts gut. Ich bin da und wach. Ich muss meinen Körper zwingen langsamer zu atmen. Dann wische ich mir die Tränen und den Schweiß aus meinem Gesicht und lasse mich langsam wieder ins Kissen sinken. Was war das für ein Traum.

long story shortWo Geschichten leben. Entdecke jetzt