Teil eins - Der Plan

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Laut hallten die Schritte eins Mannes in den hohen Hallen wieder. Er schritt forsch durch die Gänge und Säle, jede Tür wurde ihm sogleich von einem Diener geöffnet. Er nahm kaum wahr, wie sie ihm den Weg frei machten und respektvoll die Augen niederschlugen. Nach all den Jahren war seine Anwesenheit hier nichts Besonderes mehr, auch wenn es immer noch niemand wagte, ihn anzusprechen oder ihn zu lange anzusehen. Sie hatten immer noch Angst vor ihm.
Seine Kleidung wirkte sehr vornehm, der Degen an seiner Seite war reich geschmückt, die Perücke frisch gepudert. Er war aufgrund einer Einladung der mächtigsten Frau dieses Landes hier und auch wenn sie ihm alles andere als fremd war, dieses offizielle Treffen machte ihn nervöser, als er es sich selbst eingestehen wollte. Es stand so viel auf dem Spiel. Die letzte Tür, die sich jetzt vor ihm öffnete, führte hinaus in den Garten.
Auf einer kleinen Terrasse standen ein Tisch und zwei hübsch verzierte Gartenstühle. Sie würden sich also umringt von blühenden Rosen unterhalten, auf rosenverzierten Stühlen sitzen und zweifelsohne aus ebensolchen Tassen trinken. Er seufzte. Sie hatte schon immer ein Auge dafür gehabt. Schön und dornig, duftend und gefährlich. Ein Diener wies ihn an sich zu setzen und schenkte ihm aus einer, natürlich, rosenverzierten Tasse dampfenden Tee ein. Er nahm Platz und nahm einen Schluck, um seine Hände zu beruhigen.
Dann öffnete sich eine weitere Tür und heraus trat eine Frau, die ihm jedes Mal wieder den Atem verschlug. Ihre Kleider waren kostbarer als alles, was er je besessen hatte, ihre Haare zu einer unglaublich kunstvollen Frisur hochgesteckt und wie immer, wenn sie den Palast verließ, beschattete sie ihre Augen mit einer goldverzierten Maske. Sie war nicht mehr jung, diese Dame, und das wollte sie niemanden wissen lassen.
Der Mann stand auf und verbeugte sich tief über der ihm dargebotenen Hand.
„Meine Königin.
Sie neigte leicht den Kopf. „Marquis Karvanté."
So förmlich. In seinem Magen flatterte etwas, aber natürlich konnte sie unter offenem Himmel keine Zuneigungsbezeugungen riskieren. Derlei Dinge gab es für sie beide nur hinter verschlossenen Türen, im Schutze der Nacht und bei zugezogenen Vorhängen. Sie nahm elegant in dem zweiten Stuhl Platz, griff nach der Teetasse und trank ganz vorsichtig einen kleinen Schluck. Ihre andere Hand schob ihm ein versiegeltes Dokument entgegen.
„Ihr wisst, was das ist, mein lieber Marquis?"
Er nickte, wagte es aber noch nicht den Brief zu nehmen. „Die Vollmacht über die gesamte französische Flotte. Es war nicht leicht, an dieses Dokument zu kommen, setzt es überlegt und weise ein. Und dann führt euren Plan so geschickt aus, wie ihr ihn mir geschildert habt. Entfernt diese Plage aus unseren Gewässern."
Karvantés Herz schlug ihm bis zum Hals, als er das Schriftstück an sich nahm.
„Es ist mir eine Freude, euch zu Diensten zu sein, meine Königin. Isabella..."
Sie zwinkert ihm verschwörerisch zu und wandte sich dann wieder ihrem Tee zu. Der Marquis erhob sich, er hatte es plötzlich sehr eilig, und nach einer weiteren Verbeugung und einem siegesgewissen Lächeln, hörte man nur noch seine eiligen Schritte und das Klappern der Türen hinter ihm.
Isabella senkte die Tasse und ihre Augen wurden dunkel und kalt. Endlich war es soweit.

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Zur gleichen Zeit irgendwo in einem arabischen Hafen

Es war Nacht, aber niemals dunkel. Hier wurde es vermutlich nie wirklich finster, zu hell waren die Lichter der Stadt und sogar die Schiffe und Boote, die vor Anker lagen waren beleuchtet und von einigen hörte man laute, mitreißende Musik. Die Dragon war dunkel, nur ein paar Lampen verbreiteten ein wenig Licht, das gerade so reichte, um Umrisse zu erkennen und Schatten zu werfen.
„Francis? Francis, wo bist du?"
Niemand meldete sich. Er suchte weiter und versuchte, das Zwielicht zu durchdringen. Es war ruhig hier auf dem Schiff, die Geräusche ringsum wirkten wie ein Hintergrundsummen vor den leisen Geräuschen des Meeres und dem Knarren und Ächzen der Takelage. „Käpt'n?"
„Ich bin hier, Jesse."
Francis stand an der Reling und starrte in die Nacht hinaus. Er wirkte ernst und nachdenklich, kein bisschen in übermütiger Feierstimmung wie der Rest der Mannschaft. Jesse stupste ihn an, nicht bereit, sich von dieser Stimmung anstecken zu lassen.
„Komm schon, deine Männer warten. Sie wollen die Feier nicht ohne ihren Kapitän beginnen."
Francis richtete sich auf und streckte die müden Muskeln. Noch einmal blickte er über das Wasser ans Ufer. Er wurde sie vermissen, diese orientalischen Städte mit ihrem bunten Treiben und dem ausschweifenden Nachtleben. Das süße Leben konnte verführerisch sein, es wäre so einfach sich in diesem Zauber zu verlieren. Aber die See rief nach ihm und die Aussicht auf reiche Beute ließ ihn die Sicherheit eines Hafens nur zu gerne vergessen. Er würde diese Kaperfahrt genießen, so wie er alle anderen auch genossen hatte.

Am nächsten Morgen war der Himmel wolkenlos und die Sonne schien warm auf eine emsig arbeitende Crew. Das Wetter stimmte die Männer zuversichtlich, sie scherzten miteinander wie kleine Kinder, die endlich nach draußen gelassen wurden. Der Wind blähte die Segel und langsam, ganz langsam glitt die Dragon mit der Morgenflut auf das offene Meer hinaus.
Francis Drake stand am Steuerrad. Der Wind pfiff ihm um die Nase und die Sonne brannte auf seinen Rücken. Er lenkte das Schiff, sein Schiff einem neuen Abenteuer entgegen und das vertrieb endgültig alle grüblerischen Gedanken des letzten Abends an Land. Ja, in diesen Momenten kam ihm das Piratenleben großartig vor.
Was es leider nicht immer war. Wie oft waren sie mit knapper Not den Kriegsschiffen und diversen ländereigenen Flotten auf diesen Meeren entkommen. Hier und da war sogar ein bezahlter Killer dabei gewesen, wenn ein betrogener Geschäftsmann seine Niederlage so gar nicht verkraften konnte. Die französische Marine hatte mittlerweile einen ordentlichen Preis auf seinen Kopf ausgesetzt und auch Spanien und, zu seinem persönlichen Verdruss, England würde ihn liebend gerne in ihre Finger bekommen.
Ihm grauste, wenn er daran dachte, was sie mit ihm anstellen würden, wenn sie ihn wirklich einmal erwischten. Das Risiko war da, zugegeben. Aber es war viel zu spät, um seine Wahl zu überdenken. Diese Entscheidung war schon vor Jahren gefallen und er bereute sie bis heute nicht.

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Paris, Frankreich

Es klappte wie am Schnürchen. Der Franzose rieb sich die Hände. Er hatte seine Spione ausgesandt und endlich waren sie mit guten Nachrichten zurückgekehrt. Sicher würde es dauern, bis er dieses vermaledeite Schiff wirklich gefunden hatte, aber immerhin konnte er das Verhalten und die Route des Piraten einigermaßen zuverlässig voraussagen. Es war außerdem ein leichtes gewesen, ein entsprechende seinen Bedürfnissen umgerüstetes Schiff aufzutreiben. Mit der Vollmacht der Königin war ihm quasi die gesamte Flotte unterstellt und er konnte Schiff und Mannschaft nach seinen Wünschen zusammenstellen. Diesmal würde er nicht mit leeren Händen nach Frankreich zurückkehren. Eine Sache blieb allerdings noch zu tun. Ein weiteres Dokument, diesmal nicht von der Königin, sondern von einem privaten Auftraggeber, befand sich in seiner Tasche und musste vor seiner Abreise übergeben werden. Karvanté machte sich auf den Weg, um seine Tochter zu suchen.
Sie trafen sich am Ufer der Seine, wie immer, wenn es um geschäftliches ging. Hier war der Himmel offen und man konnte weit genug sehen um sicherzugehen, nicht belauscht zu werden. Er wartete auf einer Bank und schon nach kurzer Zeit glitt ein Schatten neben ihn.
„Marquis."
„Ah. Schön dich zu sehen, Esmeralda."
Sie war nicht besonders groß und erinnerte ihn irgendwie immer an eine dieser Porzellanpuppen, die im Palast ausgestellt waren. Helle Haut, schwarze Haare und grüne Augen, die im Sonnenschein wie Saphire funkelten. Sie war ganz in schwarz gekleidet und wirkte wie eine trauernde Witwe, der das Schicksal zu früh den Mann genommen hatte. In Wahrheit war sie wohl eher selbst das Schicksal, das anderen Frauen den Mann nahm.
„Ich sehe, du hast etwas für mich?"
Er reichte ihr das Schriftstück.
„Ein Auftrag für die Morrigan. Nicht besonders herausfordernd, aber was soll man machen."
Sie grinste ihn an. „Ich denke, die Krähe kann das Geld im Moment gut gebrauchen. Einfach muss nicht immer schlecht sein."
Sie stand auf und sah ihn zögern.
„Ist noch etwas?"
„Ich werde für längere Zeit unterwegs sein. Ich wollte dir das nur mitteilen, damit du dir...keine Sorgen machst."
Sie hob eine Augenbraue.
„Sorgen? Besteht denn Grund dafür?"
„Nein. Ich handle im Auftrag von Isa.. der Königin. Ich soll einen Piraten zur Strecke bringen, der ihr und der französischen Wirtschaft schon lange das Leben schwer macht."
„Francis Drake? Ihr glaubt, ihr werdet ihn diesmal fangen?"
Sein Gesichtsausdruck wurde hart, als er an zu viele Fehlschläge erinnert wurde.
„Diesmal handele ich mit dem Segen der Krone. Ich werde ihn jagen und ich werde ihn fangen und dann werde ich ihn vernichten."
Esmeralda beugte sich zu ihm und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange.
„Übernimm dich nicht, Karvanté. Und komm in einem Stück zurück."
Als sie zwischen den Bäumen am Wegesrand verschwand, sah er ihr leicht verärgert nach. Was wusste sie schon von seinen Beweggründen und den vielen Demütigungen, die er wegen diesem Piraten hatte einstecken müssen. Er war zum Gespött des Adels geworden und das würde er keinen Tag mehr dulden. Er stand auf und lenkte seine Schritte zurück in die Stadt. Sie würden heute noch auslaufen.

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