Teil drei - Die Katze

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Wie er sehen konnte, hatten seine Männer seine Anweisungen bereits befolgt. Sie hatten Francis mit dem Gesicht zum Holz am Hauptmast festgebunden und mit ein paar raschen Schnitten durch sein Hemd seinen Oberkörper entblößt. Die Hände waren über seinem Kopf festgebunden, hier befand sich bereits ein sehr praktischer Haken. Offensichtlich war er nicht der erste, der hier eine Strafe entgegennehmen musste.
Drake dreht den Kopf, als er Karvanté näher kommen hörte, doch der blieb außerhalb seines Blickfeldes stehen.
„Ich möchte euch etwas zeigen, Käpt'n Drake. Es besteht aus neun Lederriemen, mit einem hübschen harten Knoten an jedem Ende. Ich habe es gerade hier an Bord gefunden, ihr müsstet dieses Werkzeug eigentlich kennen."
Er erinnerte sich nur zu gut daran. Während seiner ersten Jahre auf See, hatte er es selbst oft genug zu spüren bekommen. Aber damals waren es immer nur einige wenige Hiebe gewesen, dazu gedacht einen allzu aufsässigen, jungen Matrosen in seine Schranken zu weisen. Er schauderte bei dem Gedanken, was diese Waffe in Karvantés Händen anrichten konnte.
„Die neunschwänzige Katze, nicht wahr?"
„Ganz recht."
Karvanté hob die Peitsche und lies sie einmal klatschend auf Francis hilflosen Körper niedersausen. Der zuckte heftig zusammen. Neun blutige Striemen zeichneten sich auf seinem Rücken ab. Der Marquis fuhr mit einer Hand darüber und betrachtete prüfend seine Finger.
„Die Geschichte hat Recht, euer Blut ist tatsächlich ziemlich hell."
Er zuckte die Achseln und hob die Peitsche erneut. Unter dem zweiten Hieb entrang sich Drakes Lippe ein leises Keuchen. Ihm wurde bewusst, dass Karvanté von mal zu mal kräftiger zuschlug. Beim dritten Mal fuhren die Riemen mit solcher Wucht auf seinen Rücken nieder, dass sich sein Körper aus einem Reflex heraus aufbäumte und ein schmerzerfüllter Aufschrei über das Schiff hallte. Und er hörte nicht auf.
Unbarmherzig fuhr die Katze auf Francis nieder, bis sich die Schiffsplanken zu seinen Füßen rot färbten und er bewusstlos in den Seilen hing.

Der Weg nach Frankreich war weit und so oft es Karvanté danach verlangte, wieder holte er sein Spiel. Doch er achtete peinlich genau darauf, es nicht zu weit zu treiben und hörte jedes Mal auf, wenn Francis ohnmächtig wurde. Entgegen dem, was er so laut verkündet hatte, lautete sein Auftrag, den Piraten lebendig nach Frankreich zu bringen. Zumindest soweit ihm das möglich war. Außerdem sah er keinen Sinn darin, auf jemanden einzuprügeln, der nichts mehr spürte. Seine Mannschaft litt mit ihm, denn sie durften jedes Mal zuschauen, wenn sich ihr Kapitän vor Schmerzen wand. Das schien eine sehr angemessene Art zu sein, diesen ungehobelten Haufen in Schach zu halten.
Besonders den ersten Maat schien das besonders mitzunehmen, auch wenn er stets mit versteinerter Miene zusah und kein Laut des Protestes über seine Lippen kam.

Durch den Blutverlust wurde Drake immer schwächer und eines Morgens, als sich wie üblich eine Stiefelspitze in seine Seite bohrte, um ihn aufzuwecken, hatte er nicht mehr die Kraft sich aufzurichten. Er versuchte sich an der Reling hochzuziehen, sank jedoch nur auf die Knie zurück, als ihm schwarz vor Augen wurde. Er hob den Kopf, als er eine weitere Gestalt neben sich wahrnahm. Es war Marquis Karvanté, ein Lächeln auf den Lippen und ein mörderisches Funkeln in den Augen.
„Es geht nicht mehr, hm? Lasst mich euch helfen."
Er holte aus und ehe Francis wusste, wie ihm geschah, trat der Marquis zu. Er wurde über das halbe Deck geschleudert und krachte an die nächste Wand. Bunte Sterne tanzten vor seinen Augen. Er blinzelte und das nächste, was er wahrnahm, war Karvanté, die Peitsche in der Hand und einen grimmigen Ausdruck im Gesicht. Er erhob abwehrend den rechten Arm und schützte sein Gesicht dem linken.
„Bitte nicht..."
Es war nur ein Murmeln und verklang ungehört als er sich schon unter den Schlägen krümmte. Karvanté genoss jedes dumpfe Aufklatschen und die blutigen Striemen, die sich nach und nach über Francis Körper zogen und die Haut in Fetzen rissen. Francis versank in einem Meer aus rotem Nebel. Schließlich stand der Marquis keuchend über ihm, blutig und bewusstlos lag Drake ihm zu Füßen. Ein dünnes Blutrinnsal lief ihm aus dem Mundwinkel. Er ließ die Peitsche sinken und holte tief Luft. Das war etwas außer Kontrolle geraten.
„Holt den Arzt. Er soll sich um ihn kümmern. Bis Frankreich muss er wieder auf den Beinen sein."
Sie schleppten ihn in eine dunkle Kajüte. Der Doktor war einen Blick auf seinen neuen Patienten und schüttelte den Kopf.
„Der hat verdammt viel Blut verloren ich garantiere für gar nichts."
Karvanté blickte mit zusammengekniffenen Augen auf die bleiche Gestalt, deren Haut fast so weiß war wie das Kissen auf dem sie lag.
„Er wird es schaffen. Francis Drake ist zäh."

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