Teil acht - Letzte Worte

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"Wie lange dauert das wohl?"

Jesse wurde aus seinen eigenen trübseligen Gedanken gerissen.

"Hm?"

"Zu Tode gefoltert zu werden, meine ich."

Francis Drake saß auf dem Boden der Gefängniszelle, die Hände im Schoß und den Kopf gegen die Wand gelehnt. Jessie hatte sie auf der Pritsche in der Zelle gegenüber ausgestreckt, stand jetzt jedoch auf und trat ganz nah ans Gitter heran.

"Francis..."

"Wenn du nicht dort drüben wärst, würde ich dich bitte, mich umzubringen."

"Francis! Noch lebst du. Vielleicht gibt es ja doch Wunder und wir kommen hier raus."

Keine Antwort. Nur ein Rascheln, als der Pirat sich erhob und seinerseits an die Gitterstäbe trat.

"Ich werde hier sterben, Jesse. Vielleicht nicht heute oder morgen, aber ich glaube kaum, dass sich unser französischer Freund viel Zeit lassen wird. Solltest du irgendeine Möglichkeit finden, hier heraus zu kommen, dann flieh. Allein. Hiermit entlasse ich dich aus deinem Treueeid, du bist mir zu nichts mehr verpflichtet. Ich..."

Jesse schüttelte lächelnd den Kopf. "Du Idiot. Ich schulde dir mehr als ein Leben."

Francis schwieg. Die Zeit verging langsam hier unten. Jede Minute zog sich in die Länge. Es konnten aber auch schon Stunden vergangen sein, seit die Tür hinter ihnen ins Schloß gefallen war. Wie von weit her hörten sie manchmal Schreie, das Rasseln von Ketten und die schweren Schritte der Wächter. Jessie wurde es immer kälter und der Hunger nagte an ihm. Ab und an schaute er zu seinem Freund hinüber, der sich kaum regte und auf Fragen nur brummend antwortete. War es falsch, selbst jetzt noch zu hoffen? Er konnte sich nicht vorstellen, seinen Gefährten zu verlieren, nicht nach allem, was sie zusammen erlebt hatten.

Keiner der beiden wusste, welche Tageszeit es war, als endlich jemand den Gang entlang kam. Es war kein Geringerer als Karvanté selbst, der nach seinen Gefangenen schaute. Er hatte eine Truppe Wachen im Schlepptau und stolzierte förmlich an den Zellen vorbei.

"Guten Morgen!"

Er drehte sich auf dem Absatz um und verbeugte sich leicht vor Drake.

"Wie sie ja bereits erfahren haben, werden sie die nächster Zeit in meiner Obhut verbringen."

Was sollte das Schauspiel? Als ob Höflichkeiten jetzt noch eine Rolle spielen würden. Francis sah auf und blickte ihm ins Gesicht. Er wirkte nicht wie der Henker, den er wohl verkörpern wollte, sondern eher wie eine fette Katze, die gerne noch ein wenig mit der halbtoten Maus spielen wollte. Anstatt Angst zu empfinden, loderte in Francis Bauch wieder der Hass.

"Wieviel Zeit hatten sie denn eingeplant? Ich würde ungern die nächste, zweifelsohne vorzügliche Mahlzeit verpassen."

Er hob die Augenbrauen und zwang seine Mundwinkel nach oben. Das schien Karvanté aus der Reserve zu locken. Er trat bis zum Gitter vor und schlug mit der Faust auf die Eisenstäbe.

"Dir wird das Lachen schon noch vergehen, dreckiger Pirat. Du wirst um Gnade winseln, wenn du vor mir im Staub kriechst. Glaub mir, ich habe viel Zeit. Und wie wir wissen, ist dein Körper stark. Ich werde dich erst dann gehen lassen, wenn ich die Lust an meiner Rache verloren habe. Oder wenn ich dir Beherrschung mit dir verliere!!"

Die letzten Worte hallten in dem kleinen Raum wider wie ein Donnerschlag. Karvanté räusperte sich.

"Nun denn, Sir Drake, wir wollen die keine Zeit verlieren."

Einer seiner Begleiter öffnete die Zelle, legte Drake Handschellen an und verband diese mit einer kurzen Eisenkette, die er an der gegenüberliegenden Wand befestigte. Zwei hünenhafte Männer postierten sich als Wachen neben der Tür, als Karvanté eintrat. In seiner Hand war ein Ledersack, der Dinge enthielt, die geheimnisvoll klirrten. Die Tür wurde wieder verschlossen, die restlichen Wachen zogen ab. Karvanté setzte sich auf einen mitgebrachten Schemel. Francis wurde nicht ganz schlau aus seinem Verhalten. Gab es für solche Zwecke nicht Folterkammern, die wesentlich besser „ausgerüstet" waren?

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