Teil 19 - Tief im Wald

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Die Rückkehr des Kapitäns wurde zur Kenntnis genommen. Keiner traute sich so recht, zuviel Freude oder Euphorie zu zeigen. Keiner bis auf Matthew. Als Francis am Tag nach der Fiebernacht auf seinen eigenen Beinen die Kajüte verlieβ und sich in der Sonne streckte, fiel ihm ein kleiner schwarzer Schatten vor die Füβe.

"Käpt'n!!!"

Matthew wirkte zerzaust, er hatte sich schon eine ganze Weile nicht mehr gewaschen und stank zum Himmel. Er musste irgendwo aus der Takelage geplumpst sein, aber war sicher wie ein Äffchen auf seinen Füβen gelandet. Sein Gesicht leuchtete, er sah Francis an, als ob ihm gerade ein Geist erschienen war, aber einer von der guten Sorte.

"Hey, Matt."

Francis war froh, seinen Schiffsjungen zu sehen. Auch wenn er eher wie ein schmutziger Hund aussah, er wirkte zumindest gesund und unverletzt. Der Moment dehnte sich, Matthew sah ihn nur an, ohne Worte und Francis kam der Verdacht, dass die Wunden dieses Jungen wohl eher nicht äuβerlich sichtbar waren. "Nun, ich hab einen Bärenhunger. Wie wäre es, wenn wir beide uns erstmal ein Frühstück besorgen gehen?"

Matthew grinste. "Aye, Käptn. Frühstück klingt gut."

Francis gesellte sich zu seinen Männern und als sie alle erstmal mit Essen versorgt waren, brach langsam das Eis. Er hatte sich bewusst nicht mehr angezogen, das Wetter war warm, der Wind nur mäβig und seine Mannschaft sollte wissen, mit wem sie es jetzt zu tun hatte. Narben waren nichts ungewöhnliches in ihrem Beruf, fehlende Gliedmaβen kamen ebenfalls vor und Jessie war nicht der Einzige auf diesem Schiff, dem ein Auge fehlte. Auch wenn man zugeben musste, dass die so verstümmelten Piraten in der Regel nicht allzu lange lebten.

Esmeralda wurde vom Essensgeruch angelockt und die Männer machten ihr bereitwillig Platz. Es erstaunte Francis, wie selbstverständlich diese Frau ein Teil der Mannschaft geworden war. Das sie ganz offensichtlich kein Mann war, schien niemanden wirklich zu stören. Sie behandelten sie wie eine von ihnen, ohne die typische herablassende Art, die Piraten Frauen gegenüber so oft an den Tag legten. Esmeralda war auch die Einzige, die ihn völlig selbstverständlich auf seinen Zustand ansprach.

"Wie geht es euch, Kapitän Drake? Ihr seht immer noch wie ein Gespenst aus, ein sehr hungriges allerdings."

Francis schnaubte. Diese Geistermetapher fing ihn langsam an zu verfolgen. Vielleicht sollte er das ausnutzen, irgendwann einmal.

"Besser als vorher. Da gehört allerdings nicht viel dazu."

"Darf ich?" Sie hatte die Hände erhoben, stoppte allerdings kurz bevor sie ihn berührte.

Francis musste lachen. "Wisst ihr, von allen Menschen auf der Welt kennt ihr meinen Körper wohl mittlerweile am Besten. Nur zu."

Vorsichtig strich sie über die sichtbare Haut, fühlte die Vernarbungen auf seinen Schultern und seinem Rücken und bohrte ihre Finger hier und da tiefer in seine Haut. Francis ertrug ihre Berührung mit zusammengebissenen Zähnen, nein, das war immer noch nicht gut. Aber immerhin schlug er sie nicht und das musste Esmeralda ausnutzen.

"Was ich sehe, sieht gut aus. Tut das weh?"

Francis jaulte auf. "Ja."

Er drehte sich weg, als ihre Finger sich tiefer über seinen Rücken tasteten.

"Ich denke, das reicht."

Esmeralda legte den Kopf schief. "Irgendwann werde ich mir das ansehen müssen."

"Und warum, bitte schön?"

"Weil ich das Vorher gesehen habe. Und mir denken kann, wie das passiert ist."

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