Kapitel 3

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Zuhause
Endlich schlief er. Sein dicker Bierbauch hob und senkte sich bei jeder Atmung. Endlich konnte ich ins Haus gehen. Langsam und vorsichtig öffnete ich die Haustüre, die mein Vater nie zusperrte und betrat mein ehemaliges Zuhause. So leise ich konnte, schlich ich an meinem schlafenden Vater vorbei, der sich nicht mal die Mühe gemacht hatte sich ins Bett zu legen. Stattdessen schnarchte er mit einer halb vollen Flasche Bier in der Hand auf dem fleckigen Sofa. Ich sah ihn hasserfüllt an und schlich den Flur entlang in mein Zimmer. In der Ecke, neben meinem kleinen Schreibtisch stand meine schwarze Gitarre. Ich holte meinen Gitarrenkoffer aus dem Schrank und packte sie hinein. Schnell sammelte ich meine wenigen Kleidungsstücke und stopfte sie zusammen mit einer Stoffdecke und meinem Regenschirm in eine Plastiktüte. Mit Gitarre und Tüte über der Schulter verließ ich mein Zimmer und schloss so leise wie möglich die Tür. Als ich den Flur entlangschlich, stockte das zuvor noch so gleichmäßige Schnarchen. Erschrocken verharrte ich in der Bewegung und horchte mit weit aufgerissenen Augen, wann mein Vater das Schnarchen fortsetzte. Doch das Geschah nicht. Ganz im Gegenteil. Nachdem das Schnarchen gänzlich verschwunden war, knarzte das Sofa. Mein Vater war aufgewacht. Erstarrt von der Erkenntnis hielt ich die Luft an und hoffte, dass er sich schnell wieder hinlegen und weiterschlafen wird. Aber stattdessen hörte ich, wie er aufstand, zum Kühlschrank lief und lauthals darüber fluchte, dass kein kaltes Bier mehr da war. Dann brüllte er: „Lennox!"
Erschrocken zuckte ich zusammen. Er hatte mich doch wohl nicht etwa bemerkt?
„Du solltest Bier kaufen und kaltstellen!" rief mein Vater so laut, dass ich mir sicher war, es hätten die Nachbarn gehört.
„Ach dieser Rotzbengel ist ja abgehauen...", murmelte er vor sich hin.
Innerlich atmete ich auf, denn allem Anschein nach hatte mein Vater mich nicht entdeckt, sondern nur vergessen dass er mich rausgeschmissen hatte. „Der kann was erleben wenn er zurück ist.", nuschelte er wütend.
Ich dachte nicht weiter nach, sondern rannte zur Haustüre. Ich wusste nicht, ob meine Unsichtbarkeit mir half, nicht von ihm gesehen zu werden oder ob er mich durch die Geräusche die ich verursachte, bemerkte. Normalerweise sahen die Menschen mich nämlich nicht, wenn ich einfach nur da war. Ich muss erst auf mich aufmerksam machen um gesehen zu werden. Aber im Moment war mir alles egal. Ich wollte einfach nur raus hier. Schnell riss ich die Tür auf und rannte - nur weg von Zuhause.

Lennox Scorpio - unter den SternenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt