Kapitel 12

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Das Verhältnis zwischen meinen Eltern und mir war auch nach einer Woche noch sehr angespannt, meine Mutter ignorierte mich weiterhin und mein Vater warf mir regelrecht enttäuschte Blicke zu. Ich stand auf und ging zum Frühstückstisch, auch wenn ich wusste, dass wir uns anschweigen würden.

"Guten Morgen Marie", begrüßte meine Mutter mich.
Mein Blick wanderte an ihr hoch und meine Augen fixierten sich auf ihr Gesicht. Ihre braunen Haare waren zu einem strengen Dutt gebunden.
"Guten Morgen", begrüßte ich sie abwartend.
"Ich hoffe, nein wir hoffen, dass du dir nochmal Gedanken gemacht hast und dir klar geworden ist, dass du die Firma übernimmst"
"Nein, ist es nicht. Wieso könnt ihr es nicht einfach akzeptieren, dass ich was anderes will? Ich möchte nicht jedes Wochenende auf einem anderen Kontinent sein, sondern hier!", schrie ich sie nun vorwurfsvoll an. Ich habe mittlerweile kein Problem mehr damit so oft alleine zu sein, aber es hat mich früher sehr mitgenommen.
"Marie, sprich nicht in solch einem Ton mit uns!", maulte mein Vater mich an.
Er wollte doch auch nie die Firma übernehmen, aber er musste. Wieso konnte dann er es nicht einfach verstehen?!
"ich muss jetzt los, ich komme später nachhause. Heute nachmittag habe ich noch ein Treffen für den Wettbewerb mit Mr. Smith". Ich verließ das Haus ohne auf eine Antwort zu warten und lief zur Bushaltestelle.

Vor der Schule wartete ich auf Ava, die verspätet kam.
"Da bist du ja endlich, ich dachte du lässt mich heute in Stich", meckerte ich sie gespielt an.
"Hab dir noch einen Kakao mitgebracht, bin ja noch pünktlich. Bist du nervös wegen nachher?"
"Wieso sollte ich nervös sein? Es ist ja nunmal nicht unser erstes Treffen, das wird schon laufen, ich bin froh, wenn ich nicht daheim sein muss"
"Deine Eltern?"
"Ach ja, ich habe ihnen von meinem Wunsch Lehrerin zu werden mehr oder weniger freiwillig erzählt und naja du kennst sie ja. Ich soll ja dieses scheiß BWL studieren und diese scheiß Firma übernehmen", kotzte ich mich bei ihr aus.
"Hmm, die kriegen sich schon ein, ich meine was wollen sie schon machen? Lass uns reingehen"
Wir setzten uns auf unsere Plätze und hörten uns das Gerede unserer Lehrer an.

Die Pause hatte begonnen und ich verkroch mich bereits wieder in den Physiksaal um dort zu lernen und meine Ruhe zu haben.
Kurz bevor es klingelt betrat James den Raum. Er sah leicht gestresst aus, aber trotz allem so attraktiv und dominant. Ich beobachtete seine Bewegungen, das gekonnte spielen seiner Muskeln. Es kostete mich sehr viel Kraft nicht das sabbern anzufangen.
"Steht heute nachmittag noch?", riss er mich aus meinen Gedanken.
"Wenn du Kakao mitbringst, dann ja", lächelte ich ihn an.
"So viel Kakao ich dir schon mitgebracht habe, müsstest du ja aus Milch und Schokolade bestehen", lachte er mich aus.
"Hey, sei nicht so fies. Entweder ich bekomme einen Kakao oder ich gehe nach dem Unterricht nachhause, okay nein, aber trotzdem!"
"Ich bring dir einen mit Marie, hab ihn schon längst mit eingerechnet. Wieso willst du denn nicht nachhause? Macht deine Mum wieder Probleme wegen irgendwelchen Noten?", fragte er ehrlich interessiert und gleichzeitig besorgt.
"Ach nein, ich habe ihr davon erzählt, dass ich Lehrerin werden möchte, aber das passt den Beiden nunmal nicht. Ich soll BWL studieren und dann die Firma übernehmen, die ich verabscheue", schüttete ich ihm mein Herz aus.
"Oh shit, Marie. Wir können nachher darüber reden, wenn du das möchtest", bot er mir an.
"Ich weiß nicht, ich meine, wie willst du mir denn helfen?"
"Ich erzähle dir von mir, wie ich es geschafft habe, meine Eltern zu überzeugen mich machen zu lassen, was ich wollte!", sagte er.
"Ich dachte immer, dass du keinen Kontakt mehr zu deine Eltern hast. Wir sind uns wohl doch ähnlicher als ich dachte".
"Ja, das stimmt. Wir reden nachher ja? Es klingelt gleich. Außerdem machst du mich pleite mit deinen ganzen Kakaos", zwinkerte er mir zu.
Er befasste sich wieder mit seinen Unterlagen und mir gingen meine mehreren Fragen nicht aus dem Kopf. Es klingelte und der Kurs trudelte ein.

James begrüßte alle und hielt seinen Unterricht ab. Wir sprachen über elektromagnetische Induktion. Obwohl der Stoff in dieser Stunde sehr trocken war, brachte James ihn so souverän und interessant rüber, dass ich mal wieder mehr anfing zu schwärmen. Ich war sichtlich enttäuscht, als es klingelte und James sich verabschiedete. Er zwinkerte mir nochmal zu und ging in die Physikvorbereitung.

Der restliche Tag verging relativ schnell und schon stand ich vor seinem Raum und wartete auf ihn  und meinen Kakao.
"Da bist du ja endlich, ich verdurste schon fast", rief ich in seine Richtung.
"Das nächste Mal kannst du ja einen mitbringen, Kannst du den Schlüssel aus meiner Hosentasche nehmen und aufsperren?", fragte er mich.
"Das kannst du vergessen, ähm ja klar, kann ich machen", antwortete ich peinlich berührt. Ich stand zwar auf ihn, aber das war wohl doch eine Stufe zu weit,
Ich zog den Schlüssel heraus und sperrte auf.
"Bekomm ich jetzt meinen Kakao?"
"Nimm dir, hab extra einen mehr mitgebracht. Sag mal, was nimmst du denn sonst als Nahrung auf, sehe dich immer nur mit Kakao"
"Ach eigentlich, alles solange es kein Fleisch ist", kommentierte ich so beiläufig.

Wir begannen zu arbeiten, lachten viel und kamen weiter als wir dachten. Es machte mir von Minute zu Minute mehr Spaß, ich liebte es immer mehr Zeit mit ihm verbringen zu dürfen und ich hatte das Gefühl, dass er es auch sehr genoss.

"So Marie, ich habe jetzt Zeit nur für dich. Ich habe dir heute morgen versprochen dir von meiner Vergangenheit zu erzählen und ich würde dir gegenüber nie ein Versprechen brechen Marie", grinste er mich mit roten Wangen an.
"Du musst nicht, aber danke"
"Doch, ich habe es dir versprochen. Du weißt ja bereits, dass meine Eltern sehr wohlhabend sind und auch immer nur beste Leistung von mir gefordert haben. Ich hatte gerade mein Abitur fertig, als meine Eltern mir meine Anmeldung für die Uni gaben. Ich sollte auch BWL studieren und dann auch das Familienunternehmen übernehmen. Ich kam drauf nicht klar, ich wollte mit meiner damaligen Freundin nach Würzburg ziehen um dort Lehramt zu studieren. Wir diskutierten viel und sie sperrten mir alle meine Konten bis zum dem Tag als sie mich rausgeschmissen haben. Ich ging zu meiner Oma, die mich unterstützt hat , doch dann verstarb sie. Mein Haus, habe ich ja auch von ihr bekommen. Ich stand trotz allem erstmals mit leeren Taschen da und musste die letzten beiden Semester meines Studiums aus eigener Kraft finanzieren. Meine Eltern hofften, dass ich nach dem Tod meiner Großmutter zur "Vernunft" kommen würde und zurückkommen würde, doch ich blieb standhaft. Ich absolvierte mein Studium mit Bravour und begann das Referendariat. Danach zog ich hier her in das Haus meiner Oma und seit zwei Jahren arbeite ich nun hier. Ich habe von meinen Eltern seit dem Tod nichts mehr von ihnen gehört, doch ich komme damit klar. Ich vermisse sie, aber es ist okay. Du musst lernen deinen Kopf durchzusetzen um glücklich zu werden, auch wenn du somit riskierst deine Familie zu verlieren
Ich war so gebannt in seine Erzählung und wusste gar nicht, wie ich reagieren sollte, Ja manche Menschen trifft es viel härter, aber er beschrieb nunmal meine Situation.
"Ich - James, glaubst du, dass ich das kann? Mich von ihnen abwenden?"
"Marie, du bist eine starke, selbstbewusste Frau, du kannst das. Mach das, was dich glücklich macht."
"Danke, dass du mir so Mut zugesprochen hast" und ich fiel ihm um den Hals.
Er umarmte mich und ich fühlte mich wohl und geborgen in seinen Armen.
"Weißt du Marie, ich liebe dein Lächeln, wenn du glücklich bist, das macht dich noch hübscher als du sowieso schon bist", flüsterte er in mein Ohr.

Verbotene Liebe - aber deswegen nicht echt?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt