Kapitel 7 - Zaden

229 14 4
                                    

Es war voll.

Voll und laut.

Viel voller und lauter als das Zaden erwartet hatte, dass es sein würde.

Der große Platz platzte förmlich aus allen Nähten, doch schien das keinen wirklich zu interessierten. Das genaue Gegenteil schien eher der Fall zu sein, tummelten sich doch unzählige Menschen um ihn herum, tanzten dicht an dicht um das fast haushohe Lagerfeuer in der Mitte des Platzes, wiegten sich im Takt der Musik und sangen lauthals mit. Eine Gruppe mit Trommeln sorgte für einen schnellen Rhythmus, während das Stapfen der Meute den Boden zum Erbeben brachte und ihre Stimmen noch Wälder weiter zu hören sein mussten. Getränke wurden herumgereicht, Essen geteilt und Geschichten weitergegeben, während der Nachthimmel im Schein der Flammen flimmerte und Funken ihm entgegenstiegen

Zaden ließ seinen Blick zurück zu Lycaon gleiten und stieß ein Seufzen aus. Sie saßen zusammen mit einigen anderen Leuten um eins der kleineren Feuer herum, die man zum Ausruhen, Essen und Reden sowie Geschichtenerzählen über den Platz verteilt hatte. Es herrschte eine ausgelassen heitere, fröhliche und willkommene Stimmung um sie herum. Alle unterhielten sich mit allen, lernten sich kennen, diskutierten und scherzten miteinander.

Alle bis auf Lycaon, der sich keinen Zentimeter von ihm wegbewegte und stattdessen still an seiner Seite hing und an einem trockenen Brötchen knabberte. Sein Körper war sichtlich angespannt und auch wenn er es zu überspielen versuchte, konnte Zaden doch deutlich sehen, wie sein Gefährte bei jeden auch nur ansatzweise lauterem Geräusch zusammenzuckte.

Für ihn war es mittlerweile mehr als nur offensichtlich, dass sich Lycaons auf dem Fest und unter so vielen Menschen nicht wohlfühlte. Trotzdem sagte dieser nichts. Sagte Zaden nicht, wie er sich fühlte, dass ihn etwas störte, und das irritierte ihn am meisten.

Lycaon war sein Gefährte, sein Seelengefährte, und trotzdem sagte er nichts und scheute stattdessen davor zurück Zaden zu sagen, dass er sich unwohlfühlte.

Ihm war schon am Vorabend Lycaons Zögern aufgefallen, als er das Fest angesprochen hatte. Danach hatte er es aber so gut überspielt, dass er Lycaon geglaubt hatte, dass er wirklich gerne mit ihm auf das Fest gehen und sich darauf freute. Mittlerweile war er sich aber ziemlich sicher, dass Lycaon nur wegen ihm hier auf dem Fest war – um ihm eine Freude zu machen. Doch er konnte sich über seine Geste nicht freuen. Zumindest nicht so lange, als dass Lycaon sich dabei unwohlfühlte.

Verdammte, er hätte das Ganze schon gestern abblasen sollen, als er Lycaons Zögern bemerkt hatte. Oder dann, als Freya ihm eine Predigt darüber gehalten hatte, dass er Lycaon auf dem Fest auf keinem Fall aus den Augen lassen sollte. Oder spätestens dann, als Lycaon sich an seine Hand geklammert hatte, als hinge sein Leben davon ab, kaum waren sie in die Nähe des großen Platzes gekommen.

Er beobachtete, wie Lycaon an seinem Brötchen herumknabberte. Die Schultern angezogen, während seine nichts sehenden Augen rastlos umherflogen. Er wusste nicht, wie lange er sich das noch antuen konnte. Gleichzeitig wollte er aber auch, dass Lycaon etwas sagte, ihm sagte, dass er sich nicht wohlfühlte, sich ihm gegenüber öffnete, auch wenn es nur etwas so scheinbar Banales war. Stattdessen aß er sein Brötchen aber ohne einen Ton in die Richtung von sich zu geben und ging dann einfach wortlos dazu über an dem Bund seines Hemdes herumzuspielen und mit dem Fuß auf den Boden zu tippen.

Zaden beobachtete ihn noch eine Weile, während er gelegentlich die Fragen beantwortete, die an sie gestellt wurde. Er sah noch zwei Mal darüber hinweg, wie Lycaon bei einem lauten Geräusch zusammenzuckte, und wünschte sich einfach nur, dass er mit ihm reden würde. Ihm sagen würde, dass er nicht auf dem Fest sein wollte und sich dort nicht wohlfühlte. Doch es passierte nicht.

Let Me Trust You FirstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt