„Zaden, haben wir irgendwo Wolle und Nadeln zum Stricken oder Häkeln?", fragte Lycaon. Er saß im Schneidersitz auf dem kleinen Sofa in dem Arbeitszimmer im Rudelhaus, das Zaden mittlerweile ganz für sich beansprucht hatte. Vor ihm lag ein Tuch ausgebreitet und darauf ein Haufen verschiedener Kräuter, die er Zaden hatte sammeln lassen. Dieser wollte ihn nämlich noch immer nicht zu lange raus in die Kälte lassen. Dabei war sein Fieber schon seit fast einer Woche weg. Das Einzige, was er jetzt noch wirklich brauchte, waren etwas Ruhe und eine anständige Hausapotheke, hatte Zaden noch nicht mal Pfefferminze dagehabt, als er krank gewesen war.
Pfefferminze. Das Wunderheilmittel bei Halsschmerzen und Erkältungen.
„Nicht, dass ich wüsste. Aber Rye müsste das haben", erwiderte Zaden von seinem Arbeitstisch aus. „Wieso fragst du?"
„Damit ich auch mal was anderes machen kann. Rund um die Uhr nur Kräuter zu sortieren und zu bearbeiten ist langweilig. Außerdem wird es jetzt immer kälter und da wären warme Socken ganz schön", sagte er. „Aber wieso hat genau Rye Strickzeug? Das passt so gar nicht zu ihr."
„Rye wollte Xanthar letztes Jahr zu ihrem Jahrestag selbst gestrickte Topflappen häkeln."
„Und das hat sie durchgezogen?", fragte er, konnte er sich doch Rye mit so einer langwierigen Aufgabe, wie Häkeln nicht vorstellen.
Zadens zustimmendes Brummen, ging fast in Papierrascheln unter. Soweit Lycaon wusste, war er gerade dabei, den neuen vorläufigen Patrouillenplan zu erstellen. „Das Ergebnis war eine reine Katastrophe, aber Xanthar hat, wie ein toller und endlos verliebter Gefährte er doch ist, sie trotzdem benutz. Ich habe insgesamt dreimal mitbekommen, wie er sich trotz der Topflappen die Finger verbrannt hatte. Danach sind sie irgendwann bei einem Kochversuch in Flammen aufgegangen. Zum Glück war das draußen bei einem Fest, sonst hätte er noch ihr Haus abgefackelt."
„Oh."
„Wenn du willst, kannst du sie ja später fragen, ob sie die Sachen noch-" Zaden wurde unterbrochen, als aus dem Treppenhaus des Rudelhauses eine Rumpel gefolgt von besorgten Rufen erklang. Zadens Stuhl wurde zurückgeschoben und auch Lycaon war innerhalb von Sekunden auf den Beinen.
„Was war das?", fragte er und hielt Zaden auffordert seine Hand entgegen, welche sein Gefährte sofort ergriff. Er führte sie aus dem Zimmer heraus und durch den Flur, wo die Rufe noch lauter wurden und immer wieder Menschen in ihrer Hast gegen ihn stießen. Lycaon umklammerte Zadens Hand fester, bis dieser abrupt stehen blieb.
„Was ist passiert?", fragte Zaden jemanden, den Lycaon bald als Alpha Talon erkannte, als dieser antwortete.
„Ein älterer Herr ist die Treppe runtergefallen. Wir müssen Heilerin Araceli finden. Die ist nur mal wieder irgendwo."
Zaden stieß ein Fluch aus, der aber verstummte, als Lycaon sich zu Wort meldete. „Führ mich zu ihm. Vielleicht kann ich ihm schon einmal halfen."
„Ist gut." Zaden führte sie im Schnellschritt durch die Flure, die Lycaon auf einmal so unendlich verzweigt und lang vorkamen. Er schob sie an einigen Menschen vorbei, bis er schließlich stehen blieb und seine Hand losließ. Lycaon nahm es als Zeichen, dass sie bei dem Mann waren, und kniete sich vorsichtig hin. Zaden gleich neben ihm.
„Hallo?", fragte Lycaon und tastet vorsichtig nach dem Mann. Als Antwort erhielt er ein schmerzhaftes Stöhnen und ein Husten. Zaden half ihm und legte eine seiner Hände auf dem Arm des Mannes ab. „Verstehen Sie mich?", fragte er, war es doch wichtig festzustellen, wie schwerwiegend eine Person verletzt war.
„Ja", sagte eine kratzige Stimme, die zu dem Mann gehören musste.
„Okay ..."
„Sarkin", half der Mann ihm aus.
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Let Me Trust You First
WerewolfAufzuwachsen ohne sehen zu können, hat Lycaon gelehrt, dass er sein Vertrauen nicht einfach so leichtfertig an jeden erstbesten verschenken darf und, dass Vorsicht oft besser ist als Nachsicht. Das Gleiche gilt auch als er auf seinen Seelengefährten...