Kapitel 3 - Zaden

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Zaden wartete, bis Lycaon die Tür ganz hinter sich geschlossen hatte, bevor er sich langsam in Bewegung setzte. Seinen Blick glitt über die an ihm vorbeiziehenden Häuser und er stieß einen langgezogenen Atem aus.

Er konnte immer noch nicht glauben, dass er gerade wirklich seinen Gefährten gefunden hatte.

Seinen Seelengefährten.

Erst vor einigen Tagen war mit den Erwartungen auf eine anstrengende Woche voller Verhandlungen mit Vertretern verschiedener Rudel von zu Hause aufgebrochen und jetzt hatte er ihn gefunden. Hatte Lycaon gefunden.

Er blieb zwischen den Häusern des Rudeldorfes stehen und legte den Kopf in den Nacken, genoss die Wärme der Sonne auf seiner Haut und konnte sich ein lautes Lachen nicht verkneifen. Er war so glücklich, dass man es gar nicht beschreiben konnte. Er hatte seinen Seelengefährten gefunden. Die andere Hälfte seiner Seele.

Er fuhr sich mit den Händen übers Gesicht. Aus dem Augenwinkel konnte er sehen, wie einige Leute ihm komische Blick zuwarfen, in anderen Augen meinte er Verstehen zu sehen, doch es hätte ihn nicht weniger interessieren können.

Das Einzige, was ihn in diesem Moment interessiert, war Lycaon. Lycaon mit seinen fast goldenen Haaren, die ihm tief ins Gesicht hingen und seine wunderschönen Augen verdeckte. Augen, die zwar nicht sehen konnte, aber aussahen, wie der schönste Himmel im Sommer, wenn er mit vereinzelten Schäfchenwolken bedeckt war. Lycaon mit seinen hellen Sommersprossen auf Wangen und Nase, die man nur aus der Nähe sehen konnte. Und Lycaon, der genau so perfekt war, wie er war. Immerhin war er sein Gefährte. Und Gefährten waren fürs Leben bestimmt.

Er wäre viel zu gerne noch länger bei Lycaon geblieben, hätte gerne noch mehr Zeit mit ihm verbracht und gerne noch mehr über seinen Gefährten gelernt, doch wollte er sich ihm gleichzeitig auch nicht zu sehr aufdrängen. Sie hatte sich erst an diesem Tag zum ersten Mal getroffen und auch, wenn die Stimmung zwischen ihnen etwas angespannt und komisch gewesen war, wusste er, dass sich das alles mit der Zeit noch legen würde. Sie müssten nur mehr Zeit miteinander verbringen und sich besser kennenlernen, da war er sich sicher.

Er stieß ein weiters kurzes, ungläubiges Lachen aus, bevor er seine Hände fallen ließ und sich wieder in Bewegung setze.

Laub und Steine knirschte leise unter seinen Schuhen, als er durch die Häuser des fremden Rudeldorfes schlenderte. Seine Freude war ihm anhand eines breiten Grinsens in Gesicht geschrieben, doch versucht er auch gar nicht erst es zu unterdrücken. Es wäre nicht möglich und außerdem wollte er seine Freude auch nicht verstecken. Er wollte den Leuten zeigen, wie glücklich er war, wollte am liebsten in die ganze Welt hinausbrüllen, dass er seinen Gefährten gefunden hatte, dass er Lycaon gefunden hatte, und sie alle an seinem Glück und seiner Freude teilhaben lassen. Gleichzeitig wollte er es aber auch nur für sich behalten. Seinen Gefährten mit niemanden teilen.

Amüsiert über seine eigenen Gedanken schüttelte er den Kopf und ließ den Blick über die Häuser um sich herum gleiten. Sie waren alle aus Holz gebaut und hatten ein oder zwei Stockwerke. Um einige Häuser herum, wie auch um das Haus von Lycaon und seiner Familie, verlief eine Veranda, zu der man erst einige Stufen hochsteigen musste, während andere ihre Eingangstür direkt auf der Höhe der Wege hatten, die sich durch die Häuser schlängelten und das ganze Dorf miteinander vernetzten. Ab und an wuchsen zwischen und vor den Häusern Büsche, Blumen oder andere kleine Pflanzen, während die Wege immer voller wurden, je näher Zaden dem Rudelhaus und damit auch dem Zentrum des Dorfes – dem großen Platz – kam.

Der große Platz war belebt. Voller Menschen jeden Alters, die sich miteinander unterhielten und sich Sachen zu riefen, und er konnte sogar einige entdecken, die in ihrer zweiten Form – in ihrer Wolfsform – unterwegs waren.

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