Zaden ließ seinen Blick über die vertrauten Häuser und Gesichter schweifen. Alles sah noch genauso aus, wie als er es vor gut drei Monaten verlassen hatte. Die Häuser, die Wege, die Menschen, die ihm freundliche Lächeln zuwarfen und auf ihn zukommen wollten, bis ihr Blick auf die Person neben ihm fiel und sie sich umentschieden.
Zaden schaute zu Lycaon hinüber, um dessen Schulter er einen Arm gelegt hatte, und der quasi versuchte in ihm zu verschwinden. Sein Kopf war gesenkt, während Zaden ihn durch die Häuser führte, doch er ahnte, dass seine Augen rastlos hin und her schossen.
„Alles okay?", fragte er und drückte aufmunternd seine Schulter.
Lycaons Kopf zuckte leicht nach oben. „Ich kann all ihre Blick auf mir fühlen. Es sind so viele."
„Nicht mehr lange. Nur noch ein paar Abzweigungen, dann sind wir da", versicherte er seinem Gefährten. „Falls es dich beruhigt, keiner von ihnen sieht dir gegenüber irgendwie abgeneigt aus. Lediglich neugierig."
Lycaon nickte bloß und senkte seinen Kopf wieder, doch Zaden wusste, dass es seinem Gefährten am liebsten wäre, wenn niemand ihn beachten würde.
Er seufzte und führte Lycaon weiter durch die Häuser seines Heimatrudels. Seine Muskeln waren von der langen, wenn auch langsamen, Reise restlos erschöpft und er wollte nichts lieber, als sofort ins Bett zu fallen, wenn sie bei seinem- ... ihrem Haus ankommen würde, doch er wusste, dass er von einer Runde Schlaf noch weit entfernt war.
Vorher musste er sich erst noch seinen Eltern stellen, denen Talon netterweise über seine Gefährtin hatte ausrichten lassen, dass er wieder da sei und seinen Gefährten bei sich hatte, kaum dass seine Patrouille sie an der Rudelgrenze aufgegabelt hatte.
Als sie um die letzte Hausecke gingen und Zaden seine Eltern vor seinem Haus stehen sah, wäre er am liebsten sofort wieder umgedreht und sich durch die Hintertür ins Haus geschlichen. Nur leider hatte sein Vater sie schon entdeckt und kam auf sie zu gerannt.
„Zaden!", rief er und sorgte dafür, dass Lycaon in seinem Arm erschrocken zusammenzuckte.
Zaden unterdrückte ein weiteres Seufzen und war froh mit Lycaon in seinem einem Arm und den zwei Beuteln in seiner anderen Hand eine Ausrede zu haben, seinen Vater nicht umarmen zu müssen. Er wollte Lycaon noch nicht loslassen. Nicht hier draußen auf der offenen Straße, wo er von keiner Seite geschützt war. Zwar sollte ihm hier im Rudeldorf nichts passieren, aber er wusste, dass Lycaon sich trotzdem sorgen würde.
„Hey Pa", sagte er, als sein Vater vor ihnen zum Stehen kam, und deutete entschuldigend auf seine vollen Hände. Das Teddybär-ähnliche Gesicht seines Vaters vorzog sich zu einem schmalen Schmollmund, doch er sagte nichts.
Das dunkelbraune und lockige Haar, das Zaden ohne die Locken von ihm geerbt hatte, standen ihm wie immer wild vom Kopf ab und passten zu seinen nussbrauen Augen. Sein Gesicht wurde zur Hälfe von seinem Bart bedeckt und um seine Augen und seine Stirn zierten seine Haut leichte Falten von Alter.
„Ist das dein Gefährte, Zaden?", fragte sein Vater und lehnte sich zu Lycaon hinüber, der einen Tick größer war als er selbst und streckte ihm die Hand hin. „Ich bin Fam-"
„Können wir bitte drinnen weiterreden?", unterbrach Zaden seinen Vater so nett er konnte. „Wir haben eine lange Reise hinter uns, sind müde und würden uns gerne mal hinsetzten."
„Aber natürlich." Sein Vater zog seine Hand wieder zurück, scheinbar ohne einen zweiten Gedanken daran zu verschwenden, wieso Lycaon sie nicht ergriffen hatte, und sauste ja fast schon zum Haus und seiner Gefährtin, Zadens Mutter, zurück, die bei der Haustür wartete.
DU LIEST GERADE
Let Me Trust You First
WerewolfAufzuwachsen ohne sehen zu können, hat Lycaon gelehrt, dass er sein Vertrauen nicht einfach so leichtfertig an jeden erstbesten verschenken darf und, dass Vorsicht oft besser ist als Nachsicht. Das Gleiche gilt auch als er auf seinen Seelengefährten...