Kapitel 16 Eingeständnis

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Kapitel 16   Eingeständnis

Dan steht das vierte Mal in dieser schlaflosen Nacht auf der Terrasse mit seinem Diktiergerät in der Hand.

Lees Analyse ihrer letzten Sitzung ist auf dem Gerät.

Und Dans Verstand überzeugt ihn jedes Mal davon, die Aufnahme erst morgen sich anzuhören. Warum denn mitten in der Nacht? Warum nicht zur Arbeitszeit? Warum die Eile?

Aber jedes Mal, wenn Dan wieder im Bett liegt, umschließt ihn eine Decke der Traurigkeit, die ihm das Atmen erschwert.

Er will sich lösen.

Die Decke abschütteln.

Und jedes Mal steht er schnaubend auf und erliegt dem Ruf des Diktiergerätes auf dem Beistelltisch.

Warum darf ich nicht seine Stimme hören? Seinen Worten lauschen. Er ist ein überragender Analytiker. Ich bin nur von seinem Verstand begeistert.

In der Nacht. Nach allem.

Trotz, dass ich gegangen bin.

Ich habe Lee zurückgelassen.

Ich habe das so entschieden.

Dann kann ich jetzt nicht schwach werden.

Steh zu deinen Entscheidungen. Dein Verstand leitet dir den richtigen Weg. Tat er doch immer.

Aber ich will ihn nicht zurücklassen. Er soll mich begleiten. Wir wollen doch zusammen forschen. Mit ihm kann ich die Welt entdecken.

Ich will ihn dabei haben.

Ich will meinen Kameraden dabei haben.

Dan legt die Hände auf sein Gesicht. Das Diktiergerät mitten drin.

Er spürt sich Lee etwas näher, wenn seine Aufnahme an seinem Gesicht liegt.

Spürt die Sehnsucht, die nach ihm schreit.

Seine moralische Instanz, geprägt von elterlicher Stränge, kämpft mit seinen ursprünglichen Trieben.

Der Sehnsucht zu lieben und geliebt zu werden.

Der sexuellen Hingabe.

Und mitten drin befindet sich Dan.

Sein Bewusstsein arrangiert sich mit dem Abwehrmechanismus der Verleugnung.

Es ist doch nur eine Aufnahme.

Er ist nicht hier.

Ich nicht bei ihm.

Keine Gefahr.

Und er drückt auf dem Knopf des Diktiergeräts und lässt sich von der Aufnahme und Lees erklingender Stimme entführen.

Analysegespräch nach der Mittwochs-Sitzung am 14.11.2021:

Nach der heutigen, sehr intensiven Sitzung, in der ich die Ehre hatte, dich auf eine Reise zu begleiten, denke ich, du könntest vielleicht auf die anschließende Analyse verzichten wollen. Daher nahm ich dein Diktiergerät mit und nehme nun meine Perspektive auf.

Ich erschien heute wieder zu früh. [Lee kichert.] Ich war den ganzen Tag aufgeregt und freute mich auf unsere Sitzung.

Die letzte Sitzung hat bei mir Türen geöffnet. Und so spürte ich, dass ich mich zeigen kann und will.

Sechs Minuten zu früh klopfte ich an deine Praxistür. Das bekamst du nicht mit, weil du dich um 8 Minuten verspätetest. Als du dann schließlich kamst, nahm ich deine Unruhe war. Du wirktest angespannt.

Die Psychologie der LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt