Kapitel 21

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ICH machte mir nicht einmal die Mühe mich auch nur ansatzweise schön anzuziehen, sondern griff mir die erste schwarze Jeans, die mir in die Finger kam. Dazu warf ich ein graues Tanktop über, welches zu hundert Prozent Natasha gehörte und zog meine Lederjacke über. Erst als ich mich im Spiegel beäugte, bemerkte ich den glatten Schnitt am Oberschenkel im Stoff meiner Jeans. Überlegend fuhr ich mit meinem Finger über den schwarzen Stoff. Ich konnte mich nicht einmal mehr daran erinnern, was passiert war.

Vielleicht war es in meiner Fase, als ich nicht fassen konnte, dass ich meine Kräfte verloren hatte. Es war eine Zeit gefüllt mit Messerschnitten, die einfach nicht verheilen wollten und Feuer, welches wie nie zuvor meine Haut verbrannte.

Ich griff die Autoschlüssel und wanderte in den Wohnbereich, wo Steve mit dem Rücken zu mir auf dem Sofa saß. Nachrichten liefen vor ihm, doch war sein Kopf nach unten gerichtet. Ohne ihn vorzuwarnen, schlich ich so leise wie möglich auf ihn zu.

"Was geht ab?" Fragte ich und schlang meine Arme von hinten über seine Schultern. Er zuckte leicht zusammen, ehe ein erleichterter Atemzug seinen Mund verließ.

"Eins der Bücher lesen, dessen Ende du mir noch nicht verraten hast."

Ich legte mein Kinn auf seinem Kopf ab und drehte das Buch in seiner Hand, sodass ich das Cover sehen konnte. "Also-"

"Brook!"

Leise lachte ich und klopfte ihm beruhigend auf die Brust. "War nur Spaß." Er hob fragend meine Hand, weswegen die Schlüssel klimperten. "Ich geh aus", antwortete ich, auf die leise gestellte Frage. Ich schloss kurz meine Augen und seufzte, als ich meine Arme etwas fester um ihn schlang.

Sein Finger strich sanft über meine Hand. "Alles okay?"

"Ja", gab ich zurück. "Mir geht's gut." Mit einem Mal ließ ich von ihm ab und klopfte ihm auf die Schulter, ehe ich ihm einen kurzen Kuss gegen die Schläfe drückte. "Bye, Stevie."

Der Club zu dem ich fuhr, war wirklich nichts Besonderes. Normalerweise trieben sich dort nur trauernde New Yorker herum, die ihre Erlösung am Boden einer Flasche suchten. Das letzte Mal war ich vor einem Jahr dort gewesen, nun konnte ich mir vorstellen, dass sich dort statt trauernden, gebrochene Menschen befanden, die versuchten ihr Leben auf die Reihe zu bekommen. Sie würden es wohl auf diese Art und Weise nicht schaffen, dennoch war es einen Versuch wert.

Keine Sekunde nachdem ich den Club betrat, füllte die überaus laute Musik meine Ohren und trieb mich dazu weiter hineinzutreten. Der Türsteher beäugte mich nur kurz, doch schien er nicht wirklich interessiert daran, sich die Mühe zu machen, mich nach einem Ausweis zu fragen.

Zu meiner Überraschung sah es im Inneren aus, als sei nie etwas passiert. Die Menschen lachten, tanzten, tranken. Es sah aus, als verspürten sie wirkliche Freude. Trotzdem fühlte sich etwas komisch an. Instinktiv drehte ich mich um und ließ meinen Blick über die Menge schweifen. Es dauerte einen Moment, bis mir klar wurde, dass es nicht die Art von seltsam war, die ich vermutet hatte. Es war niemand mit einem Messer, um mich zu erledigen, niemand, der sich rächen wollte. Nur ein Kerl. Mit Augen, die mich nicht verlassen hatten, seit ich eingetreten war. Ich musterte ihn ebenso wie er mich. Mein Blick lag auf seinem kohlschwarzen Haar, das ungekämmt auf seinem Kopf hing, mit ein paar Strähnen, die ihm vor die Augen fielen. Er war ganz in Schwarz gekleidet – aber nicht mit allzu viel Aufwand. Einfach eine Jeans, ein schwarzes Hemd und eine schwarze Lederjacke. Als ich genauer hinsah, konnte ich ein seltsames Tattoo entdecken, das seinen Hals hinauflief.

Das Symbol sah so ähnlich aus, aber ich konnte es nicht platzieren, wo ich es zuvor gesehen hatte.

Bevor ich es noch länger in Frage stellen konnte, lächelte er. Ein strahlendes Lächeln, einladend. Er hob sein Glas und kippte es in meine Richtung, bevor er einen Schluck trank. Ich zögerte, doch ich bewegte mich in seine Richtung. Was auch immer passieren würde, ich konnte nur davon profitieren. Vielleicht würde er mir einen Drink spendieren und vielleicht würden wir etwas Spaß haben. Wer wusste das schon. Er war auf jeden Fall gutaussehend, soweit ich das beurteilen konnte. Und er hatte keine Gesellschaft. Das waren alle Zeichen, die ich in diesem Moment brauchte. Wenn er mir helfen wollte, für ein paar Augenblicke zu vergessen, warum nicht das Risiko eingehen.

𝐓𝐡𝐞 𝐃𝐫𝐚𝐢𝐧𝐞𝐝 𝐆𝐢𝐫𝐥 |𝟖| ᵃᵛᵉⁿᵍᵉʳˢWo Geschichten leben. Entdecke jetzt