"Wie lange dauert es noch?" fragte ich meinen Vater während ich hinaus in die Wälder schaute, welche an unserer Kutsche vorbeizogen. Was hätte ich jetzt alles dafür gegeben, durch sie hindurch zu reiten und einem Hirsch oder einem Wildschwein nachzujagen. Eine einfache Hetzjagd hätte mich jetzt auch schon vollkommen zufrieden gestellt.
"Nicht mehr lange, Alvara. Vielleicht hätte ich dich doch bei deiner Mutter lassen sollen, dann hättest du dich zumindest ein wenig in Geduld üben können." antwortete er mir und warf mir sogleich einen strengen Blick zu. Den Göttern sei Dank hatte er mich nicht bei meiner Mutter gelassen. Wie kam er auf die Idee, dass ich, als Göttin der Jagd, bei meiner Mutter besser aufgehoben wäre? Sie ist die Göttin der Blumen, Weiden und Heiden und so lieb ich sie auch hatte, das letzte was ich gewollt hätte, wäre noch länger meine Zeit mit Blumenketten und -girlanden zu verbringen. Anstelle mich um Rosen oder Lilien zu kümmern ritt ich auf der Jagd viel lieber durch sie hindurch. Das hatte schon zu einer Menge an Streitereien zuhause geführt, nicht zuletzt, da ich mir immer wieder anhören durfte, dass eine junge und wohlerzogene Göttin Tugenden zu besitzen hat, die außerhalb der Jagdgemeinschaft liegen. Ohh nein, dagegen war diese Reise mit meinem Vater um einiges angenehmer. Er ist der Gott der Schmiedekunst und wurde auf Odins Wunsch hin ins königliche Schloss geholt, damit er dort seiner Arbeit nachgehen kann.
Ich verdrehte kurz die Augen und wandte mich wieder dem Fenster zu. Wenigstens durfte ich mir ein paar meiner Habseligkeiten mitnehmen, wenngleich auch noch nicht klar war, wie lange wir am königlichen Hof bleiben würden. Ich hatte nur das nötigste an privaten Sachen mitgenommen, wozu unter anderem mein Bogen, mein Messer und mein Wolfshund Fenris zählte. Ohne ihn wäre ich nirgendwo hingegangen und, da mein Vater die Diskussion gewonnen hatte, ob ich tatsächlich einen Beschützer brauchte, lag er jetzt unter der Sitzbank unserer Kutsche und schlief. Ich hatte ewig mit meiner Mutter diskutiert ihn behalten zu dürfen, nachdem ich ihn während eines Ausflugs in den Wald als Welpen gefunden und mit nach Hause genommen hatte. Richtig gemocht hatte sie Fenris nie, doch sie akzeptierte die "schwarze Flohschleuder" viel besser, seitdem Fenris ihre Blumenbeete vor den trampelnden Wildschweinen beschützt hatte.
Der Wald, durch den wir fuhren neigte sich langsam dem Ende zu und man konnte bereits das große prunkvolle Schloss Asgards sehen, von dem jeder erzählte. Ich hatte schon so viel davon gehört, doch hatte es noch nie mit eigenen Augen gesehen. Wir lebten an einem anderen Ende des Reichs, was mir persönlich auch wesentlich besser gefiel, als das, was ich bisher von hier gesehen hatte. Wir fuhren durch den Torbogen und ich sah mich um. Prunkvoll, das Wort hätte es wohl am besten beschrieben was ich sah: Von gold-glänzenden Mauern über einen riesigen Pferdestall und den daran angrenzenden Trainingsplatz bis hin zur Waffenschmiede wirkte alles einfach nur gigantisch. Ich fühlte mich beinahe erdrückt von dem ganzen Prunk, als die Kutsche anhielt und mein Vater sich erhob um auszusteigen. Nachdem er ausgestiegen war hielt er mir die Hand hin, an welcher ich dann auch ausstieg. Gleichzeitig drängelte sich Fenris nach draußen und schien fürs erste genauso geplättet zu sein wie ich. Er wusste garnicht wo er zuerst hinschauen sollte, was mich zum schmunzeln brachte.
"Liebling, denke bitte daran, dass wir hier nur zu Gast sind." ermahnte mich mein Vater mit Blick auf meinen Wolfshund und ich seufzte kurz und nickte um ihn anzuleinen. Sowohl Fenris als auch ich hassten es, wenn er angeleint war, aber wir wollten Vater ja nicht schon am ersten Tag blamieren. Frühestens am dritten oder vierten.
Während unser Gepäck von der Kutsche abgeladen wurde und die Pferde getränkt wurden, führte uns eine Wache ins Schloss. Fenris jaulte kurz auf als er bemerkte, dass er angeleint war, doch mit einem kurzen "Psht!" machte ich ihm verständlich, dass er sich nicht mehr lange so zusammenreißen musste. Mein Vater und ich folgten der Wache weiter, die uns in Odins Thronsaal führte. Der Allvater saß voller Stolz auf dem Thron und Blickte auf meinen Vater und mich herab.
"Foseti, mein alter Freund" begrüßte Odin zuerst meinen Vater und stieg vom Thron herab um zu ihm zu kommen. "Odin, schön euch wiederzusehen" antwortete mein Vater und begrüßte den Herrscher mit einer Verbeugung. "Ich hoffe ihr hattet eine angenehme Reise." fragte Odin und nachdem mein Vater dies bejaht hatte, wandte er sich mir zu. "Seid gegrüßt, Alvara, Göttin der Jagd.". Ich knickste kurz einstudiert und erwiderte den Gruß, ehe Odin fortfuhr "Schön, dass wir uns wiedersehen, alter Freund. Und ich bin hocherfreut, dass du deine Tochter mitgebracht hast und ihr mir die Ehre erweist meine Gäste zu sein. Die Wachen werden euch eure Gemächer zeigen und beim Abendessen werde ich euch dem Rest meiner Familie vorstellen.". Nachdem mein Vater und Odin noch eine Weile hin und her über, meiner Meinung nach, völlig uninteressante Themen geredet hatten, verbeugten uns noch einmal und ließen uns von den Wachen in die Gemächer führen.
Hier befreite ich Fenris von seiner Leine und sah mich um. Es war mindestens genauso prunkvoll eingerichtet, wie der Rest des Palastes, doch hier war wenigstens nicht alles in Gold gehalten sondern eher in hellen Beige- und Weißtönen. Nachdem die Wachen mein Gepäck hierher gebracht hatten, packte ich mithilfe einer Magd des Schlosses meine Kleider aus, die mir meine Mutter eingepackt hatte und staunte nicht schlecht. Sie hatte lediglich 3 legere Freizeitkleider eingepackt, dafür aber mindestens ein Dutzend Ballkleider. Ich fragte mich, woher sie wohl diese Menge hatte und was sie sich bei der Farbauswahl gedacht hatte. Es gab einige schöne unter ihnen, aber auch einen Albtraum in rosa. Ich hielt mir das rosa Ballkleid vor den Körper und betrachtete mich im Spiegel. Unsicher, was ich davon halten sollte, lachte ich kurz freudlos auf und sah zu Fenris, welcher mich mit einer Mischung aus Missfallen und Unbehagen ansah. Ich verdrehte kurz die Augen und zog mir, nachdem die Magd gegangen war, eines der formellen Kleider an, welche meine Mutter glücklicherweise auch eingepackt hatte. Es war grün, was wesentlich besser zu mir passte, als der rosafarbene Albtraum von Ballkleid, und passte ausgezeichnet zu meinen blonden Haaren. Diese ließ ich offen, da ich mir dachte, dass es ja nur ein Abendessen und kein hochformeller Termin sei.
Wenige Zeit später holte mich mein Vater schon an der Tür meines Gemaches ab und sah mich fragend an, als er bemerkte, dass Fenris ebenso gerade aus der Tür gehen wollte. "Alvara, das ist ein Abendessen mit der königlichen Familie. Denkst du wirklich, dass Fenris da dabei sein sollte?" fragte er und zog eine Augenbraue nach oben. "Ja, Vater, genau das denke ich." antwortete ich trotzig und fügte hinzu "Er wird sich auch bestimmt benehmen, er hat heute aber auch noch nichts gegessen.". Mein Vater seufzte nur kurz, nickte und bot mir seinen Arm an. Ich hakte mich bei ihm unter und ging gemeinsam mit ihm und Fenris in den Thronsaal um den Rest von Odins Familie kennenzulernen und zu Abend zu essen.
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Gleich und gleich gesellt sich gern | Loki FF
FanfictionEs heißt ja bekanntermaßen "Gegensätze ziehen sich an". Dass das allerdings nicht immer der Fall sein muss, zeigt die Geschichte einer jungen Göttin, die mit ihren Vater an den asischen Königshof kommt. Alvara ist eine Asin und die Göttin der Jagd...