Prolog: Gefangen

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Tausend Sterne spiegelten sich in den Kristallen. Grüne Sterne der Seegeister, die in Form von spitzen Klingen von den Höhlenwänden herabhingen. Kataras Gefängnis war zu schön.

Sie war zu wütend, um diese Vollkommenheit zu bewundern. Katara hätte am liebsten einige von diesen Sternen zu Staub zerschlagen. Warum sollte sie auch nicht wütend sein? Sie hatten es endlich geschafft. Sie hatten Ba Sing Se verteidigt, die Verschwörung aufgedeckt und Appa gerettet. Die Hoffnung war von einem losen Traum Wirklichkeit geworden. Bis Azula kam. Katara hätte sich vor wenigen Wochen niemals erträumen können, dass es eine Person gab, die sie mehr verabscheute als Zuko.

Es war geschehen und jetzt saß sie hilflos in diesem Gefängnis des Erdkönigreiches fest. Ihre Freunde waren in der halben Welt verstreut, niemand wusste, dass sie hier war und sie konnte nur hoffen, dass Aang kam, um sie zu retten. Ihre einzige Wahl schien warten – hoffen - zu sein, sie musste einfach. Das schlimmste war: Katara wusste nicht mehr, ob sie diese Kraft besaß. Sie hatte immer fest daran geglaubt, dass der Avatar die Rettung der Welt sein würde. Jeden Tag war sie sich sicher gewesen. Es war ihr Anker gewesen, ihre Quelle der Stärke. Sie war versiegt. Ein erbärmliches Rinnsal, nicht vergleichbar mit dem reißenden Fluss, der Katara einst während jedes Kampfes durch den Körper gerauscht war. 

Sie war müde. Es war zu schmerzhaft, länger zu hoffen.  

Plötzlich hörte sie Schrammen und ein dumpfes Beben. Staub flog aus dem nach oben führenden Tunnel. Die Tür wurde geöffnet. 

Du hast Gesellschaft", bemerkte der Wärter hämisch und stieß eine Person den Erdtunnel zu ihr herab. Zusammen gesackt blieb die Gestalt vor ihr liegen, beinahe wie eine Puppe, deren Fäden getrennt waren. 

Es war ein Junge, vielleicht in ihrem Alter, dessen gesenktes Gesicht mit tintenschwarzen Haaren umrahmt waren. Er trug ein einfaches braunes Hanfu mit einer grünen Schärpe – wie jeder gewöhnlich Junge des Erdreiches.

Katara rieb sich die Augen von all dem Staub, sie hielt den Atem an.

Der Junge des Erdreiches hatte den Kopf gehoben, um eine rote Narbe auf seiner rechten Gesichtshälfte zu enthüllen –

Zuko?!"

Katara schritt instinktiv zurück. Sie konnte es einfach nicht glauben.

Warum haben sie dich hergebracht?" Das junge Mädchen konnte spüren, wie sie ihre Fäuste ballte. Nein, warte. Lass mich raten".

Zuko vermied es sie anzusehen, streckte seine Glieder und setzte sich auf die andere Seite der Grotte. Wie konnte er nur so ruhig bleiben? Fühlte er denn gar nichts?

Wenn Aang hier auftaucht, um mir zu helfen, schlägst du zu. Dann hast du ihn endlich in deinen kleinen Feuerkrallen".

Der Prinz sah von ihr weg, stur gerade aus.

Aus irgendeinem Grund feuerte es Kataras Zorn nur noch mehr an. Sie hatte ihn zu lange mit sich herum getragen. Zu lange hatte sie vor Zuko fliehen oder ihre Freunde vor ihm retten müssen. Wie konnte er es jetzt wagen, jetzt da sie ihn konfrontierte, aufhören zu kämpfen. Sie war es gewohnt gegen einen gehässigen, rasenden Zuko zu kämpfen. Warum jetzt? Warum musste er es so schwer machen?

Du bist ein schrecklicher Mensch, weißt du das?" Sie fuchtelte mit den Armen. Du verfolgst uns ständig, jagst den Avatar, wild entschlossen der Welt die letzte Hoffnung auf Frieden zu nehmen!"

Katar atmete ein. Aber was interessiert dich das?"

Sie drehte sich zu ihm. Du bist der Sohn des Feuerlords. Krieg, Hass und Gewalt zu verbreiten, liegt dir im Blut".

Du weißt gar nichts!" Zuko drehte sich um und da war er wieder. Der Funke in seinen Augen – der Funke des Zorns.

Ach, wirklich?", fauchte Katara zurück. Wie... kannst du es wagen! Du hast keine Ahnung, was dieser Krieg mir angetan hat". Sie schlug durch die Luft. Du weißt überhaupt nichts!"

Langsam fühlte sie wie die Wut, der Hass aus ihr heraus sickerte und als Tränenrinnsal in ihre geöffneten Handflächen tropfte. Alleine blieb nur noch die Traurigkeit, die so schal schmeckte, weil sie sie schon tausendmal gespürt hatte. ... Die Feuernation hat mir meine Mutter genommen".

Tränen tropften in ihren Schoß, als Katara auf dem Boden niederkniete. Es schüttelte ihre Brust, während ihre verletzliche Stimme in der kristallenen Höhle verhallte.

Ich schätzte, dass ist etwas, was wir beide gemeinsam haben". Zukos Stimme klang stockend in der Stille und doch... tröstlich.

Katara blickte verwundet auf. Ist das wahr?"

Zuko fuhr sich durch seine tintenschwarzen Haare, als er sich nachdenklich aufrichtete. Ich war noch ein Kind." Er sah gedankenverloren in die grünliche Spiegelung eines herabhängenden Kristalls. Es war die Nacht, in der mein Großvater starb. Meine Mutter kam in mein Zimmer und sagte mir, dass sie alles, was sie je getan hätte, getan hatte, um mich zu beschützten. Sie ging. Ich habe nie erfahren, was sie damit gemeint hatte. Denn am nächsten Tag wurde verkündet, sie sei tot".

Das... tut mir so leid". Katar sprich sich die Haare aus der Stirn, als sie aufstand. Ich wusste das nicht".

Ich habe es dir auch nie erzählt". Er wandte sich zu ihr.

Ja, hättest du das bei einem unserer Kämpfe gemacht, stündest du heute nicht hier".

Er schnaubt, doch Katara glaubte ein kleines Lächeln auf seinem Mundwinkel zu sehen. Tut mir leid, dass ich dich angeschrien habe". Sie faltete verlegen die Arme hinter ihrem Rücken. Es ist nur so... Solange schon, immer wenn ich mir das Gesicht des Feindes vorgestellt habe, ... war es deins".

Mein Gesicht...?" Er berührte mit den Fingern die verbrannte Haut seiner Narbe. Verstehe".

Nein, nein... So meinte ich das nicht".

Es ist okay". Er senkte den Kopf. Ich dachte immer, dass diese Narbe mich zeichnet. Für immer. Als den verstoßenen Prinz, der auf ewig verflucht sei, den Avatar zu jagen". Katara erkannte in diesem Moment zum ersten Mal, dass sie immer gedacht hatte, sie, Aang und Sokka wären die Getriebenen. Sie hatte falsch gelegen. Es war Zuko. Ich habe allerdings etwas gelernt. Ich bin frei, mein eigenes Schicksal zu bestimmen. Selbst wenn ich mich nie von dieser Narbe befreien kann".

... Vielleicht könntest du".

Was?" Er sah sie erstaunt an.

Ich habe Heilerfähigkeiten".

Das ist ein Narbe. Die kann nicht geheilt werden".

Katara spürte das Gewicht der filigranen Flasche, die sie aus ihrem Kleid zog. Das ist Wasser aus der Geisteroase des Nordpols. Es hat besondere Kräfte, deshalb habe ich es aufgehoben. Für etwas Wichtiges. Wie das hier. Ich weiß nicht ob es wirkt, aber..."

Zukos Blick beruhigte sie. Sie lehnte sich vor und legte die Hand auf seine glatte, rötlich gedehnte Haut. Diese Narbe...

Ihre Augen begegneten sich. Katara hatte noch nie so goldene Augen gesehen. Golden wie der erste Sonnenstrahl des Tages. Eine Schwere legte sich auf ihrer Brust.

Katara hielt die gekrümmte Flasche mit dem spirituellen Wasser in der anderen Hand, doch die war längst vergessen. Dies war besonders. Katara konnte jedes Detail von Zukos Gesicht vor sich erkennen. Dies war eine Ewigkeit, die zwischen ihnen stand.

Die Wand neben ihnen barst in tausend Stücke. Mit ihr ihre gemeinsam Ewigkeit.  

Ein verloren geglaubter TraumWo Geschichten leben. Entdecke jetzt