7. Kapitel: Rasend

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Katara spürte die Wärme wie eine liebevolle Berührung über ihre Haut streichen. Vor ihr stieg in Fahnen Wasserdampf aus dem Becken der heißen Quelle hinauf. Gedanken verloren bändigte sie das Wasser zu sprießenden Blumen und ließ es sich mit dem Dampf in einen eng umschlungenen Tanz verlieren. Toph hatte sie auf diesen Ort aufmerksam gemacht und Katara hatte bereits am ersten Tag ihre Neugier nicht herunter schlucken können. Heute war sie her gekommen, um nachzudenken. Das Wasser und seine ständig unruhigen Strömung lenkte sie von der Verwirrung in ihrem Herzen ab.

Sie seufzte. Trotz der Hitze lief ein Schauer über ihren Rücken. Katara schlang sich die Arme um die Schultern.

Schritte hallten den Gang zu ihr herab. Ihre Wasserblumen fielen platschend in sich zusammen, als Katara sich erschrocken umdrehte. Ihrem Echo folgend fiel ein Schatten auf die Tunnelwand, der sich später mit einer Gestalt füllte. Eine Flamme in der Hand haltend, die flackernd seine markanten Gesichtszüge beleuchtete, stand Zuko vor ihr.

Katara sprang alarmiert auf. „Was tust du hier?" Sie starrte ihn wütend an.

„Du hast mir gesagt, dass du heilen kannst..." Damals im Gefängnis. Der Gedanke hing, wie der schwere Wasserdampf zwischen ihnen.

„Wo bist du verletzt?" Katara sah ihm direkt in die Augen und nickte mit dem Kopf, dass der sich neben sie setzten sollte. Es störte Katara zuerst, dass sie selbst ihrem Feind keine Hilfe versagen konnte, bis sie Zukos Wunde sah. Der schwarzhaarige Junge hatte vor ihr seine Robe geöffnet. Unter dem roten Stoff entblößte sich geschwollene, violett bläuliche Haut, die sich über seinen sehnigen Körper spannte. Der Assassine.

Katara beugte sich hinab und schöpfte mit ihren bloßen Händen das warme Wasser aus dem Becken. Sie konzentrierte sich, während sich eine geschlossene Blase aus Wasser um ihre Hände bildete. Das heilende Wasser floss auf Zukos Schulter, als Katara ihre Handflächen auf seine Haut legte. Zuko zuckte nicht zurück, als die Hitze auf ihn einschlug. Sie beobachtete, wie seine Augen über die Decke und das Becken schweiften.

Katara wandte den Blick ab und fokussierte ihre Konzentration auf Zukos Wunde. Sie tauchte mit dem Wasser unter seine Haut, floss durch die Energiebahnen, löste die Stauungen und aktivierte die Knotenpunkte. Ihre Heilung fügte gerissene Sehnen und Stränge wieder zusammen, richtete Muskeln sowie Knochen und reinigte den Blutstrom.

Katara öffnete die Augen wieder. Zukos waren direkt auf sie gerichtet.

Die junge Wasserbändigerin rückte unwillkürlich ein Stück zur Seite. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass sie ihm so nahe gewesen war. „Deiner Quetschung müsste es jetzt besser gehen". Katara strich sich eine ihrer losen Haarsträhnen zurück.

„Danke". Zuko nickte ihr zu, während er seine Robe wieder anlegte. Katara lächelte kurz angebunden und wartete mit klopfendem Herzen, dass er ging.

Nichts regte sich.

„Es ist schön hier".

„Ja".

Zuko schien einfach nicht gehen zu wollen. Sah er denn nicht, dass sie allein sein wollte? Dass sie von allen Menschen auf der Welt von ihm am weitesten entfernt sein wollte.

Der Prinz wandte sich unwillkürlich zu ihr und seine grünen Augen trafen Katara unvorbereitet. „Warum hasst du mich so sehr?"

„Was?" Katara sah ihn erstaunt an.

„Das tust du doch, oder nicht?" Zukos Augen funkelten. „Von allen Menschen hier hattest du am meisten ein Problem mit mir".

„Ein Problem?". Katara lachte auf. „Weißt du, womit ich ein Problem habe? Mit Menschen die meine Freunde und mich angreifen, gefangen nehmen wollen und mit den selben Monstern zusammenarbeiten, die meine Mutter ermordet haben".

„Also hasst du mich..."

„Nein".

„Du benimmst dich aber so".

„Ach, wer würde das nicht?" Die junge Wasserbändigerin hob die Augenbrauen. „Wer würde jemanden nicht hassen, der ganze Dörfer, Tempel und Städte abfackeln wollte? Ich frage mich wirklich, ob deine Ehre so viele Leben wert ist... Oder sind Menschenleben, die nicht in der Feuernation geboren sind, es nicht wert?"

„Ich habe mich geändert!", warf er erhitzt zurück.

„Das habe ich einmal geglaubt!" Katara hob die Arme. Tränen schossen ihr in die Augen, doch sie war zu wütend, um sie wegzuwischen. „Ich habe dir sogar vertraut. Aber wenn ich mich recht erinnere, hast du mein Vertrauen in Ba Sing Se weggeworfen und mit Füßen getreten, als du ein besseres Angebot von deiner lieben Schwester erhalten hast. Aang wäre fast gestorben in dieser Nacht! Und das werde ich nie wieder zu lassen".

„Du hast keine Ahnung von Azula". Zuko schlug mit seiner Hand durch die Luft.

„Ich weiß, dass sie eine manipulative, brutale Schlampe ist", konterte sie.

Zuko hielt kurz inne, dann stahl sich ein Lächeln auf sein Gesicht. „Das hast du ziemlich auf den Punkt gebracht".

Katara prustete aus irgendeinem Grund los. „Jaah..." Sie sah kurz in die Leere, dann erinnerte sie sich wieder an die Löcher in ihrem Inneren, da wo sie den Phantomschmerz ihrer Gefühle verspürte. „Aber sie hat dich überzeugt..." Katara sah Zuko anklagend an. Vielleicht täuschte sie sich, vielleicht auch nicht, doch in diesem Moment sah sie so etwas wie echte Reue über sein Gesicht huschen. „Und weißt du, was? Du hast es vielleicht geschafft, dass jeder hier deine Veränderung glaubt. Aber du und ich wissen beide, dass du damit gekämpft hast, in der Vergangenheit das Richtige zu tun. Lass mich dir jetzt etwas sagen". Katara war selbst überrascht, wie ruhig ihre Stimme klang. Entgegen dem Sturm, der die Wellen in ihrem Inneren an die Klippe schlagen ließ. „Tust du ein Schritt zurück, eine Fehler". Sie hob den Finger. „Gib mir einen weiteren Grund zu glauben, dass du Aang verletzt, brauchst du dir keine Sorgen mehr um dein Schicksal zu machen. Weil ich sicher stellen werde, dein Schicksal auf der Stelle zu beenden. Für immer".

„Hör auf". Zukos Ruf hallte bedrohlich von den Wänden zurück. Katara wich zurück. Seine Hände zitterten. Anstelle von Wut stand nur Enttäuschung auf seinem Gesicht.

Er fuhr sich durch die Haare und blickte sie schnell wieder an. „Ich habe nicht mein Erbe, meinen Ruf und den Schutz meines Vaters geopfert, um jetzt das aufzugeben, was ich für richtig erachte. Ich habe nicht unnötig dem Feuerlord getrotzt und gegen den Assassinen gekämpft, um von dir von meinem Versprechen abgehalten zu werden. Ich werde helfen diesen Krieg zu beenden, auch ohne dein Vertrauen".

Katara verschlug es den Atem. Diese Verletzlichkeit hätten sie fast dazu gebracht ihre Worte zurückzunehmen... Was meinte er für ein Versprechen?

Sie biss sie auf die Lippen und sah Zuko wieder ins Gesicht. „Ich wünschte wirklich, ich könnte dir glauben..." Die Traurigkeit konnte Katara nicht aus ihrer Stimme verbannen.

„Dann tu's doch!" Er trat auf sie zu.

„Ich kann nicht!" Sie sah ihm entschlossen entgegen.

„Warum nicht?" Er hob die Arme. „Wann wirst du mir jemals vertrauen können?"

„Wie sollte ich, wenn du mir kein Anlass dazu gibst?"

„Keinen Anlass?" Er schnaubte und die Luft fuhr über Kataras Gesicht. „Was soll ich denn noch tun? Soll ich sterben, wie du es vorhin wolltest?"

„Nein!"

„Was willst du dann? Du bist viel zu kompliziert".

„Kompliziert? Ich..."

Zuko begegneten mit seinen sprühenden, waldgrünen Augen den ihren. Sie sah nichts Anderes mehr. Sie ertrank in ihnen. Von einem Moment auf den anderen war der letzte Abstand zwischen ihnen nichts weiter als zwei rasende Herzen, die gegen einander schlugen. Da war nichts Anderes mehr als Zukos heißer Atem, seine sehnige Brust an, die sich an ihre drückte, und seinen Lippen... Katara vergaß alles. Ihre Freunde, warum sie hier war, sogar ihren Namen. Die grausame Welt, die Kataras Schicksal bisher fest in ihren Krallen gepackt hatte, schrumpfte. Sie schrumpfte, bis es nur noch Zuko und sie gab. Es gab nur noch sie beide. Es zählte nichts, als dieser Moment.

Katara spürte, wie die Ewigkeit des Gefängnis zu ihr zurück kam. Und sie tat das, was sie getan hätte, wenn Aang nicht hereingekommen wäre. Sie küsste Zuko.  

Ein verloren geglaubter TraumWo Geschichten leben. Entdecke jetzt