6. Kapitel: Angelangt

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Zukos Arme schmerzten. Mit seinen Händen verzweifelt an einer Wurzel gekrallt hing er unter der Kante. Sein ganzer Körper schrie vor Panik und Hysterie, sodass er sein Blut in den Ohren rauschen hörte. Jede verdammte Sekunde war ihm bewusst, dass ein gähnender Abgrund sich unter ihm auftat. Ein weit aufgerissener Mund, dessen nebeliger Atem in Zukos Nacken kroch. Der nur darauf wartete, dass seine zarte, kleine Beute in seinen Rachen fiel.

Zuko spürte seine verkrampften Finger nicht mehr, als er die Erschütterung der Explosion vernahm. Es schüttelte ihn am ganzen Körper. Konnte das... ? Nein, er musste sich vergewissern.

Mit einem neuen, unerwarteten Kraftschub zog Zuko sich hoch. Mit jedem Zug seiner Arme spürte er das Feuer in sich. An der scharfen Kante angelangt drückte er sich mit seinen zitternden, schwitzenden Händen hinauf, bis sein Schwerpunkt über dem Stein lag. Erschöpft ließ er sich nach vorne sinken und zog seine Beine nach. Immer noch zitternd richtete er sich auf und sah die Verwüstung der Explosion. Nichts war von dem Assassinen weit und breit zu sehen, bis auf ein Büschel verbrannter Haare, das zu Boden schwebte.

Zuko seufzte erleichter auf. Sie hatten es geschafft. Lächelnd sah Zuko zum eingefallenen Plateau hinab und den Freunden, die gemeinsam jubelten. Ob es die Euphorie oder ein plötzlich gefundener Mut war, wusste Zuko nicht, doch er war fest entschlossen, hinunter zu gehen und zu reden. Der Prinz würde sich seiner Schuld stellen.


Aang trat nervös vor die Gruppe. Zuko erinnerte die ganze Szenerie schrecklich an seinen ersten Versuch, genau hier an Ort und Stelle, nur dass das Plateau beschädigt und alle etwas mitgenommener aussahen. „Ich kann es nicht glauben, dass ich das sage, aber". Der Junge mit dem Pfeiltattoo lächelte matt. „Danke, Zuko".

Sokka richtete sich empört hinter ihm auf. „Und was ist mit mir?" Er wedelte mit den Armen. „Ich habe den Bumerang geworfen".

Zuko verzog leicht den Mund, dann begann er zu sprechen. Er hätte das viel eher tun sollen. „Hört zu". Der verstoßene Prinz trat einen Schritt vor. „Ich weiß, dass ich mich gestern nicht sehr gut erklärt habe. Ich bin durch viel durchgegangen in den letzten Jahren und es war nicht einfach. Aber ich habe bemerkt, dass ich durch diese Dinge gehen musste, um die Wahrheit zu erfahren. Ich dachte, ich hätte meine Ehre verloren und dass mein Vater sie mir irgendwie wiedergeben könnte. Aber ich weiß jetzt, dass niemand das kann". Zuko spürte wie sein Herz anfing zu schlagen, doch es störte ihn nicht. „Es ist etwas, das du verdienst, in dem du dich für das Richtige entscheidest. Alles, was ich jetzt will, ist, meine Rolle zu spielen, um diesen Krieg zu beenden. Ich weiß, dass es mein Schicksal ist, dir zu helfen". Er begegnete Aangs Blick. „Das Gleichgewicht in dieser Welt wiederherzustellen. Es tut mir leid, was ich dir angetan habe". Er wandte sich an Toph und faltete die Hände vor seiner Brust, während er sich zur Verbeugung vor lehnte. „Es war ein Unfall. Feuer kann gefährlich und wild sein. Deshalb muss ich als Feuerbändiger vorsichtiger sein und meine Fähigkeiten kontrollieren, sodass ich keine Menschen versehentlich verletze".

Aang nickte und trat vor. „Ich denke, dass du mein Lehrer für Feurbändigen sein sollst. Als ich das erste Mal versucht habe, Feuerbändigen zu lernen, habe ich Katara verbrannt". Zuko blickte sie an und erkannte die schmerzliche Erinnerung, in ihren eisblauen Augen schimmern. Fürchtete sie sich vor Feuer bändigen? Nicht vor ihm... „Danach wollte ich es nie wieder tun", fuhr Aang fort. „Jetzt weiß ich, dass du verstehst, wie einfach es ist, die Menschen zu verletzten, die man liebt". Er verbeugte sich. „Ich würde mich geehrt fühlen, wenn du es mich lehrst".

„Danke". Zuko tat es ihm nach und verbeugte sich. Die Brust tausendmal leichter als zuvor richtete Zuko sich auf. „Ich bin so froh, dass ihr mich in eurer Gruppe akzeptiert".

„Nicht so schnell". Aang hob die Hand. „Ich muss erst fragen, ob meine Freunde einverstanden sind". Der junge Luftbändiger wandte sich an Toph, die hinter ihm auf einem Stein saß. „Toph, du bist diejenige, die Zuko verbrannt hat. Was denkst du?"

„Macht schon und nehmt ihn auf". Sie grinste. „Es wird mir genügend Zeit verschaffen, um es ihm für meine Füße heimzuzahlen". Das schwarzhaarige Mädchen schlug grimmig ihre Hände vor der Brust zu Faust zusammen.

Aang sah fragend Sokka an. „Hey". Der Junge des südlichen Wasserstamms hob die Hände über die Schultern. „Alles, was ich will, ist, den Feuerlord zu besiegen. Wenn du denkst, dass das der Weg ist... Dann bin ich dabei".

„Katara?" Aang schritt auf sie zu.

Sie hob den Kopf und sah Zuko direkt in die Augen. Er schluckte und spürte wie Schweiß seine Schläfe herablief. Der Moment zwischen ihnen zog sich, wie ein Origamidrache, in dem Zuko die Luft anhielt und Katara ihn mit ihrem eiskalten Blick durchbohrte. Warum hasste sie ihn so sehr? „Ich bin dabei, was auch immer du denkst, richtig ist". 

Ihre Stimme klang zuckersüß. 

Ein verloren geglaubter TraumWo Geschichten leben. Entdecke jetzt