5. Kapitel: Gefallen

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Katara griff konzentriert ins Brunnenwasser. Die Muskeln, Sehnen und Knochen von Tophs verbranntem Fuß fühlte sie unter ihren Händen und hörte wie pure Energie neben den Blutbahnen rauschte. Sie fühlte die heilende Wasserbändigung, die sie zu den Knotenpunkten lenkte. Sie fühlte sinnbildlich die Zukos Zerstörung. Dieser Prinz verletzte. Gewissenlos peitschte er über die Menschen hinweg, die Katara liebte... ließ sie am Boden liegend zurück.

Katara nickte grimmig. Hoffentlich war Toph diese Verbrennung Beweis genug, dass Zuko ein grausamer Mensch war. Aber es war natürlich nur ein Unfall gewesen...

Urplötzlich hallte ein ohrenbetäubender Lärm in Kataras Ohren wieder. Ein Krach, eine Explosion. Stein, Schutt und Staub flog durch die Luft. Instinktiv riss Katara Toph vom Brunnenrand herunter und kroch mit ihr im Schlepptau in Deckung. Sie konnte die fliegenden Steine nicht sehen!

Die junge Wasserbändigerin schaute besorgt in die Luft. Durch das gesprengte Kuppeldach über ihr konnte sie sehen, wie auf einem gegenüberliegenden Gebäude ein roter Blitz aufleuchtete und auf sie zuflog. „In Deckung", schrie Katara aus vollem Hals und grub das Gesicht in ihr Kleid. Der Aufprall ließ das gesamte Plateau erzittern. Hinter ihr krachte ein Stück Decke herab.

„Danke, Katara", rief Sokka hinter einer Säule zusammen gekauert. „Wir wären ohne dich nie darauf gekommen".

„Ja, du hast unser Leben gerettet". Toph grinste neben ihr.

„Du musst dich gerade beschweren", zischte sie zurück.

„Sechs zu zwei, Katara". Sie schlug den Staub von ihren Kleidern. „Du stehst noch weeeit in meiner Schuld."

„Schhhh". Aang wedelte mit den Armen und deutete auf das gegenüberliegende Haus. „Ist das... ?"

„Verbrennungsmann!" Sokka schlug theatralisch die Arme über dem Kopf zusammen.

Es stimmte. Die hoch aufragende Gestalt, breit wie ein Bulle, stand mit rot funkelndem Stirntattoo auf der gegenüberliegenden Plattform. Der Assassine war im Begriff zum nächsten Schlag auszuholen, als eine rot schwarz gekleidete Gestalt akrobatisch vor ihn sprang. Katara blinzelte. Es war Zuko.


„Stopp". Zuko stellte sich entschlossen vor den Auftragsmörder. „Ich will nicht mehr, dass du den Avatar jagst. Die Mission ist abgesagt". Er versuchte seine Stimme gebieterisch klingen zu lassen. Sie zitterte. Wo war sein Zorn geblieben? „Ich befehle dir aufzuhören!"

Sein Gegenüber reagierte nicht. Er hatte nicht einmal geblinzelt. Sein drittes Auge dagegen begann gefährlich zu glühen und bevor Zuko es verhindern konnte, zielte ein weiterer roter Blitz auf den Lagerplatz der Gruppe hinab. Jahrhunderte alter Stein barst und Brunnenwasser spritzte in die Luft.

Ohne nachzudenken griff Zuko an. Er fühlte seinen Körper die vertrauten Bewegungen ausführen, angespornt von seiner Wut und Angst. Sein Feueratem blühte. Mit einem letzten Fußtritt griff Zuko an, doch in der Luft traf ihn eine eiserne Faust in die Seite. Er wurde zurück geschleudert. Instinktiv rollte Zuko sich ab. „Wenn du weitermachst, werde ich dich nicht bezahlen", keuchte er wütend.

Ein Sprung, ein Flammenstoß, ein Schlag in die Rippen. Zuko lag wieder am Boden. Er blickte zu dem Mann auf. Wie eine Maschine... 

„Okay, ich zahle dir das Doppelte, damit du aufhörst".

Keine Reaktion.

Wütender aus jemals zuvor nahm der Prinz Anlauf. Er rannte, täuschte ein Manöver an. Der Assassine sah es voraus und blockte seinen Schlag. Verbissen antwortete Zuko mit Feuer, immer wieder, doch er wurde zurückgedrängt. Ein Schlag. Er duckte sich, holte zum Gegenangriff aus und wurde nach hinten gestoßen. 

Zuko stürzte zurück. Seine Arme ruderten in der Luft. Seine Füße suchten nach Boden, wo keiner mehr war. Der kurze, grausame Moment der Erkenntnis, war später das Einzige, an das Zuko sich erinnern würde. Eine kurze Ewigkeit, in der er in der Luft schwebte, die Füße ausgestreckt, und sich seine beängstigende Hilflosigkeit eingestand. 

Zuko fiel. In die bodenlose Leere.


Die rote Gestalt wurde hinab gestoßen. Etwas Dumpfes, Schweres schien plötzlich auf ihre Brust zu fallen. Angst? Schuld?

Der Verbrennungsmann richtete sich auf. Bevor Katara irgendetwas denken konnte, riss sie fast ein Windstoß mit, der ihre schwarzen Haare tanzen ließ. Aang bändigte neben ihr einen riesigen Wirbelsturm und schoss ihn mit aller Kraft auf die andere Seite. Das Gebilde aus Strudel förmiger, zerreißender Luft und Wolken zirkulierte rasend auf ihren Gegner der Feuernation entgegen. Der Assassine warf sich in letzter Sekunde zur Seite und sein rotes Auge begann erneut zu glühen.

Die nächste Explosion zerstückelte die Säulen vor Aang und Sokka. Ihre Freunde sprangen hastig zur Seite, während Katara sich energisch auf das verschüttete Wasser vor sich konzentrierte. Ihre Arme wurden ein Teil der Strömung, die mit donnernder Gewalt nach vorne stieß. An ihrem höchsten Punkt bäumte die Welle sich auf und mit Kataras klaren Gedanken gefror sie, wie eine Schlange, die vor dem Kopfstoß inne hielt. Die Bewegungen der jungen Bändigerin wurden schlagartiger, woraufhin sich scharfe, zischende Eissplitter lösten, die wie Dolche auf den Verbrennungsmann zu schossen.

Mit einer einzigen Bewegung ließ er sie mit einem Feuerwall schmelzen. Der Gegenangriff ließ das komplette Plateau erschüttern und Katara wich knapp einem herunterfallenden Stein aus. Erleichtert erkannte sie, dass es ihren Freunden gut ging.

„Er wird diesen ganzen Platz von der Klippe schießen!", rief Toph. Sie rappelte sich auf und folgte Sokka, der Deckung hinter der nächsten Ecke gefunden hatte. Katara folgte ihr und Aang zog sie schnell heran, bevor die Explosion sie mitriss.

Minuten verstrichen und jeder weitere Schuss, ließ die Wand hinter ihnen beben. Es war furchtbar.

Katara biss sich wütend auf die Lippen. „Ich kann nicht vorgehen und Wasser bändigen, ohne dass ich in die Luft gesprengt werde!" Sie sah frustriert in die Gesichter ihrer Freunde. „Ich kann einfach keinen guten Winkel von hier zu ihm bekommen".

Sokkas Augen leuchteten plötzlich auf. „Ich weiß, wie ich einen guten Winkel zu ihm bekomme!". Er hielt seinen Bumerang hoch. Sie nickte ihrem Bruder zu. Das könnte wirklich funktionieren.

„Okay, Kumpel". Sokka hob angespannt seine Waffe hoch. „Verfehl jetzt nicht für mich".

Das raspelnde Geräusch, wie der Bumerang die Luft mit seiner scharfen Klinge durchtrennte, hatte nie so schwer in der Luft gehangen. Niemals, seit ihrer Kindheit hatte Katara so angsterfüllt gelauscht. Viel zu lange. Hatte er verfehlt?

Ein dröhnender Krach schlug auf ihre Trommelfelder. Fassungslos sah Katara um die Ecke. Dort, wo der Verbrennungsmann gestanden hatte, lag die Plattform in Schutt und Asche. Sokkas Bumerang stecke spitz auf seiner Stirn. Sein rotes Auge gespalten. 

Ein verloren geglaubter TraumWo Geschichten leben. Entdecke jetzt