11. Kapitel: Misstraut

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Blätter und heißes Wasser – der Geruch stieg Zuko in die Nase, als er den Tee in die Becher goss. Die Bewegung war vertraut. Ohne es verhindern zu können, schossen Bilder von Ba Sing Se in seinen Kopf. Von dem Teeladen, den sein Onkel und Zuko zusammen geführt hatten.

„Niemand kann kann so gut Tee kochen, wie mein Onkel, aber hoffentlich habe ich ein, zwei Dinge gelernt". Zuko nahm das Tablett auf den Arm, während er aufstand. „Wollt ihr seinen Lieblingsteewitz hören?"

„Klar, ich mag Witze", lächelte Aang ihn an.

„Lass hören". Toph lehnte sich zurück.

„Also, ich weiß nicht mehr wie es anfängt, aber die Pointe ist:" Er schaute die Gruppe an. „Nicht schieben, der muss noch ziehen".

Stille. Alle starrten ihn über das flackernde Feuer hinweg an. „Naja, es ist lustiger, wenn Onkel es erzählt". Ein allzu bekanntes Gefühl von Beengung auf der Brust, als würde etwas Schweres, ihm die Luft aus dem Körper drücken, durchfuhr ihn. Die Angst, nicht akzeptiert zu werden.

Zuko lief hinüber und bückte sich, um Aang und Katara ihren Tee zu bringen.

„Vielleicht, weil er sich an alles erinnert". Sie sah zu ihm auf.

Um sie herum brach Gelächter aus und Zuko konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.

„Es ist nett, sich mal zu entspannen". Toph wärmte ihre Hände an der warmen Keramik. „Passiert ja kaum".

Zuko nickte und stellte sein Tablett zu Boden. Die Schattenfinger der Flammen tanzten über jedes Gesicht und als Zuko gerade dabei war, sich zu setzen, wandte sich Sokka zu ihm.

„Hey, kann ich kurz mit dir sprechen?"

Er nickte. Zusammen standen sie auf und liefen hinter den Schatten einiger Säulen, während die atemberaubende Sicht auf die nächtliche Schlucht sich vor ihnen ausbreitete.

„Was ist los?"

„Wenn jemand von der Feuernation gefangen wurde". Sokka drehte sich zu ihm um. „Wohin würden sie gebracht werden?"

„Wie meinst du das? Wer wurde gefangen genommen?" Hinter Sokka begann der Mond blass hinter den Wolken hervor zu scheinen.

„Als der Invasionsplan scheiterte, wurden einige unserer Truppen genommen". Der Junge des südlichen Wasserstammes zog die Brauen zusammen. „Ich will einfach wissen, wo sie vielleicht sein könnten".

„Das kann ich dir nicht sagen". 

Zuko sah Sokkas Gesichtszüge entgleisen. „Was? Warum nicht?"

„Vertrau mir". Die silbrigen Finger des Mondes tasteten sich nach vorne, bis sie als gleißend, helle Lichtstrahlen, die tiefe Dunkelheit durchschnitten. „Wenn du es weißt, fühlst du dich nur noch schlechter".

Zuko wandte sich ab. Er konnte bereits das warme Flackern des Lagerfeuers erkennen, als eine Hand ihn an der Schulter fest hielt.

„Es ist mein Vater". Seine Wort trafen genau in die Leere von Zukos Herzen, wo die Liebe einer Familie sein sollte. „Er wurde ebenfalls gefangen genommen. Ich muss wissen, was ich ihm angetan habe".

„Das ist nicht gut für dich, Sokka".

„Bitte". Das Mondlicht ließ ihn bleich, wie die Züge eines Toten, aussehen. Seine Augen glitzerten.

Zuko nickte langsam. „Meine Vermutung ist: Sie sind beim Brodelnden Fels".

„Was ist das?"

„Das am stärksten bewachte Sicherheitsgefängnis der Feuernation. Es liegt auf einer Insel in mitten eines kochenden Sees. Niemand ist es je gelungen auszubrechen". Wie silberne Fäden in der Luft schwebend, tastete sich das Licht vorwärts, bis - stechend und kalt – sich der Mond hinter den Wolken enthüllte.

„Wo ist dieser Ort?" Sokkas Gestalt wurde von gleißend hellen Strahlen umrahmt.

„Warum musst du das wissen?" Zuko zog seine Augenbrauen zusammen. „Was planst du?"

„Nichts", zog er das Wort in die Länge und lachte. Sokka sah zu ihm auf und zog die Stirn kraus. „Junge, du bist so paranoid".

„Es liegt inmitten eins Vulkans zwischen dem Tempel und der Feuernation. Ihr seid sogar auf eurem Weg hier her daran vorbei geflogen".

„Danke, Zuko". Der junge Krieger gähnte und streckte seine Arme in die Höhe. „Ich fühle mich einfach besser, wenn ich es weiß".

„Jaah". Zuko verschränkte die Arme, während Sokka an ihm vorbei lief. „Sicher tust du das".

Ohne ein weiteres Wort folgte Zuko ihm.


Die frische Nachtluft trug ein Blatt herein. Es tänzelte zwischen silbernen Mondstrahlen und kam Kreise ziehend auf dem Boden von Zukos Zimmer zur Ruhe. Der gebrannt markte Prinz beobachtete es, während die rauschenden Nachtgesänge ihn nicht einschlafen ließen. Stöhnend stützte Zuko sich auf und lief mit kalten Füßen über den vom Mondlicht gescheckten Stein zum Fenster. In die indigoblaue Dunkelheit starrend, stützte er sich mit beiden Ellenbogen auf dem hölzernen Fensterbrett ab. Die Sterne schienen hell. Kalt.

Ja, Zuko konnte nicht schlafen. Er wünschte dieser Frieden, den er vor sich sah, würde auch in seinem Inneren herrschen. Zuko seufzte und fuhr sich mit den Händen über das Gesicht, um wieder in den sternenklaren Himmel zu schauen.

Er war einfach nur verwirrt. So sehr, dass er das Gefühl hatte, sein Kopf würde brummen wie ein Flammenbienenstock. Ob es ein gutes Gefühl war oder nicht, war er sich noch nicht sicher. Aber eines wusste er: Es war Katara. Sie schien niemals mehr seinen Kopf zu verlassen. Dieses Bild von ihr mit den wilden schwarzen Haaren, die um sie herum wirbelten, und diesem Lächeln... Es schien nie zu erloschen.

Katara hatte ein sehr schönes Lächeln. So warm und fröhlich, dass es ihr ganzes Gesicht aufglühen ließ, wie die Sonne. Sie, ihr ganzer Körper, hatte geleuchtet, nachdem sie Zuko von ihrem Kampf weggetragen hatte. Er würde das nie wieder vergessen. Für einen kurzen Moment hatte Katara nur für ihn geschienen. Ihn allein. 

Dummkopf. Sie verabscheute ihn. Was würde sie jemals mit einem wie ihm wollen?

Komm mir nie wieder zu nahe. Sehr eindeutig. Sie hatte sogar gedroht, ihn zu töten, wenn er Aang etwas antat. 

Warum schaute sie ihn dann so verstohlen an? Katara glaubte, dass er es nicht wusste, doch wenn sie wegsah, schaute er hin. Er beobachtete, wenn sie sprach, wie sie unauffällig ihre Haare zurück strich und unwillkürlich lächelte.

Bildete er sich das alles nur ein? Hatte er sich diesen Nachmittag nur eingebildet?

Zuko verstand sie nicht. Wie sollte er auch? Zuerst schrie sie ihn an, dann küsste sie ihn, um ihn wieder anzuschreien?

Es war einfach zu viel, das aufkam, wenn er sie sah. Zu viele Schmetterlinge, zu viele Bauchschmerzen, zu viele Fragezeichen. Einfach zu viel.

Warum konnte er sich dann nicht von ihr entfernen?

Zuko seufzte und nahm die Hände vors Gesicht.

Er konnte und wollte, sich nicht von Katara entfernen. Vielleicht war er verzweifelt, verwirrt oder zu anhänglich. Vielleicht hatte dieses Mädchen ihn in der Hand. Doch konnte er sich nicht vorstellen, von ihr getrennt zu sein. Genauso abwegig, wie er eines seiner Beine aufgeben würde.

Zuko hörte leise Schritte. Unwillkürlich schrak Zuko vom Fensterbrett hoch und horchte, wie die Schritte an seiner Zimmertür passierten.

Ohne erklären zu können, was er tat, sprang Zuko auf. Leise schlich er zur Tür und öffnete gerade rechtzeitig, um zwei nackte Füße im Dunkeln verschwinden zu sehen. Zukos Augen wanderten hinauf. Die silbrig umrissene Silhouette von Katara blieb auf dem Absatz stehen.

„Bleibst du ewig dort stehen?" 

Ein verloren geglaubter TraumWo Geschichten leben. Entdecke jetzt