20. Kapitel: Blutend

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Katara fühlte sich leer. Ausgehöhlt. Sie wünschte, sie könnte ihre Gefühle in dem Ozean ertränken, wie ihre Tränen. Die Wassermassen breiteten sich vor ihr aus und Katara spürte die Bewegungen, die Strömungen in der Ferne ihres Bewusstsein, wie die Wellen, die an den grünen Pfeilern des Stegs leckten. Sie spielten um ihre Füße, während die alten Holzplatten des Piers gegen ihre Beine drückten.

Vor Katara versank die Sonne. Die letzten Strahlen streckten sich aus dem Wasser, wie ein Ertrinkender, der um Hilfe rief, während das Licht wie Blut über den Horizont strömte und in den schäumenden Wellen spielte.

Katara war so schnell wie möglich vor Zuko geflüchtet. Sich dies einzugestehen, ließ es noch arm seeliger klingen. Sie hatte es nicht mehr ausgehalten. Sie hatte seine Anwesenheit nicht mehr ertragen können und mit jeder einzelnen Faser ihres Körpers gehofft von Appa herunter zu kommen, bis sie atmen konnte.

Hier konnte sie atmen. Tief und frei.

Zögerlich tippte eine Hand auf Kataras Schulter. Sie drehte sich um und Aang lächelte sie an.

„Geht es dir gut?". Der junge Luftbändiger setzte sich neben sie und beobachtete mit ihr das Spiel der Wellen.

„Ja". Die Sonne versank, das schummrige Zwielicht zurück lassend.

Sie schwiegen.

„Ich wollte all meine Wut an ihm auslassen". Katara schüttelte den Kopf. „Aber ich konnte nicht".

Aang lächelte. „Ich bin stolz auf dich".

„Ich weiß nicht, ob ich zu schwach war, es zu tun oder stark genug war, es nicht zu tun". Sie selbst hörte, wie verzweifelt ihre Stimme klang.

„Du hast das Richtige getan". Er sah sie bedeutsam an. „Vergebung ist der erste Schritt, den du begehen musst, um die Heilung zu beginnen".

„Aber ich habe ihm nicht vergeben". Katara spürte, wie sehr es schmerzte diese Wahrheit auszusprechen. Als hätte diese Reise nichts weiter als Verwirrung und Schmerz verursacht... 

„Ich hasse ihn noch immer und ich glaube, daran wird sich nicht viel ändern. Vielleicht kann ich lernen damit zu leben, dass er existiert... und loslassen". Die junge Wasserbändigerin zuckte mit den Schultern.

„Darüber bin ich mir ziemlich sicher". Aang lächelte.

„Danke, großer Guru".

Sie lachten und für einen Moment fühlte Katara sich leicht, als würde der freie Atem für immer weilen. Doch wenn sie eins über Schmerzen gelernt hatte, dann war es, dass sie zurück krochen, wie Schatten bei Nacht, die dich in jenen Momenten urplötzlich erfassen, an denen du sie am wenigsten erwartet hättest.

„Aang..." Katara räusperte sich. Sie hatte so etwas noch nie gemacht... „Ich... Zuko hat mir erzählt, was du ihm erzählt hast. Kurz vor unserem Aufbruch".

Das Lächeln auf Aangs Gesicht verschwand.

„Es... es tut mir furchtbar leid", stotterte sie. „Aber ich fühle nicht auf die selbe Art wie du. Ich..." Ihre Stimme versagte.

„Du liebst mich nicht", sagte er tonlos. Es zerbrach Katara das Herz, wie er in sich zusammen schrumpfte.

„Ich liebe dich an, Aang... nur als Freunde", sagte sie zaghaft. „Es tut mir leid. Ich dachte, du wüsstest das".

„Nein, ich habe immer noch auf deine Antwort seit der Sonnenfinsternis gewartet". Aang seufzte. „Aber warum jetzt?"

Katara senkte den Blick. Vermutlich war es keine gute Idee, Zuko zu erwähnen... Egal, was für ein Idiot er war.

„Warum?" Das Gesicht des Avatars sah schmerzhaft verzerrt aus, als sie den Blick hob.

„Es ist wegen Zuko". Sie zögerte. „Ich liebe ihn und wir haben uns gestritten, weil er dachte, du und ich wären zusammen oder etwas in der Art".

„Das..." Aang schüttelte den Kopf, während eine Träne seine Wange herunter kullerte. „... hätte ich nie erwartet".

„Das hätte ich auch nie". Katara seufzte.

Stille.

„Es tut mir -"

„Nein, mir tut es leid", unterbrach sie Aang.

„Ihr habt euch wegen mir gestritten".

„Das hätten wir so oder so getan", lachte Katara bitter.

„Das lässt mich zumindest ein Bisschen besser fühlen". Der junge Luftbändiger lächelte schwach. „Dass ihr nicht glücklich seid".

Sie zuckte mit den Schultern. „Wir sind einfach chaotisch".

Aang richtete sich langsam auf und wischte sich die Tränen aus den Augen. Er lächelte schief. „Wie bekommen wir das wieder hin?"

Katara sah ihn verwundert an, dann lächelte sie und begann. Dass Aang so reagierte bedeutete ihr mehr, als sie in Worte fassen konnte. Er war ihr bester Freund. 

„Wir haben uns geküsst, einmal in den heißen Quellen des Lufttempels. Dann habe ich ihn stehen gelassen, weil er eine Freundin in der Feuernation hatte oder immer noch hat". Der Gedanke an Mai gab ihr wieder einen Stich, doch er war sanfter. Vielleicht konnte sie doch vergeben... „Danach haben wie nicht mit einander gesprochen, haben es allerdings geschafft Freunde zu werden. Bis Zuko heute mir vorgeworfen hat, mit dir zusammen zu sein. Er war eifersüchtig und aus Verzweiflung habe ich, ihm gestanden, dass ich Gefühle für ihn hatte, aber es aufgegeben habe".

„Stimmt das?" Aang sah sie an und es war der Blick, der ihr verriet, wie gut er sie kannte.

Langsam schüttelte Katara den Kopf.

Sie hatte es so lange zurück gehalten, sich selbst verleugnet und verrückt gemacht, um eine tiefe Wahrheit, die sie seit ihrer gemeinsamen Ewigkeit gespürt hatte. Ob sie wollte oder nicht, sie liebte Zuko...

„Sag ihm das!" Aang sah sie streng an.

„Ich..." Katara wollte ansetzten, doch sie wusste selbst, dass ihre Einwände kindisch klangen. „Danke, Aang".

Sie würde nie erfahren, wie er fühlte, wenn sie ihn nicht fragte oder vorher ihm ihre Gefühle gestand. Es gab keine Versicherung. Es gab nichts, das sie im freien Fall aufhielt. Doch Katara wusste, diese Möglichkeit verstreichen zu lassen, würde sie ihr Leben lang bereuen. 

Ein verloren geglaubter TraumWo Geschichten leben. Entdecke jetzt