Legenden

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Trotz Toms Protesten, sie müsse dringend in ärztliche Behandlung, stieg Lina in den Mietwagen. Dass Bens bester Freund sich nur sorgte, war deutlich zu sehen, aber sie war in der Lage, selbst auf sich aufzupassen. Tom half ihr, sich anzuschnallen:

    „Ich finde das nicht gut."

Schulterzuckend biss sie sich auf die Lippe. Trotz der Schmerzmittel ließ ihr Körper sie eindrucksvoll wissen, in welchem Zustand er war:

    „Du musst das auch nicht gut finden. Aber wenn ich mit einer Schusswunde ins Krankenhaus gehe, wird die Polizei informiert. Damit habe ich nicht die besten Erfahrungen."

Tom brummte nur. Auch wenn Lina den Grund für seine mäßige Laune verstand, war sie sich sicher, dass sie auf gar keinen Fall in irgendwelchen Papieren auftauchen durfte. Ihr Gegner waren außergewöhnlich gut informiert und waren ihnen auf den Fersen. Nach dem Versprechen, nicht zu einer Klinik zu fahren, entspannte sie sich etwas. Toms Jacke zwischen Kopf und Fenster einquetschend, versuchte Lina, ein wenig die Augen zuzumachen. Sie wachte erst durch einen Stupser an der Schulter wieder auf und sah Tom, der das Gesicht zu einem schiefen Grinsen verzog:

    „Hey, aufwachen, Schlafmütze."

Lina fuhr vor Schreck hoch und ihre Knie knallten mit Wucht gegen das Armaturenbrett. Eine weitere schmerzbehaftete Stelle. Die Wirkung der Schmerztabletten war verflogen und ließ sie jedes, der reichlich vorhandenen, Probleme in ihrem Körper deutlich wahrnehmen. Schnell nahm sie zwei neue Tabletten und spülte sie mit einem großen Schluck aus einer Wasserflasche hinunter, die Tom ihr reichte:

     „Was ist denn? Ist etwas passiert? Wo sind wir?"

    „Erst einmal habe ich dir neue Klamotten besorgt. Das ist ja unmöglich, wie du hier herumläufst."

Er deutete auf eine Papiertasche, die auf der Rückbank lag, und entlocke Lina damit ein Lächeln. Sie kannte Tom schon einige Jahre und solche Fürsorglichkeit ließ er nur selten durchblitzen.

    „Und das ist eine Bibliothek. Mich würde mal interessieren, ob an dieser Legende mit dem Goldschatz etwas dran ist. Es muss doch einen Grund haben, wenn man dafür sogar Entführung und Mord in Kauf nimmt."

Lina stimmte ihm zu. Es war kaum vorstellbar, dass es sich nur um eine Geschichte handelte. Würde man sonst solche Verbrechen begehen? Gut, die Menschen sind auch für weniger zu diesen Taten fähig. Nachdem die Schmerzmittel wirkten, begab sich Lina auf direktem Weg zur Toilette der Bibliothek und zog sich um. Es dauerte zwar etwas und schmerzte, aber endlich trug sie wieder annehmbare Klamotten. Tom hatte sogar die nahezu passende Größe herausgesucht. Sie ließ die Tüte und die alte Kleidung in einem Mülleimer verschwinden uns gesellte sich zu Ben bestem Freund, der längst an einem Tisch saß:

    „Danke für die Sachen. Aber ernsthaft, Tom? Pink?"

    „Ich dachte, du magst farbenfroh."

Lina verzog das Gesicht. Wenn sie eine Farbe hasste, dann war es Pink und wie Salz in einer Wunde war es zusätzlich mit Glitzer verziert. Aber immerhin verdeckte das T-Shirt die Verbände und verbarg so die Verletzungen. Tom hatte bereits ein paar Bücher zusammengetragen und sie nahmen die ersten Inhaltsverzeichnisse in Angriff. Nach einer Weile streckte Lina sich:

    „Können wir nicht einfach Google benutzen?"

Tom tippte auf sein Handy:

    „Habe ich bereits. Die Informationen sind unvollständig und wiedersprüchlich. Wenn es so einfach wäre, säßen wir nicht in einer Bibliothek. Irgendwo in diesen Büchern gibt es einen Hinweis. Ein Protokoll, ein Befehl, irgendetwas, was darauf hindeutet, ob es diesen Schatz wirklich gab."

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