Obwohl sie jetzt wieder Luft bekam, hätte Lina sich am liebsten den Beutel heruntergerissen. Die Dunkelheit verstärkte die Angst um ein Vielfaches. Die Fahrt war schnell und so hektisch, dass sie sich mehrfach den Kopf anschlug. In ihren Ohren rauschte es laut und nur wenige Geräusche aus der Umgebung drangen zu ihr durch. Die Gespräche ihrer Entführer vermochte sie nicht zu belauschen. Sie war in absoluter Hilflosigkeit gefangen. Was war mit Tom passiert? War er ebenfalls in diesem Wagen? Jeder Versuch zu sprechen wurde durch den enganliegenden Kunststoff zunichtegemacht, was Lina zum Nichtstun verdammte. Sie war beinahe erleichtert, als sie offenbar das Ziel erreichten und sie aus dem Fahrzeug gezerrt wurde. Nur wenige Augenblicke später saß sie gefesselt auf einem Stuhl. Jemand zerschnitt den Beutel und befreite ihr Gesicht von der Enge.Lina blinzelte. Selbst das gedämpfte Licht in dieser Umgebung blendete sie. Ihr ganzer Körper schien zu schmerzen und die OP-Narbe zog enorm. Fast so, als wolle sie schon wieder aufreißen. Ihre Augen gewöhnten sich langsam an die Helligkeit und mit jeder verstrichenen Sekunde war mehr zu erkennen. Offenbar saß sie in einer verlassenen Lagerhalle, deren Boden mit Schutt übersäht war. Zerbrochene Fenster ließen das gedämpfte Licht hindurch und an einigen Stellen war das Dach beschädigt. Staub flirrte deutlich sichtbar durch die Luft und kratzte unangenehm im Hals. Ein riesiger Stein fiel Lina vom Herzen, als sie Tom neben sich bemerkte. Er sah etwas geschunden aus, die Haare waren wild durcheinander und ein blutiger Striemen zog sich durch sein Gesicht. Ansonsten schien er unverletzt zu sein:
„Tom, alles in Ordnung?"
„Es geht so. Ein bisschen Kopfschmerzen. Und bei dir?"
„Naja, ging schon mal besser."
„Ruhe jetzt!"
Die Stimme drang wie ein Donnerschlag durch die Halle. Zwischen den Fahrzeugen erschien eine wahrlich angsteinflößende Gestalt. Der Mann war groß, etwas hager und beim Näherkommen war zu erkennen, dass eine Gesichtshälfte schwer vernarbt war. Das knochige Gesicht wirkte nahezu wie ein Totenschädel. Er betrachtete seine beiden Gefangenen eine Weile. Lina wurde mit jeder Minute nervöser. Dieser Mann, und diese grausame Ruhe, die er ausstrahlte, flößte ihr Angst ein. Ein paar schreckliche Augenblicke später deutete der Fremde mit einem Finger auf die junge Frau. Seine Stimme war jetzt rau und leise:
„Endlich lerne ich diese Lina einmal kennen, über die Tahnert dauernd redet."
Er trat zu ihr, hob Linas Kinn mit einer Hand an, so dass sie dazu gezwungen war, ihn anzusehen, und betrachtete seine Gefangene:
„Im Grunde ganz hübsch. Beinahe eine Verschwendung, wenn man bedenkt, was ihr bevorsteht. Und wer bist du?"
Die Frage richtete sich an Tom, der trotzig das Kinn vorreckte:
„Ich bin sein Bens bester Freund. Was immer sie auch wollen, wir haben es nicht."
„Oh, das weiß ich."
Stille breitete sich in der Halle aus. Lina, die ob der letzten Aussage über sie vor Angst zitterte, überlegte angestrengt. Die Antwort verwirrte sie. Wenn ihrem Gegenüber bewusst war, dass sie den Schatz nicht besaßen, was wurde dann hier gespielt?
„Und was erwarten sie jetzt von uns?"
„Ich? Gar nichts. Jemand anderes will etwas von euch."
Er gab ein Handzeichen und zwei seiner Männer zerrten eine gefesselte Gestalt zu ihnen. Der Neuankömmling fiel in den Staub und blieb reglos liegen. Sein Gesicht war zu den Gefangenen gerichtet. Line schrie auf:
„Ben!"
Ben öffnete sichtbar angestrengt die geschwollenen Augen. Seine Stimme war keuchend und schwer. Dieses eine Wort schien ihn erhebliche Kraft zu kosten:
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Urlaub - Was tust du, wenn du alles verlierst?
Misterio / SuspensoBen und Lina freuen sich auf ihre Urlaubsreise in die USA. Der erste Urlaub seit Ewigkeiten. Es scheint alles wunderbar zu laufen, doch vor Ort geraten sie in einen Sturm. An und für sich nicht so schlimm, wäre nicht Ben während des Sturms verschwun...