Fehlende Hinweise

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Ein Geruch von Desinfektionsmittel und Seife war das Erste, was Lina wahrnahm. Eine eigenartige Mischung. Langsam kehrte ihr Bewusstsein zurück und ließ mit jedem Augenblick mehr Eindrücke zu. Behutsam schlug sie die Augen auf und sah Toms besorgtes Gesicht. Ihre Stimme klang müde:

    „Hey."

    „Hey, wie geht es dir?"

Toms Stimme beruhigte sie ein wenig. Sie gab ihr Sicherheit. Der Raum wurde nur von einer einzigen Lampe erhellt, deren spärliches Licht dem Ganzen eine gespenstische Atmosphäre verlieh. Er enthielt, außer der Liege, auf der Lina lag, nur zwei kleine Schränke und einen Stuhl, auf dem Tom saß. Er hielt ihre Hand:

    „Gut, dass du wieder aufgewacht bist. Du hattest schon ordentlich Blut verloren."

    „Wo sind wir?"

    „Ich habe ein bisschen herumtelefoniert und einen Arzt gefunden, der keine Fragen stellt. Ist manchmal ganz nützlich, wenn man Verbindungen hat. Du bist in einem seiner Behandlungszimmer."

Lina atmete erleichtert auf. Sie wusste zwar, dass Tom viele Leute kannte, nur waren ihr die guten Beziehungen in die Staaten neu. Wahrscheinlich brachte das sein Beruf als Kunsthändler so mit sich. Im Grund war es auch egal, denn sie schienen erst einmal in Sicherheit zu sein.

    „Die Flucht scheint geklappt zu haben."

    „Es hat zwar ein bisschen gedauert, aber ich konnte der Streife entkommen. Gar nicht so einfach, sich aufs Fahren zu konzentrieren, wenn die beste Freundin gerade neben einem verblutet. Mit dem Handy habe ich herumtelefoniert und schließlich den Arzt hier gefunden. Gerade noch rechtzeitig."

    „So schlimm?"

    „Naja. Gut sah es nicht aus. Der Wagen sieht wie nach dem Dreh für einen Horrorfilm aus. Die Naht war aufgegangen und durch die Blutverdünner hast du eine Menge Blut verloren. In dir scheint aber alles in Ordnung zu sein. Wenn ich diesen Arzt hier nicht gefunden hätte, hätte ich dich auf jeden Fall in ein Krankenhaus bringen müssen."

    „Danke für deine Hilfe."

Tom winkte ab und löste damit bei Lina ein Lächeln aus. Sie wusste, dass er nicht gerne gelobt wurde. Die Situation erlaubte es ihr, sich ein wenig zu entspannen und einen Augenblick zu verschnaufen. Die Frage war nur, wie es jetzt weiterging. Sie hatten einen Ort gefunden, wo die Ladung gelagert war. Nun stand die Entscheidung an, wie sie weitermachten. Wenn sie den Schatz fanden, was äußerst unwahrscheinlich war, hatten sie eine hervorragende Verhandlungsposition für Bens Freilassung. Offenbar hatte Tom weitergeforscht, denn er schien ihre Gedanken zu erraten und und zeigte auf sein Handy:

    „Ich habe schon mal weitergemacht. Du erinnerst dich an Kebbel und die Kirche? Dieser Nebensatz in dem Bericht?"

Lina nickte nur und Tom fuhr fort:

    „Diese Kirche ist gar nicht so weit weg. Offenbar wurde sie im Bürgerkrieg als Umschlagplatz genutzt. Von so einem Platz können durchaus mal ein paar Kisten verschwinden."

    „Ein paar Kisten? Es sollen Goldbarren im Wert von unzähligen Millionen gewesen sein."

Schulterzuckend scrollte er weiter durch das Display des Handys:

    „Ich weiß ja nicht, wie damals die Organisation war. Da ist Ben eher der Experte. Ich könnte mir aber schon vorstellen, dass da auch eine große Anzahl an Kisten verschwinden kann, wenn man einen gefälschten Befehl vorzeigte."

Das Argument war schlüssig. Mit dem gefälschten Befehl eines Generals ließ sich nahezu jeder Transport ohne Fragen in die Wege leiten. Aber wie brachte man Soldaten dazu, die Ladung unterwegs abzuladen und schlicht zu vergessen, dass es sie gab? Schließlich waren die Planwagen an ihrem Bestimmungsort leer angekommen.

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