Der unangenehme Gesprächspartner war Greg offenbar bekannt. Lina überlegte. Als Verteidigungsminister standen dem Mann sämtliche Ressourcen des Regierungsapparates zur Verfügung. Er hatte unzählige Möglichkeiten, gegen die junge Frau vorzugehen, aber alles nur, um sie zum Schweigen zu bringen? Es war unvorstellbar, dass er all das riskierte, nur um eine unbedeutende Außenstehende zu töten. Und nur, weil sie diese riesigen Goldmengen gesehen hatte. Lina wusste ja noch nicht einmal, wo das Gold jetzt war. Ein Agent riss sie aus ihren Gedanken:
„Ma'am. Sie werden erwartet."
Sie wurden wahrhaftig in das Oval Office geführt. Ehrfürchtig blieb Lina in der Türschwelle stehen und sah sich in dem Raum um. Die kostbaren Ölgemälde an den Wänden zeigten ehemalige Präsidenten. Zwei gemütlich aussehende Sofas standen sich in der Raummitte gegenüber und vor den Fenstern prangte der riesige dunkle Schreibtisch, den man so oft in Filmen und sporadisch in den Nachrichten sah:
„Wow, sieht genau wie in Hollywood aus."
„Nun ja, ich hoffe, es ist etwas authentischer." Der Präsident betrat sein Büro und schenkte ihr ein strahlendes Lächeln. Mit einer Hand deutete er auf die Couch:
„Wollen wir uns setzen?"
Gegen den Protest des Secret Service nahm das Staatsoberhaupt ebenfalls auf einem der Sofas platz, so dass er Greg und Lina gegenübersaß. Er räusperte sich:
„Sie wollten mich sprechen und haben ja, zumindest kurz angeschnitten, eine aufregende Geschichte zu erzählen. Ich habe aus ihren Andeutungen geschlossen, dass unsere Dienste und die Streitkräfte beteiligt sind. Daher habe ich noch jemanden zu diesem Treffen gebeten, was sicher eine Menge Licht in diese Situation bringen wird."
Die Tür wurde von einem Agenten geöffnet und Angst stieg in Lina auf. Der Verteidigungsminister betrat das Büro seines Vorgesetzten, warf den Gästen nur einen kurzen Blick zu und ließ sich neben dem Präsidenten nieder. Damit war ihre Hoffnung, hier Hilfe zu finden, dahin. Wenn Lina jetzt anfing zu reden, würde der Minister sie sofort in die Unglaubwürdigkeit drängen und nach dem Gespräch verschwinden lassen. Das Staatsoberhaupt wartete geduldig, doch da seine Gäste keine Anstalten zeigten, das Wort zu ergreifen, räusperte er sich:
„Im Grund widerstrebt es mir ja, hier so deutlich werden zu müssen, aber ich denke, es ist vonnöten. Miss, bevor sie mir ihre ganze Geschichte erzählen, fasse ich einmal das bisher gesagte zusammen."
Lina schüttelte kaum merklich den Kopf. Sie wollte es irgendwie verhindern. Aus dem Raum flüchten oder den Präsidenten zum Schweigen bringen. Er durfte jetzt nicht alles auflisten, was sie bisher gesagt hatte, aber es war zu spät.
„Ihr Lebensgefährte, ein bekannter Kenner unseres Bürgerkrieges, ist hier im Urlaub verschwunden. Sie sagten, entführt worden. Um ihn zu retten haben sie einen Goldschatz aus eben diesem Krieg gefunden und an der Fundstelle festgehalten. Im Zuge ihrer Flucht wurde Mister Tahnert angeschossen, aber sie selbst konnten entkommen. Ab jenem Zeitpunkt wurden sie von diversen Organisationen gejagt und letzten Endes von einer Einheit der US-Armee festgesetzt. Im anschließenden Verhör hat sich herausgestellt, dass diese Organisationen unsere Geheimdienste sind und sie dort als Terroristin deklariert wurden. Sie schafften es trotz alledem, wieder zu entkommen und letztlich Kontakt zu mir herstellen. Ist das soweit korrekt?"
In dem Bewusstsein, dass das ihr Todesurteil bedeutete, nickte Lina. Alles war verloren. Sie warf einen Blick auf den Minister, dessen Lippen fest aufeinandergepresst waren. Greg ergriff ihre Hand und der Präsident fuhr fort:
„Nun, bitte haben sie Verständnis, dass diese Geschichte nicht unbedingt glaubwürdig klingt. Ihre Einladung beruht im Grunde auf Neugier meinerseits und großem Respekt vor der Arbeit von Mister Tahnert. Diese Umstände änderten sich jedoch."
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Urlaub - Was tust du, wenn du alles verlierst?
Mystery / ThrillerBen und Lina freuen sich auf ihre Urlaubsreise in die USA. Der erste Urlaub seit Ewigkeiten. Es scheint alles wunderbar zu laufen, doch vor Ort geraten sie in einen Sturm. An und für sich nicht so schlimm, wäre nicht Ben während des Sturms verschwun...