chapter 2: Wildnis

29 5 0
                                    

Nur wenige Meter von uns entfernt, stand ein riesiges Braunbär-Weibchen. Zu dieser Zeit, wir waren mitten im Januar, halten Bären eigentlich immer Winterschlaf, doch aus irgendeinem Grund wurde der Bär wohl geweckt. Sie wird uns wahrscheinlich auch nicht einfach so gehen lassen, denn wir befanden uns mitten in ihrem Revier.
Ich hatte meinen Körper nach wie vor noch nicht unter Kontrolle. Warum gerade jetzt? Werde ich etwa so sterben? Von einem Bären aufgeschlitzt? ,,Jishino!" Die Stimme meines Vaters holte mich wieder in die Realität zurück. Ich konnte mich wieder bewegen! ,,Jishino, komm ganz langsam zu mir rüber." Meinen Blick weiterhin auf den Bären gerichtet, bewegte ich mich in die Richtung meines Vaters. Gleich geschafft! Ein Knacken unterbrach die Stille. Ich sah auf den Boden. Ich hatte lautstark einen Ast zertreten!
Der Bär blieb nun nicht mehr länger ruhig. Brüllend rannte er auf mich zu. Nur knapp verfehlte mich seine Pranke, die sich dafür in die Kiefer hinter mich grub.
Langsam drehte er sich wieder zu mir und fing an, mich zu umkreisen. Seine ganze Aufmerksamkeit galt mir, mir allein.
Ich muss ruhig bleiben. Sobald ich in Panik geriet, war es aus mit mir.
Immer wieder konnte ich den Hieben der Pranke knapp entkommen. Es glich einem Wunder, dass ich jedes Mal ausweichen konnte.
Einmal hatte ich kurz Zeit zum Verschnaufen und sah mich nach meinem Vater um. Wo war er? Wo ist er bloß hin? Hat er die Situation etwa genutzt und ist geflohen? Nein, sowas würde er niemals machen, oder? Menschen machen oft dumme Sachen, wenn sie vor etwas Angst haben.
Ich war unachtsam geworden, beinahe hätte mich die Pranke erschlagen. Ich hörte das Spannen eines Bogens. Ein Pfeil zischte durch die Luft und traf sein Ziel, den Bären. Doch dieser brüllte nur kurz auf und ließ sich nicht aus seiner Fassung bringen. ,,Verdammte Scheiße!"
Mein Vater hat von einem Felsen aus auf den Bären geschossen, jedoch grub sich der Pfeil nicht tief genug in das Fleisch.
,,Jishino hör mir gut zu! Wir müssen sofort von hier abhauen! Wenn wir durch den dichten Wald rennen, können wir den Bären vielleicht noch abschütteln!" Wieder war ich zu unachtsam. Der Bär stand genau neben mir, doch ich war anscheinend nicht länger interessant. Sein Fokus lag nun auf meinem Vater, dem er bereits hinterherjagte. ,,Geh schonmal vor, ich komme gleich nach!" Er zog seine Machete und rannte den Bären entgegen.
Ich konnte mich wieder nicht bewegen. Mein Geist war wieder in seiner regungslosen Hülle gefangen. 7 Jahre, so alt war ich. Niemand würde mich verurteilen, wenn ich nicht geholfen habe, was soll ich schließlich auch ausrichten können? Keiner würde mir die Schuld geben, wenn mein Vater sterben würde und ich weggerannt bin, aber ich könnte es mir niemals verzeihen, wenn ich ihm hier und jetzt im Stich lassen würde.
Aber ich war zu schwach. Ich kann niemanden helfen. Ich versank wieder im Nichts.
Ein Schrei befreite mich aus meiner Starre. Ich sah mein Vater blutverschmiert im Gras liegen. Sein Rücken weißte Spuren der Bärenpranke auf, welcher unmittelbar neben meinem Vater stand. Ich verlor mich schon wieder. Ich driftete wieder ins Nichts, aber mein Körper bewegte sich instinktiv weiter. Ich sah mir zu, wie ich die Machete aufhob, zum Bären rannte, unter ihm durch glitt und ihn an jeder Pranke eine tiefe Wunde verpasste. Der Bär verlor zwar ordentlich an Blut, konnte sich aber gerade so noch auf den Beinen halten.
Was war los? Ich hatte wieder die Kontrolle über meinen Körper. Bis ich das realisierte, flog ich bereits durch die Luft. Der Bär hatte mich voll erwischt. Ich landete nicht gerade sachte auf meine Wirbelsäule und blieb wieder regungslos liegen. Ich sah in den Himmel, es war Vollmond. Eine wunderschöne Winternacht. War das wirklich mein Ende? Muss ich wirklich schon sterben? Ich wollte doch noch so viel sehen und erleben!
Es fing an zu schneien, obwohl der Himmel keine einzige Wolke aufwies. Ich sah zu, wie die Schneeflocken am Himmel tanzten. Jetzt realisierte ich es: Ich hatte verloren...

Chronicle of Redemption Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt