chapter 1: Jagd

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,,Jishino?" Eine Stimme. Sie war zart und hell. ,,Hey Jishino! Du sollst nicht herumliegen und schlafen, sondern mir helfen." Schmerz. Mir wurde auf den Kopf geschlagen. Ich öffnete meine Augen. Vor mir stand ein kleines Mädchen, vielleicht 5 Jahre alt. Sie hatte ein Stock in der Hand und sah mich grimmig an. ,,Hey warte, ich bin doch schon wach Shinju!" Ich schaffte es, sie davon abzubringen, mich ein weiteres Mal zu schlagen. Shinju? Der Name ging mir selbstverständlich über die Lippen. Kenne ich etwa dieses Mädchen? Sieht so aus. ,,Du hast mir versprochen, mir zu helfen Jishino!" Jishino? War das mein Name? Ich wurde von einer Flut an Erinnerungen und Informationen überwältigt. Jishino! So hieß ich und das Mädchen vor mir, war meine zwei Jahre jüngere Schwester Shinju! Wie konnte ich sowas vergessen?
Ich habe vorhin anscheinend geschlafen. War das etwa alles nur ein Traum? Würde ein siebenjähriger Junge wie ich wirklich sowas träumen? Was hatte ich noch gleich geträumt? Mir war es entfallen.
,,Du hast es versprochen! Du hast es versprochen! Du hast es versprochen!" Sie war anscheinend noch immer sauer auf mich. ,,Ist ja gut, ich helfe dir ja schon." Ich stand auf und wischte mir meine Haare nicht sehr elegant aus meinem Gesicht. Der Winterwind wehte eiskalt über das Dorf und das ganzjährig blühende Blumenfeld. ,,Wie viel Blumen hast du denn bereits gepflückt?" Stolz hielt mir Shinju ihre drei Blumen ins Gesicht. ,,Erst drei Blumen? Was hast du denn die ganze Zeit gemacht?" ,,Ich war abgelenkt," sagte sie, ,,ich habe versucht einen Schneefalter zu fangen, aber er war zu schnell für mich." Ihr Grinsen wurde breiter. Ich lächelte sie an und wuschelte durch ihre mittellangen, gewellten blonden Haare. ,,Na komm schon Shinju, wir wollen doch Mama nicht nur drei Blumen zu ihrem Geburtstag schenken, oder?" Ich nahm ihre Hand und ging wieder mit ihr auf das große Blumenfeld.
Bis zum Nachmittag hatten wir zwei große Sträuße mit den Lieblingsblumen unsere Mutter zusammen und gingen glücklich durch die Straßen von unserem kleinen Dorf mitten in Gensanchi.
,,Mama wird sich bestimmt über die vielen bunten Blumen freuen, oder Jishino?" Heute waren die Straßen besonders belebt. Jeden Freitag kamen die Händler aus der Großstadt, um ihre Ware an den Mann zu bringen.
,,Natürlich wird sie sich freuen, es sind schließlich ihre Lieblingsblumen." Shinju hüpfte freudestrahlend über die Straße.
,,Pass auf Kleine!" Geradeso konnte ich sie noch von der Straße zerren. Sie wäre beinahe von einem Pferd zertrampelt worden. ,,Ich muss mich wohl bei euch entschuldigen, das war ja ganz schön knapp." Auf dem Pferd saß ein Soldat der ,,Nozomi" Armee. Die Armee entsand einige ihrer Soldaten hierher, um unser Dorf zu beschützen, da Gerüchten zufolge einige Soldaten der ,,Akui no aru" Armee bei uns in der Nähe gesichtet wurden.
,,Oh nein, nicht doch, ich muss mich eher entschuldigen, weil ich nicht gut genug auf meine kleine Schwester aufgepasst habe." Der Soldat stieg von seinem Pferd und kam zu mir. Er tätschelte mir auf den Kopf. ,,Mach dich nicht für alles verantwortlich Kleiner. Du bist noch viel zu jung, so eine große Last zu tragen." Ich sah im verblüfft hinterher, als er wieder auf sein Pferd stieg und zum Marktplatz galoppierte. Ich hatte eher mit einer Standpauke gerechnet.
,,Da seit ihr ja endlich! Wir haben uns schon Sorgen um euch gemacht." Unsere Mutter wartete bereits vor unserer Haustür auf uns. Shinju rannte ihr in die Arme. ,,Alles Gute zum Geburtstag Mama!" Sie streckte Mama die Blumen ins Gesicht. ,,Die sind wirklich schön meine Süße, dazu noch meine Lieblingsblumen. Hattest du die Idee?"
,,Nein es war Jishinos Idee, aber psst ich habe mehr Blumen gepflückt als er." Lachend verschwand sie im Haus.
,,Ist irgendwas besonderes passiert?" ,,Nein, eigentlich nicht, die Händler sind jedoch etwas früher als erwartet hier und bauen bereits ihre Stände auf." Zusammen gingen meine Mutter und ich ebenfalls ins Haus. Unser Vater saß am Tisch und schrieb ein Brief, Shinju hatte er auf seinen Schoß gesetzt. ,,Papa! Papa! Ich habe heute Schmetterlinge gejagt." Shinju freute sich immer noch riesig. ,,Ach echt? Hast du denn auch einen gefangen?" Ihre Miene verdunkelt sich schlagartig, sie fing an zu weinen. ,,Nein habe ich nicht! Ich war viel zu langsam für sie!" Mama nahm unseren Vater Shinju ab und beruhigte sie wieder. ,,Apropos jagen, würdest du mit mir auf die Jagd gehen wollen Jishino? Ich habe von unserem Nachbarn gehört, dass noch eine ganze Horde Rehe im Wald zu finden sind." Ich grinste übers ganze Gesicht. Schon immer wollte ich mal mit Papa jagen gehen. ,,Zum Abendessen seit ihr aber wieder zurück." rief uns Mama aus der Küche noch hinter.
Mittlerweile war es bereits 16 Uhr und die Sonne verschwand langsam hinter dem Horizont. ,,Die Rehe sollen sich angeblich am großen Teich niedergelassen haben, wir sollten also gleich da sein." Mein Vater flüsterte bereits mit mir. Es war kalt. Zwar noch nicht so kalt, dass der Teich zugefroren war, aber kalt genug, dass meine Ohren und Nase bereits rot anliefen.
,,Da sind sie! Siehst du sie Jishino?" Tatsächlich lagen in der Richtung, wo mein Vater hinzeigte, einige Rehe. Das Licht des Vollmondes, welches sich im Wasser spiegelte, verlieh der ganzen Szene einen majestätischen Eindruck. Als ich gerade was dazu sagen wollte, hielt mir mein Vater den Mund zu. Langsam richtete er sich auf und zog seinen Jagdbogen. Er legte einen Pfeil an, schloss die Augen, holte noch ein letztes Mal tief Luft, öffnete die Augen wieder und schoss. Die Rehe schreckten sofort auf und rannten weiter in den Wald hinein. Hatten wir jetzt eins erwischt. Mein Vater packte mich und rannte mit mir den Rehen hinterher. ,,Ich habe ein Reh getroffen, jedoch war es nur ein Streifschuss. Das kommt nicht mehr weit mit dieser Verletzung." Er hatte recht. Wir bogen nur zwei Mal ab und sahen auch schon das verletzte Reh weg humpeln. Nach mehreren Metern brach es schließlich zusammen.
,,Jishino, guck bitte weg. Ich verpasse ihm den Gnadenstoß, damit er nicht mehr leiden muss." Er spannte ein weiteres Mal den Bogen, doch ich ignorierte ihn bereits und sah mir die Umgebung genauer an. Eine Höhle, keine 30 Meter von uns entfernt, erweckte mein Interesse, doch ich blieb auf Abstand. Ein komischer Geruch stieg mir in die Nase. Kot? Gut möglich, aber von welchem Tier? Je länger wir blieben, desto unwohler fühlte ich mich hier. Mein Vater war noch immer mit dem Reh beschäftigt, was er dort genau machte, wusste ich jedoch nicht.
,,Papa, wir sollten lieber erstmal von hier gehen." Mein Blick war wieder auf die Höhle gerichtet. ,,Jetzt Papa!" ,,Was ist denn los Jishi-" Er brach seinen Satz ab, als auch er die Höhle sah. Ein Geräusch kam aus der Höhle, als würde etwas rauskommen. ,,Papa, ich habe Angst!" Ich konnte mich keinen Zentimeter bewegen, ich war erstarrt. Aus der Höhle kam ein Tier, welches eigentlich tief und fest schlafen sollte, aber es wohl beim Schlafen gestört wurde.
Gegenüber von uns stand ein riesiges Braunbär-Weibchen!

Chronicle of Redemption Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt